Der Motor summte wieder.

Der Mann am Telefon zundete ein Streichholz an. Er rauchte.

Die Jungen wurden kuhner, krochen aus dem Gebusch und wandten sich an das Madchen im Turnhemd.

Petka kam gleich zur Sache. „Wo ist Lena?' erkundigte er sich. In der Eile verga? er sogar zu gru?en.

Zum Gluck blickte der umsichtige Dimka uber seine Schulter und sagte: „Guten Tag.'

„Guten Tag', erwiderte das Madchen lachend.

„Besser spat als nie. Sergej Michailowitsch', rief sie laut, „hier ist eine Delegation, die zu Lena mochte.'

Ein gutmutig aussehender Mann mit grauer Segeltuchjacke trat aus der Hutte. In seinem runden Gesicht sa? eine gro?e Nase. Die Haare waren mit Silberfaden durchzogen. Er hielt einen Federhalter und seine Brille in der Hand.

„Na, das ist eine Uberraschung', rief er mit einem Blick auf Petkas Matrosenhemd. „Was macht die Kunst, Seemann? Haben uns lange nicht gesehen.'

Petka, der jederzeit bereit war, sich zu strauben wie ein Barsch am Angelhaken, lachelte. Er wu?te gleichfalls, wer vor ihm stand: der Reisende, der mit dem ersten Schiff gekommen war und sich einen „ungekammten Koter' geschimpft hatte.

„Was soll sie machen?' entgegnete Petka. „Nichts. Aber wo ist Lena?'

„Ach, Lena', sagte Sergej Michailowitsch gedehnt. Er schien noch zu uberlegen, ob es ratsam sei, den Kindern dieses gro?e Geheimnis anzuvertrauen. „Lena kommt gleich', fuhr er in normalem Tonfall fort, „sie ist nur baden gegangen. Wollt ihr warten?'

„Ja, bitte.' Petka sprach fur alle.

„Dann geduldet euch einen Augenblick. Ich habe noch zu tun. Nachher werden wir uns unterhalten. Ich mu? doch mal sehen, was ihr fur Menschen seid. Einverstanden?'

Sergej Michailowitsch ging in eins der Zelte. Drei Klappstuhle kamen herausgeflogen. Sie fielen krachend ins Gras.

„Setzt euch hin, Jungs', sagte das Madchen freundlich.

Um der Hoflichkeit zu genugen, kamen die drei der Aufforderung nach, standen aber gleich wieder auf. „Das macht ihr recht. Ich kann diese Dinger auch nicht leiden. Im Gras sitzt es sich viel besser.' Das Madchen lachte.

„Ja, das ist wahr.'

„Lena hat schon von euch erzahlt. Wer ist Petka?'

„Ich. Warum?'

„Nur so. Von dir hat sie auch erzahlt.'

„Stimmt es, da? Sie Erdol suchen?' wollte Dimka wissen.

„Beinah erraten. Nur kein Erdol, sondern erdolhaltige Schichten. Manchmal hat man Pech. Hier zum Beispiel gibt es wahrscheinlich keins.'

„Klar', sagte Jurka. „Aber warum suchen Sie dann erst?'

 „Weil man die Fundstatten nicht immer mit Sicherheit bestimmen kann. Wenn man die Lage der Erdschichten untersucht, la?t sich wenigstens voraussagen, wo man vielleicht auf ein Lager sto?en konnte und wo nicht. Spater kommen Geologen. Die treiben Bohrlocher in den Boden. Danach wei? man genau Bescheid.'

„Ach, dann sind Sie wohl gar keine Geologen?' „Wir sind Geophysiker. Wie soll ich euch das erklaren.'

„Was gibt's da viel zu erklaren, Tonja', rief Sergej Michailowitsch aus dem Zelt. „Die Sache ist ganz einfach. Geo hei? Erde, Physik hei?t Natur. Wir schlafen auf der Erde, wandern daruber hin und sehen uns ihr Inneres an.'

„Fast so ist es', bestatigte Tonja lachelnd. „Allerdings beschaftigt uns nicht nur die Erde. Wir interessieren uns auch fur den Himmel, das Meer, die Erdbeben.'

„Erdbeben gibt es — ungeheuer.' Jurka seufzte. „Manchmal richten sie Riesenschaden an. Stadte werden verschluckt. Sogar ganze Lander. Das kommt vor, nicht?'

„Lander? Ich wei? nicht. Das ist mir neu. Und Stadte werden nicht verschluckt, sondern zerstort. Hochstens da? mal im Meer versinkt, was gerade ungunstig liegt.'

Die Jungen sahen sich bedeutsam an.

„Werden Sie lange nach Erdol suchen?' fragte Dimka.

„Bis zum Fruhjahr', erwiderte Tonja.

„Das ganze Leben lang', warf Sergej Michailo-witsch ein, der gerade aus dem Zelt trat. „Und wenn wir tot sind, werden das andere besorgen. Jungs, ihr macht euch keine Vorstellung, wie wenig wir von den Vorgangen wissen, die sich unter unseren Fu?en abspielen. Was uber unseren Kopfen geschieht, ist viel leichter zu erforschen. Um in den Kosmos vorzudringen, haben wir Raketen. Mit Hilfe der Teleskope betrachten unsere Astronomen Sterne, die Tausende von Lichtjahren entfernt sind. Schon ein Flugzeug steigt zwanzig Kilometer in die Hohe. Der Mensch strebt nach oben. Uber unsere eigene Erde aber kriechen wir wie Fliegen uber einen Globus. Die Lange des tiefsten Schachtes betragt wenige Kilometer. Etwa bis zur gleichen Tiefe sind auch Taucher ins Meer gestiegen. Aber das sind doch keine Entfernungen. Der Mars ist sechzig Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Trotzdem bin ich uberzeugt, da? wir eher diese sechzig Millionen Kilometer uberwinden werden, als nur sechzig ins Innere der Erde vordringen.'

„Flugzeuge werden auch gebraucht', wandte Petka ein. „Dusenflugzeuge besonders.'

„Ohne Zweifel.' Sergej Michailowitsch mu?te lachen. „Habe ich behauptet, da? wir keine brauchen? Du willst wahrscheinlich Flieger werden, was?'

Petka seufzte.

„Aber ich, Jungs, wi?t ihr, was ich mochte? Kraftig mit dem Fu? aufstampfen und wie Rumpelstilzchen in der Erde versinken. Gar nicht allzu tief, an die hundert Kilometer.'

„Das soll nicht tief sein?' rief Dimka entgeistert. Die anderen lachten.

„Ja, hundert Kilometer — aber nur, wenn ich die Garantie habe, da? ich auch wieder an die Oberflache komme. Sonst ware es sinnlos. Ich mu?te erzahlen konnen, wie es im Erdinnern aussieht. Das wei? eben noch niemand genau.'

„Ich habe gehort, da? es dort unten einen Kern aus reinem Gold gibt', sagte Dimka. „Reines Gold, nur flussig soll es sein.'

„Nein, das ist Unsinn.' Sergej Michailowitsch machte eine wegwerfende Handbewegung.

Fast im gleichen Augenblick horten alle das Platschern, das aus dem Bach kam. Die Jungen drehten sich um. Durch das Wasser kam Lena gewatet.

„Lena, Kleine, komm her, du hast Gaste.' Sergej Michailowitsch hatte eine nette Art, „Lena, Kleine' zu sagen. Es klang ausgesprochen zartlich.

Er nahm das Madchen an die Hand. „Wenn Lena etwas aufspuren soll, ist sie einzigartig. Die geborene Pfadfinderin. Ein Stuckchen weiter oben hat sie im Bach einen ausgehohlten Felsen entdeckt, die schonste Badewanne, jederzeit bis zum Rand mit warmem Wasser gefullt. Au?erdem wei? sie immer, wo meine Brille zu finden ist.'

„Wo haben Sie Ihre Brille jetzt?' fragte Lena lachelnd.

„Na wo?' Sergej Michailowitsch klopfte mit der freien Hand auf die Taschen seiner Jacke. „Die habe ich sicher im Morgenrock stecken lassen.'

Er hielt die Brille in der anderen Hand. Mit einem Bugel stie? er das Madchen leicht in die Seite. Lena griff sofort zu.

„Das habe ich gewu?t', jubelte sie.

 Sergej Michailowitsch machte ein wutendes Gesicht.

Lena lachte.

Die Jungen wu?ten nicht, ob alles nur Spiel war oder ob Sergej Michailowitsch tatsachlich des ofteren seine Brille verlegte. Sie sahen aber, wie er gehorsam den Kopf neigte, als sich Lena reckte, um ihm die Brille aufzusetzen. Da begriffen sie endgultig, da? Sergej Michailowitsch ein guter Mann war und seinen Schutzling sehr ins Herz geschlossen hatte.

„Kommt Vati bald?' fragte das Madchen. 

„Wahrscheinlich morgen, Lena, Kleine. Aber etwas anderes. Ich habe mich vorhin mit deinen drei Freunden

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