Films beschreiben.
„Das kostet eine Kleinigkeit', sagte jemand, der hinter Wenka stand.
Lisunow sah und horte nichts mehr.
„Inzwischen hat sie sogar geheiratet', rief er, au?er sich vor Freude. „Ganze vier Jahre alt war sie damals. Jetzt wohnt sie mit ihrem Mann bei uns in Murmansk. Ist das nicht ein Wunder?'
Er reichte Wenka ein Foto. Darauf sah man ein schlankes Madchen in gestreiftem Kleid. Sie lehnte an einem Gemalde mit wei?hauptigen Bergen, die an Sektflaschen erinnerten. Ein Reiter sprengte durchs Gebirge, und eine „TU' flog daruber hinweg. Am Fu?e der Berge wogte das Meer. Ein Ozeandampfer schaukelte auf den Wellen. Das Madchen guckte angstlich, als furchte es, der Reiter konnte lebendig werden und den Sabel erheben.
Wahrend Wenka noch die Fotografie betrachtete, trat der Abteilungsleiter aus dem Hauschen.
„Kommt, Genossen, es ist Zeit', sagte er. „Nanu, Lisunow, du bist ja heute so gut gelaunt?'
„Ich habe auch allen Grund. Meine kleine Schwester ist gefunden worden.'
„Soso', meinte der Abteilungsleiter, „na, dann mu?t du etwas springen lassen. — Hast du den Brief gebracht?' wandte er sich an Wenka.
„Jawohl.'
„Tuchtig, tuchtig. Wie hei?t du?'
Wenka runzelte die Stirn. Die nachsten Fragen wurden lauten: Wie alt bist du? In welche Klasse gehst du? Wie sieht dein Zeugnis aus? Erstaunlich, wie sehr sich die Erwachsenen in ihrem Denken gleichen.
Der Abteilungsleiter machte eine Ausnahme. Er drang nicht weiter in Wenka, sondern sagte nur mit strenger Miene: „Das nachste Mal bin ich aber dran. Hast du gehort?'
„Wenn etwas dabei ist, bringe ich es mit.'
„Ich mu? gleich ein Telegramm schicken', sprudelte Lisunow hervor, ergriff Wenka am Arm und dreht ihn zu sich herum. „Kannst du es aufgeben?'
„Aber ja.'
„Diktiere, ich schreibe', schlug der Abteilungsleiter vor. Er zog ein Notizbuch aus der Kartentasche.
„Ja, vielleicht so: .Willkommen, mein liebes Schwesterchen. Punkt.''
„Wozu Punkt?' fragte Wenka. „Einer kostet drei Kopeken.'
„Trotzdem, mit Punkten ist es besser', entgegnete Lisunow in feierlichem Ton, „es gehort sich so.'
Als das Telegramm diktiert war, druckte er Wenka drei Rubel in die Hand.
„So viel macht das nicht', erklarte Wenka. „Geben Sie mir einen Rubel, der reicht bestimmt. Wenn ich etwas rauskriege, bringe ich es Ihnen.'
„Nein, nimm. Den Rest behaltst du fur Bonbons. Sollst deine Reise nicht umsonst gemacht haben.' „Das geht nicht', erwiderte Wenka, „wir arbeiten ohne Bezahlung.' „Was hei?t wir?'
„Unsere ganze Klasse. Wir haben einen Beschlu? gefa?t. Jeder leistet in den Ferien zehn gute Taten.'
„Und wieviel hast du schon begangen?' wollte der Abteilungsleiter wissen.
„Das kann ich nicht sagen. Bei denen, die in der Stadt eingesetzt sind, zahlen die Briefe. Sie haben bereits mehr als tausend ausgetragen. Dazu kommen noch Zeitungen. Sie haben ihre Verpflichtung langst erfullt.'
„Und wieviel Briefe sind bisher durch deine Hande gegangen?'
„Erst sechzehn.'
„Nicht gerade eine Menge', gab der Abteilungsleiter zu. Er schielte Wenka von der Seite an. „Es ist nicht meine Schuld', erwiderte der.
„Komm her.' Der Abteilungsleiter holte die Karte aus der Tasche und breitete sie auf einer Stufe aus.
„Zeig uns mal deine heutige Reiseroute. Ich mochte wissen, wo du uberall gewesen bist.'
„Zuerst im Staatlichen Fischkombinat.'
Durch die blaue Flache der Bucht zog der Bleistift eine Linie.
„Dann bist du zu uns gekommen?'
„Ja.'
Eine zweite Linie kroch am Ufer entlang und endete auf einer Bergkuppe.
„Und anschlie?end geht's nach Hause?'
„Ja.'
Eine dritte Linie durchschnitt die Bucht. Sie verband sich mit der ersten und zweiten.
„Das sind zweiundzwanzig bis dreiundzwanzig Kilometer', stellte der Abteilungsleiter fest. „Und wieviel Briefe hast du ausgetragen?'
„Zwei.'
„Wie werden die berechnet? Als eine Tat, als eine halbe, als vier?'
„Das wei? ich nicht', gestand Wenka. „Das Postboot hat einen Motorschaden. Da bin ich eingesprungen.'
Die Arbeiter lachten. Sechzehn Briefe, dachte Wenka, wie wenig das ist! Er bekam einen Schreck.
Im Herbst sollten samtliche Schuler auf einer Versammlung uber ihre Taten berichten. Wie wurde er dastehen?
Wenka blickte Lisunow an. Der war wieder mit seinem Brief beschaftigt. Beim Lesen zog er beide Brauen in die Hohe und schuttelte fassungslos den Kopf. Das Lacheln wich nicht von seinem Gesicht.
Wenka seufzte, steckte den Dreirubelschein tiefer in die Tasche und wanderte den Hugel hinab. Er hatte die Halfte des Weges zuruckgelegt, als Lisunow rief: „Wenka, bleib gesund. Schonen Dank, Wenka!'
Auf dem Pfad, der ins Gebirge fuhrte, standen sieben Menschen. Sie winkten. Die abgekuhlte Abendsonne sank mude der Hugelkette entgegen. Die Berge nahmen ein tieferes Blau an. Von den Inseln krochen lange Schatten aufs Wasser. Doch hinter dem Boot lag wie vordem der glitzernde Diamantenpfad. Nur die von den Riemen hinterlassenen Strudel gahnten darin als schwarze Trichter.
Im Takt der Ruderschlage klang es uber die still gewordene Bucht: „Zweitausendzweihundertfunf — zweitausendzweihundertsechs — zweitausend-zweihundertsieben...'
Wie ein Kompa? funktioniert
Ende Mai trieb die letzte Eisscholle auf dem Flu?. Sie strahlte in blendendem Glanz wie der Fruhling. Kerzengerade scho? das junge Gras empor. Die Zedern, die steinhart gefroren waren, tauten auf. Sogar das vom Treibeis niedergerissene Gestrauch am Ufer bekam junge Triebe und wurde wieder grun. Auf der Erde dampften die braunen Blatter des Vorjahres. In der Warme rollten sie sich zu kleinen Rohren zusammen. Es dampften die silbrig bemoosten Stamme der Baume, die herabgefallenen Nadeln. Die Luft war ein einziger wallender Brodem. Unter den Zweigen der Fichten standen die Sonnenstrahlenbundel wie blauliche Saulen.
Im Winter hat die Taiga hundert Wege. Man geht, wo es einem gefallt. Wenn der Fruhling kommt, liegt Windbruch im dichten Gras. Fallen lauern allerorts. Fu?angeln, uber die der Wanderer stolpert. Die Wiesen haben sich in Sumpfe verwandelt, die Lichtungen in Seen. Ein Marsch durch die Taiga ist reich an Hindernissen und beschwerlich.
Ein Junge kam aus dem Wald. Er stand auf einer sonnigen Lichtung, ruckte mit einer Bewegung der Schultern den Rucksack zurecht und blickte kopfschuttelnd zuruck. Unwillen spiegelte sich in seinem Gesicht. Er spie aus.
„Willst du dort ubernachten?' rief er.
„Seeen-jaaa, ich kooo-me', ertonte es aus der Taiga zur Antwort.
Hinter einem Baum kam ein zweiter Junge hervor, gleichfalls mit einem Rucksack auf dem Rucken, schmachtig wie Senja, der auf ihn wartete, jedoch um einige Jahre junger. Er kniete nieder, lie? sich auf die Hande fallen, schnaufte.
„Hei?', achzte er, lachelte aber.
„Mal ist es dir zu warm, mal frierst du. Wir konnten langst zu Hause sein.'
„Man tut, was man kann', meinte der jungere, ohne die unfreundliche Bemerkung des alteren ubelzunehmen. „Aber ich bin kein D-Zug.'
Er berauschte sich an dem Vergleich und wiederholte: „Kein D-Zug.'