zum Meer. Ich sah die Ozeanriesen, die dort vor Anker lagen. Wenn sie in See stachen, stand ich am Kai und blickte ihnen lange nach.
Denken Sie nicht, sehr geehrter Genosse Vorgesetzter, da? es mir nur das Spiel der Wellen und die ubrige Romantik angetan haben. Ich wei? nicht, wie man es erklaren soll, aber mein Gefuhl sagt mir, da? ich erst dann Ruhe finden werde, wenn ich auf einen Uberseedampfer komme.
Als ich die Schule beendet hatte, wurde ich in Ust-Kamensk als Hafenmeister eingesetzt. Sie wissen naturlich genausogut wie jeder andere, da? hier von einem richtigen Hafen uberhaupt nicht die Rede sein kann und da? die Bezeichnung ,Hafenmeister' folglich nur als reine Ironie aufzufassen ist. Arbeit gibt es fur mich herzlich wenig, wahrend der Winterszeit gar nicht. Auf diesen Posten sollte man einen Invaliden stellen, der nicht mehr schwimmen kann. Mich aber bitte ich zur Seeschiffahrt zu versetzen, wenn auch als einfachen Matrosen.
Ich ersuche Sie instandig, meine Bitte nicht abzuschlagen. Als Kommunist mu?ten Sie verstehen, da? ich ohne Meer nicht leben kann.
Mit den besten Gru?en
„Das schicke ich an die Zeitung', verkundete der Matrose, als Jurka geendet hatte. „Das mussen sie drucken.'
Jurka dachte daran, da? sich Pawel ein ganzes Jahr lang erfolglos bemuht hatte, Pfeife rauchen zu lernen. Dieser Gedanke erschien ihm ha?lich und fehl am Platze. Er versuchte ihn zu verscheuchen, aber es gelang ihm nicht. Wie ein Gespenst verfolgte ihn die Vorstellung dieser Pfeife mit dem Ring am Mundstuck, obwohl es sicher weitaus Wichtigeres gab. Ein wenig spater mu?te Jurka daran denken, da? sich Pawel taglich mehrmals rasiert hatte. Der Bart wollte indes nicht wachsen. Zum Gaudium aller hatte Pawel in der Illusion gelebt, man musse die zarten Stoppeln immer wieder abschaben, damit sie sich kraftigen. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, Seemann zu werden, und um dieses Ziel zu erreichen, keine Muhe gescheut: Antrage geschrieben, bei Wind und Wetter seinen Korper gestahlt. Trotz allem war er der Hafenmeister geblieben.
Auf einmal verspurte Jurka den Wunsch, durch Ust-Kamensk zu laufen, von Haus zu Haus, und allen Pawels Brief vorzulesen, damit jeder Einwohner der Stadt erfuhr, was fur ein Mensch der Hafenmeister gewesen war. Und das war die erste Entdeckung. In flammenden Worten wollte er von seinem toten Freund berichten.
Als die Jungen in der Siedlung anlangten, fragte Jurka: „Glaubt ihr, da? es in die Zeitung kommt?'
„Aber klar', erwiderte Dimka ohne Zogern. „Das ware ja noch schoner.'
„Du halt den Mund', murmelte Petka vor sich hin. „Dich geht es einen gro?en Dreck an.'
Diesmal wurde Jurka aufmerksam. Er wunderte sich, da? Dimka alles schweigend einsteckte. Fruher ware das unmoglich gewesen.
Lena kehrte in die Taiga zuruck. Mit ihr gingen Sergej Michailowitsch und Ljoscha.
Atlantis war noch immer unentdeckt. Das blaue Heft lag auf dem Fensterbrett. Die Erwachsenen machten sich ihre Gedanken und lachelten. Es ist schon, an seine eigene Kindheit erinnert zu werden. Eines Tages erteilte Frau Issajewa ihrem Gro?en einen Rat: „Ihr mu?tet euren Lehrer mal besuchen. Er sieht ganz entstellt aus, der Armste, so hat er sich verbrannt.'
„Daran haben wir auch schon gedacht', entgegnete Petka. „Es ist mir nur furchtbar peinlich.' „
Warum peinlich?'
„Du verstehst auch gar nichts', meinte der Gro?e. Trotzdem gingen sie ins Krankenhaus. Durch die Stra?en schritten sie wie in alten Tagen, Schulter an Schulter. Dennoch stellte Jurka fest: Zwischen Dimka und Petka stimmt etwas nicht. Dimka benahm sich urkomisch, war abwechselnd frohlich und ernst, beides ohne erkennbaren Grund. Sobald Petka den Mund offnete, wurde er mucksmauschenstill und kuschte sich wie ein Hundchen. Den richtigen Dimka schien es nicht mehr zu geben. Der dort ging, tat nur so, als ware er Dimka.
„Ihr seid wie Hund und Katze', sagte Jurka.
Dimka bi? sich auf die Lippen. Er schielte Petka an.
„Das bildest du dir ein', behauptete Petka.
Sogleich eilte ihm Dimka zu Hilfe: „Wir haben keinen Grund, uns zu streiten. Wer hat dir das eingeflustert?'
Ins Krankenzimmer gingen sie zu zweit. Petka blieb drau?en. Er stand unter dem Fenster.
Der Lehrer lag, mit vielen Binden umwickelt, im Bett.
„Guten Tag, Viktor Nikolajewitsch', gru?te Dimka hoflich. „Wie geht es Ihnen?'
„Ich danke euch, schon viel besser', erwiderte der Lehrer noch hoflicher und machte ein freundliches Gesicht. „Nehmen Sie Platz, meine Herren Diplomaten.'
Die beiden setzten sich zaghaft auf den Rand des Bettes gegenuber.
„Wenn die Schwester das sieht, fallt sie aus allen Wolken. Wenn der Arzt wu?te, da? ihr hier seid, ware es noch schlimmer. Aber abgesehen davon — wie kommt's denn, da? ihr mich besucht?'
„Ich kann nichts dafur', rechtfertigte sich Dimka verwirrt. „Es war Petkas und Jurkas Einfall. Ich wollte kein Spielverderber sein. Au?erdem brauchen Sie nicht zu denken, da? uns jemand gesehen hat. Wir haben uns wie harmlose Spazierganger benommen.'
Von drau?en quetschte Petka die Nase gegen die Scheibe. Als er merkte, da? der Lehrer ihn gesehen hatte, verschwand er.
Viktor Nikolajewitsch mu?te lachen. „Na, ihr beiden', sagte er frohlich, „dann macht mal das Fenster auf.'
Jurka tat, wie ihm gehei?en. Dimka horte, da? er mit Petka flusterte: „Das geht doch nicht. — Aber, hab dich nicht so. — Nein, wirklich, es geht nicht. — Er hat dich doch schon gesehen.'
Schlie?lich tauchte Petkas verwirrtes Gesicht wieder auf.
„Ach, du bist das?' fragte der Lehrer. ,,Na, dann tritt naher.'
„Ja, gern', brummte Petka leise, „ich kam zufallig vorbei.'
„Du bist mir wohl immer noch bose, Issajew? Wollen wir nicht endlich Frieden schlie?en?'
„Bose? Ihnen? Wie kommen Sie darauf?' Petka war starr vor Staunen.
„Fruher hatte ich den Eindruck. Aber das ist jetzt unwichtig. Erzahlt mir lieber, warum ihr ins Feuer gerannt seid.'
„Das war keine Absicht', sagte Dimka. „Wir haben was gesucht.'
„Was denn?'
Dimka blickte fragend zu Jurka hinuber. Sollte er es verraten oder nicht?
„Atlantis', erwiderte er, als Jurka nickte.
Jetzt wird sich der Lehrer aber wundern, dachten die Freunde. Da? er vor Erstaunen sogar den Kopf aus dem Kissen hob, hatten sie freilich nicht erwartet.
„Atlantis?' fragte Viktor Nikolajewitsch. „Warum gerade Atlantis?'
„Atlantis, wissen Sie', erklarte Jurka bereitwillig, „das ist ein Land. Eigentlich mu?te man sagen, es war eins. Vor langer Zeit, ich glaube, es ist schon mehrere tausend Jahre her, versank dieses Land im Meer. Da dachten wir uns, vielleicht hat Atlantis in unserer Gegend gelegen, hier war ja fruher Wasser. Aber Sibirien kommt nicht in Frage, nur der Atlantische Ozean. Trotzdem, schon mu? es dort gewesen sein, wunderschon, das steht fest. Alles war aus Gold und Marmor.'
„Ich wei?', sagte Viktor Nikolajewitsch nachdenklich. „Mich wurde eins interessieren. Sagt mal, habt ihr vielleicht ein blaues Heft gefunden? Auf einem Berg der Insel Azoris...'
„Auf einem Berg der Insel Azoris steht ein steinerner Reiter, der das Gesicht dem Meer zuwendet und mit der Hand nach Westen zeigt', deklamierte Jurka. Er wu?te den ersten Satz auswendig.
„Richtig', bestatigte der Lehrer, „ein steinerner Reiter. Jetzt ist mir auch klar, was fur ein Heft das war, das ihr mir nicht zeigen wolltet. Ich hatte es in die Manteltasche gesteckt. Bei meiner Ankunft mu? ich es verloren haben.'
„Seht ihr, es gehort keinem Schriftsteller', rief Dimka erfreut. Er dachte an ihr Gesprach von neulich. „Das habe ich euch gleich gesagt.'
Jurka uberhorte die Bemerkung. „Stimmt denn aber alles, was in Ihrem Heft steht?' wollte er von Viktor Nikolajewitsch wissen.
Er stellte sich Marmorpalaste und Turme vor, die ganze schneewei?e Stadt uber dem blauen Meer.