»Wie Sie wollen, Mr. Colfax.« David Terry stand auf. »Ich glaube, wir haben an alles gedacht.« Er lachelte aufmunternd. »Dies ist einer von den leichten Fallen. Ich bringe die Sache schon mal in Bewegung. Sobald Sie mit Ihrer Aussage fertig sind, werden Sie in einem Flugzeug nach Sudamerika sitzen.«
»Danke.« Thomas Colfax sah seinen Besucher gehen, und er war von einem Gefuhl freudiger Erregung beseelt. Er hatte es geschafft! Michael Moretti hatte den Fehler seines Lebens begangen, als er ihn unterschatzte, und es wurde sein letzter Fehler werden. Colfax wurde ihn so tief begraben, da? er nie wieder auferstehen konnte.
Und seine Zeugenaussage wurde gefilmt werden. Nicht uninteressant. Er fragte sich, ob sie ihn vorher schminken wurden. Er betrachtete sich in dem schmalen Spiegel an der Wand. Nicht schlecht, dachte er, fur einen Mann meines Alters sehe ich immer noch gut aus. Diese jungen sudamerikanischen Madchen lieben altere Herren mit grauen Haaren.
Er horte, wie sich die Zellentur offnete, und wandte sich um. Ein Marinesergeant brachte ihm sein Mittagessen. Er hatte noch viel Zeit, bevor die Filmaufnahmen begannen. Am ersten Tag hatte sich Colfax uber das Essen beschwert, das ihm serviert worden war, worauf Generalmajor Wallace dafur gesorgt hatte, da? seine Mahlzeiten aus dem Besten vom Besten bestanden. In den Wochen, die Colfax auf dem Stutzpunkt verbracht hatte, war sein leisester Wunsch allen anderen Befehl gewesen. Sie taten, was sie konnten, um es ihm angenehm zu machen, und
Colfax nutzte es nach Kraften aus. Er hatte komfortable Mobel erhalten, einen Fernsehapparat, und taglich wurden ihm die neuesten Zeitungen und Magazine gebracht.
Der Sergeant stellte das Tablett auf den fur zwei Personen gedeckten Tisch und machte dieselbe Bemerkung wie jeden Tag. »Scheint e?bar zu sein, Sir.«
Colfax lachelte hoflich und setzte sich an den Tisch. Kaum durchgebratenes Roastbeef, genau wie er es mochte, Kartoffelpuree und Yorkshire-Pudding. Er wartete, bis sich der Sergeant einen Stuhl herangezogen und auf die andere Seite des Tisches gesetzt hatte. Der Sergeant ergriff Messer und Gabel, schnitt ein Stuck Fleisch ab und begann zu essen. Auch eine von Generalmajor Wallaces Ideen. Thomas Colfax hatte seinen eigenen Vorkoster. Wie die Konige vergangener Jahrhunderte, dachte er. Er sah zu, wie der Marinesergeant das Roastbeef, die Kartoffeln und den Pudding probierte. »Wie schmeckt es?«
»Um die Wahrheit zu sagen, Sir, habe ich mein Fleisch lieber gut durch.«
Colfax ergriff sein eigenes Besteck und begann zu essen. Der Sergeant hatte keinen Geschmack. Das Fleisch war perfekt zubereitet, das Puree cremig und hei?, der Yorkshire-Pudding ein Gedicht. Colfax griff nach dem Meerrettich und streute ihn dunn uber das Fleisch.
Es passierte nach dem zweiten Bissen. Plotzlich merkte Colfax, da? etwas ganz und gar nicht stimmte. In seinem Mund schien plotzlich ein Feuer zu explodieren, das sich durch den ganzen Korper fra?. Seine Kehle zog sich zu, schockartig gelahmt, und er schnappte nach Luft. Thomas Colfax umklammerte seinen Hals und versuchte, dem Sergeant mitzuteilen, was passierte, aber er brachte kein Wort hervor. Das Feuer breitete sich immer schneller und weiter aus, erfullte ihn mit unsaglichen Qualen. In einer grauenhaften Zuckung versteifte sich sein ganzer Korper, und er sturzte nach hinten zu Boden.
Der Sergeant betrachtete ihn einen Augenblick, ehe er sich vorbeugte und Thomas Colfax' Augenlid hochhob, um sicherzugehen, da? er tot war. Dann erst schrie er nach Hilfe.
60
Der Flug 246 der Singapore Airlines landete um halb acht Uhr morgens auf dem Heathrow Airport in London. Die anderen Passagiere wurden gebeten, auf den Sitzen zu bleiben, bis Jennifer und die beiden FBI- Beamten das Flugzeug verlassen und das Sicherheitsburo des Flughafens erreicht hatten. Jennifer gierte geradezu nach einer Zeitung, um herauszufinden, was zu Hause los war, aber ihre beiden schweigenden Begleiter schlugen ihr die Bitte ab und weigerten sich auch, in ein Gesprach verwickelt zu werden.
Zwei Stunden spater stiegen die drei Reisenden in ein Flugzeug der TWA, Ziel New York.
Im Gerichtsgebaude am Foley Square fand sich ein Krisenstab zusammen. Unter den Anwesenden waren Adam Warner, Robert Di Silva, Generalmajor Roy Wallace und ein halbes Dutzend weiterer Vertreter vom FBI, dem Justizministerium und dem Schatzministerium.
»Wie, zum Teufel, konnte das passieren?« Robert Di Silvas Stimme zitterte vor Wut. Er wandte sich an den Generalmajor. »Sie wu?ten genau, wie wichtig Colfax fur uns war.« Der Angesprochene breitete hilflos die Hande aus. »Wir haben jede nur mogliche Vorsichtsma?nahme getroffen, Sir. Wir prufen gerade nach, wie sie Zyanwasserstoffsaure in die...«
»Es ist mir schei?egal, wie sie es getan haben! Colfax ist tot!« Der Mann vom Schatzministerium wollte wissen: »Was bedeutet Colfax' Tod fur uns?«
»Eine ganze Menge«, antwortete Di Silva. »Einen Mann in den Zeugenstand zu holen, ist eine Sache. Einen Haufen Hauptbucher und Berichte vorzuzeigen, eine ganz andere. Sie konnen Ihren Arsch darauf verwetten, da? irgendein gerissener Anwalt behaupten wird, die Bucher seien gefalscht.«
»Wie machen wir jetzt also weiter?«
»Wir machen weiter wie bisher«, antwortete Di Silva. »Jennifer Parker ist auf dem Ruckweg von Singapur. Wir haben genug in der Hand, um sie fur immer wegzustecken. Und wahrend sie untergeht, werden wir dafur sorgen, da? sie Michael Moretti mit sich rei?t.« Er wandte sich an Adam. »Halten Sie das nicht auch fur das Beste, Senator?« Adam war ubel geworden. »Entschuldigen Sie mich.« Er verlie? den Raum mit schnellen Schritten.
61
Der durch ubergro?e Ohrenschutzer behutete Bodenlotse winkte den Jumbo 747 mit seinen beiden Signalkellen an die wartende Treppe. Das Flugzeug rollte bis zu einem auf den Asphalt gemalten Kreis, und auf ein Zeichen wurgte der Pilot die vier Pratt & Whitney-Dusen ab.
Im Inneren des Flugzeugs drang die Stimme einer Stewarde? aus den Lautsprechern. »Meine Damen und Herren, wir sind soeben in New York Kennedy Airport gelandet. Wir danken Ihnen, da? Sie mit TWA geflogen sind. Wir bitten Sie, bis zur nachsten Ansage in Ihren Sitzen zu bleiben. Danke sehr.« Protestgemurmel erhob sich. Einen Augenblick spater wurden die Turen von der Bodencrew geoffnet. Die beiden FBIBeamten, die mit Jennifer im vorderen Teil des Flugzeugs gesessen hatten, standen auf. Einer von ihnen wandte sich an Jennifer und sagte: »Gehen wir.«
Neugierig sahen die Passagiere zu, wie die drei Fluggaste die Maschine verlie?en. Einige Minuten spater ertonte wieder die Stimme der Stewarde? aus den Lautsprechern. »Wir danken Ihnen fur Ihre Geduld. Sie konnen jetzt aussteigen.«
Am Seiteneingang des Flughafens wartete eine Limousine der Regierung und fuhr geradewegs zum Metropolitan-Gefangnis an der Park Row 150, die mit dem Gerichtsgebaude am Foley Square verbunden war.
Nachdem Jennifer fur das Album fotografiert worden war und ihre Fingerabdrucke hinterlassen hatte, sagte einer der FBIAgenten: »Es tut uns leid, aber wir konnen Sie nicht hierbehalten. Wir haben Befehl, Sie nach Riker's Island zu bringen.«
Die Fahrt nach Riker's Island verlief schweigend. Jennifer sa? auf dem Rucksitz zwischen den beiden FBI- Beamten. Sie sagte nichts. Nur ihr Verstand raste. Die beiden Manner hatten wahrend der ganzen Reise uber den Ozean kein Wort gesagt, so da? Jennifer nicht die geringste Ahnung hatte, in welchen Schwierigkeiten sie steckte. Sie wu?te nur, da? es ernst war, denn einen Auslieferungsbescheid erreichte man nicht ohne weiteres.
Sie konnte nichts fur sich tun, solange sie im Gefangnis sa?. Deswegen mu?te sie als allererstes auf Kaution freikommen.
Sie fuhren uber die Brucke nach Riker's Island, und Jennifer blickte auf die vertraute Szenerie, die sie schon hundertmal auf dem Weg zu ihren Mandanten gesehen hatte. Jetzt war sie selbst die Gefangene.
Aber nicht lange, dachte Jennifer. Michael wird mich rausholen. Die beiden FBI-Beamten begleiteten Jennifer in das Aufnahmegebaude, und einer von ihnen reichte dem Warter den Haftbefehl. »Jennifer