„So la?t sich's aushalten', stellte Jurka mit einem Blick in den leerer werdenden Kessel fest. „Schade, da? wir immer nur fur einen Tag Verpflegung mitbekommen. Wenn sie uns die doppelte und dreifache Menge gaben, konnten wir ein Stuckchen weiter fahren und durch die Taiga wandern. Wenigstens die Ufer mu?ten wir uns mal naher ansehn, besonders das linke, das ist schon hoch, von oben sieht man alles.''

„Das haben vor uns schon andere besorgt', meinte Dimka trocken. „Erst letztes Jahr wurde dort was ausgemessen und ein Turm gebaut.'

„Hier gibt es keine Turme', widersprach Jurka.

„Freilich', lie? sich Lena vernehmen, „das ist ein geodatisches Zeichen. Sergej Michailowitsch hat eine Karte, dort ist es vermerkt, hat er gesagt.'

„Kommt mit auf die Klippe', schlug Petka vor. „Wir suchen uns eine Reiseroute aus.'

Dimka und Jurka blickten Lena an. Ob man sie mitnahm oder besser unten lie?? Der Felsen war steil. Wenn es das Ungluck wollte, passierte etwas.

Lena legte den Loffel ins Gras. Nichts hatte sie den Jungen abgeschlagen, sie ware mit ihnen durch die Taiga gelaufen oder durch den Flu? geschwommen. Schon lange war sie ohne richtige Freunde. Die gleichaltrigen Kinder begegneten ihr stets mit Rucksicht. Niemand neckte sie oder hatte Streit mit ihr. Gerade das war fur sie die schlimmste Krankung. Sie fuhlte sich zuruckgesetzt, ausgesto?en.

Lena spurte, da? die Jungen sie jetzt anblickten. Sie ahnte, was in ihnen vorging.

„Fahrt ihr mich zuruck?' fragte sie leise.

Da? das Madchen haargenau ihre Gedanken erraten hatte, machte Petka und seine Freunde unsicher.

„Nein. Warum? Komm doch mit', lie? sich Jurka mit lauter Stimme vernehmen.

„Dieser niedliche Felsen, das ist ein Klacks fur dich', meinte Dimka.

„Wir werden dir schon helfen', versprach Petka.

Lena wandte zwar noch ein: „Ich bin euch nur im Weg', aber es klang schon recht frohlich.

Petka explodierte. „Hab dich nicht so. Du bist kein kleines Kind mehr.' Klugere Worte hatten sich schwerlich finden lassen, obwohl sie ohne Uberlegung hervorgesprudelt waren.

Der „Kapitan' hatte eine Art, schnoddrig zu reden. Vor keinem Menschen kannte er Hemmungen. Nun wurden auch Petkas Freunde kuhner. Sie ergriffen das Madchen bei den Armen, der eine links, der andere rechts, und zogen sie die Klippe hinauf. Mehrmals stie? Lena gegen einen Stein, weu sie nicht einfach daruberspringen konnte wie ihre Begleiter. Doch das trubte ihre Freude nicht. Keine Furche zeigte sich auf ihrer Stirn. Im Gegenteil, sie lachte.

„Dort auf dem Hugel steht ein Turm', rief Dimka triumphierend. „Ich habe ja gleich gesagt, das linke Ufer ist restlos erforscht.'

Sie setzten sich auf die Felskuppe.

Zum Flu? hin fiel der Felsen senkrecht ab. Am Rande klammerte sich eine krumme Fichte mit ihren Wurzeln verzweifelt ans Gestein.

„Ist es hoch?' wollte Lena wissen.

Dimka legte sich auf den Bauch. Sein Kopf hing uber dem Abgrund.

„Nicht besonders. Hochstens...'

„Spring runter', forderte ihn Petka auf, „dann wei?t du's genau.'

„Das mu?t du mir erst vormachen. Andere aufhetzen kann jeder.'

„Denkst du, ich wurde mich nicht trauen? Wenn es sein mu?te.'

„Und wenn es nicht sein mu?te?' fragte Dimka bissig.

Petka stand dicht neben Lena. „Gut', sagte er, „ich springe.'

„Sieh zu, da? du keinen Bauchklatscher machst', empfahl Dimka.

Hatte Lena nicht dabeigesessen, ware daraus wahrscheinlich nichts geworden. Sie hatten gestritten, wer den Sprung in die Tiefe wagen wurde und wer nicht, und waren alle drei wieder hinabgestiegen. Nun sa? aber Lena dabei.

Schweigend zog sich Petka aus, trat an den Rand der Klippe, stand dort fur einige Augenblicke gleich einer Bronzestatue vor dem Abgrund, schon anzusehen, fast wie ein junger Atlantisburger.

Jetzt begriff Dimka, da? es kein Spa? war. Doch er schwieg. Dafur erhob Jurka warnend seine Stimme:

„Petka, unten sind vielleicht Steine.'

„Zahle bis drei.'

„Eins — zwei — drei.'

Petka stand wie angewurzelt an der Stelle, wo die Klippe steil zum Flu? abfiel.

„Nicht so schnell', schimpfte er, „ich mu? doch erst einen Fleck aussuchen, wo ich hinspringen kann.'

Lena lachelte nicht mehr. Sie lauschte auf das Ge-platscher der Wellen, das aus ziemlicher Entfernung heraufdrang. Es waren mindestens zwolf Meter.

„Eins — zwei — zwei einhalb — zwei dreiviertel...'

Kraftvoll stie? sich Petka ab und sauste mit den Beinen voran durch die Luft.

Er mu?te sich viel Schwung geben, um nicht auf den Steinen zu landen, die am Fu?e des Felsens im Wasser lagen. Lena lauschte mit vorgestrecktem Hals. Endlich horte sie den Aufschlag. Die Jungen sahen, wie Petka in einem Schwall von Schaum und Blasen verschwand. Dann tauchte, wohl auf dem Grund des Flusses, ein heller Felck auf. Als sich das Wasser beruhigte, erkannten sie ihren Freund, der wie ein Frosch davonschwamm.

Nur Lena sah es nicht. „Wo ist er?' fragte sie.

„Alles in Ordnung', erwiderte Jurka. „Gleich kommt er hoch.'

In zwanzig Meter Entfernung tauchte Petka auf. Er plantschte im Wasser, um den vor ihm treibenden Schaum zu zerteilen, steuerte dann auf die Insel zu. Jurka und Dimka nahmen seine Sachen und rannten hinunter. Petka schwamm mit der Stromung. Bald stieg er an Land — einen Augenblick eher, als seine Freunde zur Stelle waren.

„Brrr, ist das Wasser kalt', rief er schon von weitem. „Wie im Winter.'

Lena, die sie in der Aufregung vergessen hatten, tastete sich nach unten.

„Ihr habt sie allein gelassen?' Petka war emport. „Seid ihr nicht bei Troste?' Er streifte hastig die Kleidung uber seine nasse Badehose. „Warte', rief er Lena zu, „ich komme schon.'

Petka lief ihr entgegen. Sie gab ihm die Hand und sagte etwas. Auch er sprach. Nachdem sie eine Weile miteinander geredet hatten, gingen sie weiter, er an ihrer Seite.

„Ein Land sucht ihr?' rief Lena aus. „Das habe ich naturlich nicht gewu?t. Ich dachte, da? ihr nur so... Wo liegt denn dieses Land?'

Jurka, der dies horte, sah Petka tadelnd an, sagte aber nichts.

„Na ja, ich habe es ihr erzahlt', brummte Petka, als er Jurkas Blick auffing. „Ist doch nichts dabei. Aber sie wei? noch nicht alles. Ich werde ihr vorlesen. Oder habt ihr was dagegen? Jurka, gib das Heft her.'

„Das konnte dir passen. Nein, nein, wenn einer liest, dann bin ich es. Wem gehort denn das Heft? Dir vielleicht?'

„Es ist unser gemeinsames Eigentum. Komm, gib her!'

„Hast du dir gedacht', entgegnete Jurka storrisch und tippte sich an die Stirn. „Ich habe es gefunden, ich lese.'

Jurka zeigte sich eigensinnig und kampfeslustig. Er glich einer Bruthenne. So kannten sie ihn nicht. Petka begriff, da? er in diesem Fall nichts erreichen wurde, und gab nach.

„Lena', erklarte Jurka, indem er das Heft aus der Tasche zog, „hiervon wei? noch niemand etwas. Dir werden wir alles erzahlen. Nur sage es keinem weiter. Horst du!'

„Sie braucht gar nicht viel zu sagen', wandte Dimka ein. „Zwei Worter ihrer Freundin ins .Ohr — schon wei? es die ganze Welt.'

„Ich habe keine Freundin', erwiderte Lena schlicht.

Da verstand Dimka, da? er mit Lena nicht umspringen durfte wie mit einem anderen Madchen.

Вы читаете Die Geschichte von Atlantis
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату