unterhalten. Sie interessieren sich fur Gold.' 

„Erzahlen Sie ihnen von den Erdbebenwellen im Meer, Onkel Serjoscha', bat Lena. 

„Na schon', willigte Sergej Michailowitsch ein. „Solche Wellen entstehen infolge von Erdbeben, die auf dem Meeresgrund toben. Fern vom Festland sind sie kaum zu bemerken, aber sie haben die Eigenart, den Ozean zu durchqueren, und erreichen in der Nahe einer Kuste oder Untiefe eine Hohe bis zu vierzig Metern. Jetzt wird selbstverstandlich alles fortgeschwemmt, was ihnen in den Weg kommt, bisweilen ganze Stadte. Wenn die Kuste nicht besonders hoch ist, dringen sie als rei?ende Strome weit ins Innere vor und zerstoren auch die festesten Bau„Aber die Stadt kann man hinterher noch finden?' fragte Jurka. 

„Selbstverstandlich — das hei?t, was von ihr ubriggeblieben ist. Die Hauser mussen erst wieder gebaut werden.' 

„Aber man kann die Stelle finden, wo die Stadt gestanden hat', murmelte Dimka triumphierend. 

„Die braucht man doch nicht erst zu suchen', meinte Sergej Michailowitsch verwundert. „Stadte sind bekanntlich auf Karten verzeichnet.' 

„Aber die, die nicht drauf sind?' forschte Dimka. „Eine Stadt, die nicht auf der Karte verzeichnet ist, existiert nicht.' 

Lena schaltete sich ein. „Onkel Serjoscha, ich wollte Sie schon oft fragen, ob solche Welle auch manchmal nach Odessa kommt?'

„Nein, Lena, Kleine', erwiderte Sergej Mi-chauowitsch sanft. „Das Schwarze Meer ist ein Binnenmeer. Dort gibt es das nicht.'

In der Taiga knackten trockene Zweige. Drei Manner traten auf die Lichtung. Sie sahen verwildert aus. An ihrer Kleidung hingen Spinnweben.

„Diese verdammten Spinnweben!' schimpfte der eine. „Im Wald kann man sich nicht retten davor. Guten Tag, Genosse Vorgesetzter.'

„Guten Tag, Ljoscha. Wie geht's?'

Ljoscha winkte ab und machte ein Gesicht, als stande es schlimm wie noch nie. „Mit unserm Abschnitt sind wir fertig.' 

„Prachtjunge! Und warum bist du so aufgebracht?'

„Diese Spinnweben. Man sieht nichts. Dauernd sind die Augen verkleistert.'

Ljoscha nahm die Mutze ab. Wie Eiszapfen purzelten seine verklebten Haare durcheinander. Unter den Brauen funkelten junge Augen. Mit seinem Bart wirkte er sehr gesetzt. Dabei war er hochstens drei?ig.

„Wann geht's weiter?' fragte er.

„In zwei, drei Tagen. Wo habt ihr Stroganow gelassen?'

„Der ist bei den Klamotten geblieben', antwortete Ljoscha. „Host du, Lena', fuhr er lauter fort. „Dein Vater bewacht unsere Sachen. Er la?t dich schon gru?en.' 

Die Ankommlinge legten ihre Jacken ab und wuschen sich am Bach. Sergej Michauowitsch kehrte zu den Kindern zuruck. 

„Nun, Lena, bald wirst du deinen Freunden Lebewohl sagen mussen. In drei Tagen brechen wir das Lager ab.'

„Ziehen Sie weit fort?' erkundigte sich Petka.

„Etwa funfzehn Kilometer.'

„Kommt ihr uns besuchen?' rief Lena.

Petka wiegte den Kopf. „Ich wei? nicht. Wenn wir langer von zu Hause fortbleiben durften. An einem Tag hin und zuruck? Das lohnt nicht. Es ist besser, wir kommen morgen wieder. Wenn es gestattet ist', setzte er mit einem Blick auf Sergej Michailowitsch hinzu.

„Naturlich. Unbedingt mu?t ihr kommen. Aber jetzt wollen wir uns erst mal starken. Wie weit bist du, Tonja?'

 „Es kocht schon', erwiderte Tonja.

Auf einen kleinen Tisch, der zwischen den Zelten stand, wurden Aluminiumnapfe gesetzt. Bald dampfte darin der Borschtsch. Wahrend es sich alle schmecken lie?en, glucksten im Kessel Kartoffelstuckchen mit Konservenfleisch. Dann wurde auch das verzehrt. 

„Zwei Gange', murmelte Sergej Michailowitsch, „da seht ihr, wie wir leben.'

„Auf den zweiten mussen wir allerdings haufig verzichten', lie? sich Ljoscha vernehmen. „Manchmal bleibt sogar der erste aus. Dann hangt einem der knurrende Magen in den Kniekehlen.'

„Ja, das kommt vor', gab Sergej Michailowitsch zu. Er nickte zu den Jungen hinuber und meinte: „Aus den dreien wurden wir noch tuchtige Geophysiker machen, was, Kinder? Schade, da? wir weiter mussen. Denen steht die Abenteuerlust im Gesicht geschrieben. Aber ich glaube, sie wollen wohl lieber zu den Fliegern gehen. Und wenn schon auf der Erde etwas entdeckt werden soll, dann allenfalls Gold oder Diamanten. Hab ich recht? Dabei ist Gold ein Metall der Vergangenheit.' 

„Wir brauchen kein Gold', erklarte Petka. 

„Das Wichtigste ist die Romantik', setzte Jurka hinzu. 

Sergej Michailowitsch sah ihn aufmerksam an.

„Ja, das ist die Hauptsache', bestatigte er, schwieg eine Weile und fragte dann leise: „Ljoscha, was meinst du, gibt es bei uns Romantik?'

Ljoscha lachte. „Diese Romantik habe ich heute sehr deutlich am eigenen Leibe zu spuren gekriegt. In der Taiga war da plotzlich so ein Loch. Ich ahnte nichts Boses und plumpste hinein. Das Wasser reichte mir fast bis an den Hals.' 

Sergej Michailowitsch lachelte. „Vor Uberraschungen dieser Art ist man nie sicher. Wie steht's aber mit wirklicher Romantik? Die gibt es wohl doch nicht.' 

„Wieso denn nicht?' emporte sich Tonja.

„Freilich, die Leute sind verschieden. Es gibt Traumer, mutige Menschen, gute Menschen, Muttersohnchen, Feiglinge, Schwachlinge, und jeder sieht alles von seiner Warte. Da fallt mir ein kleines Erlebnis aus der Studentenzeit ein. Eines Tages schafften sich meine Eltern, die auf dem Lande wohnten, einen Kater an. Das war ein Tier mit merkwurdigen, verwunderten Augen, die fast etwas Menschliches hatten. Bis der Kater zu uns kam, war er in der Stube gehalten worden. Jetzt durfte er im Freien herumstrolchen. Dort war alles gro? und hell: der Himmel, die Sonne, die buschigen Baumkronen. Es gab neuartige Gerausche, unbekannte Geruche. Wenn Katzen denken konnen, sagte sich der Kater naturlich: Donnerwetter, das ist ja rasend interessant hier. Aber schon bald hatte er sich an seine neue Umgebung gewohnt. Nach einer Woche besuchte er bereits die Keller unserer Nachbarn, um sich dort an den Lebensmitteln gutlich zu tun. Das Neue hatte seinen Reiz verloren. Es gibt auch Menschen, die sich sehr schnell an alles gewohnen, was sie taglich um sich sehen. Nur wer das ganze Leben hindurch die Welt so betrachtet, als sahe er sie zum erstenmal, wer nie und keiner Sache gegenuber gleichgultig wird, entdeckt taglich etwas Neues und Schones. Fur ihn steckt das Leben voller Romantik. Aber weshalb? Weil er selber ein Romantiker ist.'

„Was wollen Sie damit sagen?' fragte Ljoscha. „Es ist Ihrer Ansicht nach vollig gleichgultig, wo ein Mensch arbeitet und welchen Beruf er ausubt. Entscheidend ist sein Charakter?'

„Im allgemeinen ja.'

Ljoscha lachelte.

„Sergej Michailowitsch', sagte er gedehnt, indem er den Jungen zuzwinkerte, „verehrter Genosse Vorgesetzter, meiner Ansicht nach ist das ein klein wenig anders. Es gibt Berufe, die unbedingt Heldentum verlangen. Flieger und Pioniere beispielsweise sind immer mutige Menschen. Daneben kennen wir die gewohnlichen Berufe, zu denen auch der unsere gehort. Gibt es da keine Unterschiede?'

„Ljoscha, fur diese Worte werde ich Sie entlassen', drohte Sergej Michailowitsch.

„Nein, ohne Scherz. Antworten Sie.' 

„Was sollen wir uns streiten? Fragen wir lieber unsere jungen Leute. Gefallt dir unsere Arbeit?' wandte sich Sergej Michailowitsch an Jurka.

„Ja, sehr', war die Antwort. „Ich finde, fliegen ist gewohnlich. Ihre Arbeit nicht. Ich mu? es wissen. Mein Vater ist Flieger. Acht Stunden am Tage sitzt er in seiner Maschine. Fur ihn ist das langweilig.' „Selbstverstandlich, selbstverstandlich', stimmte Sergej Michailowitsch zu. „Und bei Nebel macht es ihm noch weniger Spa?, wie?'

„Das stimmt. Aber wenn es sein mu?, fliegt er trotzdem.' 

„Naturlich. Und Sturm mag er sicher auch nicht?' 

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