Wenige Augenblicke spater sprangen zwei Manner aus den Buschen, ihren umgeschlagenen Filzstiefeln und dem sonstigen Aufzug nach zu urteilen Sonntagsjager. Sie erhoben ein Geschrei, da? man meinen konnte, sie hatten zu tief ins Glas geguckt. Mit leichten Sprungen jagte der Elch durchs Gebusch. Seine Beine schienen den Boden nicht zu beruhren. Es sah aus, als schwebte er daruber hin.

Die Sonntagsjager nahmen ihn zu gleicher Zeit aufs Korn. Hart knallten die Schusse. Der Elch sturzte, setzte sich auf die Hinterbeine, wuhlte die Schaufeln in den Schnee, der sich unter seinem Bauch rot farbte. Aber er atmete noch.

„Sergej Sergejewitsch', brullten die beiden, die sich wie Betrunkene benahmen, „hierher! Er ist fertig.'

Wir horten, da? noch jemand durch die Busche keuchte, und sahen, wie die Zweige auseinandergebogen wurden. Auch der dritte fluchte, als er auf die Lichtung trag.

„Wo ist er? Ach dort. Herrlich. La?t sein. Ich gebe ihm selber den Gnadenschu?.' Er setzte den Flintenkolben in die Schulter, zielte und zog beide Bugel durch. Der Elch richtete sich auf, warf den Kopf zuruck, sank zusammen. Er lag still.

Dann sagte dieser Sergej Sergejewitsch: „Tretet naher. Ich werde euch verewigen.' Die Sonntagsjager gingen zu dem Elch und setzten ihm einen Fu? auf den Rucken. Die Flinten hielten sie so, als wollten sie einen Bajonettangriff unternehmen. Sergej Sergejewitsch zuckte seinen Fotoapparat.

Als die beiden anderen aufgenommen waren, meinte er: „Jetzt bin ich dran.'

Ich stand dabei und hatte schreckliches Mitleid mit dem toten Tier. Es tat mir leid wie ein Mensch. In unserer Gegend haben sich die Elche stark vermehrt, und zutraulich sind sie, kommen bis vor die Hauser.

Stjopka und ich haben im Geschaft Salz gekauft. Das mogen sie sehr.

„Komm', sagte Stjopka, er zupfte mich am Armel, „das sehen wir uns aus der Nahe an.'

Dazu hatte ich keine Lust. Ich wollte den toten Elch nicht sehen. Stjopka drangte mich jedoch so lange, bis ich mitging. Wir wunschten einen guten Morgen.

„Guten Morgen, wenn ihr anstandige Leute seid', entgegnete Sergej Sergejewitsch. „Wo brennt's denn?'

„Wir wollen uns den toten Elch ansehen', erklarte Stjopka.

„Nur ihr zwei?' fragte Sergej Sergejewitsch und schaute sich nach allen Seiten um. „Oder kommt noch jemand?' „Nein, wir sind allein.'

Mein Blick fiel auf den Elch. Mein Mitleid wuchs noch. Seine Augen standen weit offen. Darin spiegelten sich die Baume, der Himmel, ich. Nur war alles viel kleiner als in Wirklichkeit. Ich sah schnell wieder weg.

„Das war's', brummte Sergej Sergejewitsch. „Jetzt habt ihr lange genug geglotzt. Schert euch weiter.'

„Warum?' wunderte sich Stjopka. „Haben Sie den Wald gemietet?'

„Daruber brauche ich dir keine Rechenschaft abzulegen. Vorwarts, verpeste hier nicht die Atmosphare.'

Als Sergej Sergejewitsch das sagte, bekam Stjopka runde Augen.

„Seit wann haben Sie mir Vorschriften zu machen?' fragte er heiser.

„Verschwindet endlich', fauchte Sergej Sergejewitsch und sah sich unverwandt um, „sonst mache ich euch Beine.' 

Stjopka trat ein paar Schritte zuruck. Dann schrie er: „Sagen Sie mal, Sie, haben Sie eigentlich einen Jagdschein?'

Die drei Sonntagsjager traten nervos von einem Bein aufs andere, und einer raunte: „Gehen wir erst mal, Sergej Sergejewitsch. Wir haben bis zum Abend Zeit.'

„Zeigen Sie Ihren Jagdschein her, sonst hole ich meinen Vater!' schrie Stjopka.

Sergej Sergejewitsch sturzte sich auf ihn. Stjopka sprang zur Seite. Als er sich in Sicherheit gebracht hatte, schimpfte er weiter: „Aha, so ist das, ihr habt gar keine Jagderlaubnis. Na wartet, das sage ich meinem Vater.'

Schlie?lich klemmten alle drei die Flinten unter den Arm und suchten das Weite. Nun war es sicher, da? sie keine Erlaubnis hatten. Wilddiebe waren sie, gemeine Spitzbuben, weiter nichts.

Stjopka kam ganz dicht heran und flusterte mir ins Ohr: „Los, Mischa, hinterher.'

„Wozu? Allein werden wir mit denen nicht fertig.'

„Irgendwo mussen sie hingehen. Oder denkst du, sie ubernachten im Wald? Wir rufen Leute und halten sie fest. Es sind doch Wilddiebe.'

Die Spitzbuben traten auf den Pfad. Sie blickten sich nach uns um.

Stjopka lief etwa funfzig Meter in die entgegengesetzte Richtung und brullte aus Leibeskraften: „Das willkurliche Toten eines Elches wird mit Zwangsarbeit bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe in Hohe von funfhundert Rubel geahndet.' Stjopkas Vater ist Jager. In seinem Haus hangen Tafeln mit den Jagdgesetzen. Stjopka kennt sie auswendig.

Die Wilddiebe hatten es plotzlich sehr eilig. Ich mu?te lachen. Das waren erwachsene Manner, und sie liefen vor uns davon. Als Stjopka aber nicht aufhorte, einen Paragraphen nach dem anderen hinter ihnen herzuschreien, wurde es Sergej Sergejewitsch schlie?lich zu bunt. Er machte kurzentschlossen kehrt und rannte auf uns zu. Stjopka ergriff das Hasenpanier. Ich blieb verwirrt stehen. Sergej Sergejewitsch war krebsrot im Gesicht. Er stampfte mit den Stiefeln auf wie ein Stier. Offenbar ging es ihm jedoch nur darum, Stjopka das Fell zu gerben. Von mir nahm er keine Notiz. Das fand ich krankend. „Wilddieb', flusterte ich ihm nach, so leise, da? ich es selber kaum horte.

Stjopka rannte eine Weile auf dem Pfad weiter, bog dann in den Wald ein und stapfte durch den hohen Schnee. Sergej Sergejewitsch immer hinterher, bis er sich in seinem Pelzmantel verfing. Zum Schlu? standen sie sich in einem Abstand von zwanzig Metern gegenuber. Sergej Sergejewitsch fluchte.

„Vater', brullte Stjopka wie am Spie?, „hierher!'

Sergej Sergejewitsch erkannte, da? er gegen den Jungen nichts ausrichten konnte. Er wich zuruck. Stjopka folgte ihm. Sergej Sergejewitsch spuckte aus und rannte los. Stjopka blieb ihm auf den Fersen. „

Du raudiger Wilddieb', schallte es durch den Wald, „lauf nur, mir entkommst du nicht. Personen, die sich des Versto?es gegen die oben angefuhrten Verbote schuldig machen, werden gerichtlich zur Verantwortung gezogen.'

Immer mutiger wurde Stjopka, immer naher ruckte er an die Wilddiebe heran, die wie ein scheuendes Pferdegespann durch das Unterholz jagten.

Als den dreien schon die Sachen am Leibe dampften, kamen wir auf einer unbekannten Stra?e heraus. „Gleich nageln wir sie fest', sagte Stjopka. „Hier fahren bestimmt Autos.'

Die Wilderer schwenkten auf die rechte Seite ab, und wir erblickten einen blauen Pobeda, der am Stra?enrand parkte. Im Nu sa?en sie alle drin. Der Schlag klappte zu, die Rader drehten sich. Es war so schnell gegangen, da? wir nicht einmal die Nummer erkannt hatten. Wie begossene Pudel standen wir auf der Stra?e.'

„Warum hast du ihnen auch solche Angst eingejagt', meinte ich vorwurfsvoll zu Stjopka. „Von den Gerichten hattest du nicht auch noch anzufangen brauchen. Es ware viel vernunftiger gewesen, sie still und heimlich zu verfolgen. Dann hatten wir jetzt wenigstens die Nummer.'

„Ich wollte ihnen keine Angst machen, sie nur ein bi?chen argern. Konnte ich ahnen, da? sie solche Angsthasen sind?' 

Wir horten Motorengerausch und fuhren herum. Vor uns stand ein Lastwagen. Der Fahrer reckte den Oberkorper durchs Fenster. Er drohte mit der Faust. „Ihr wi?t wohl nicht, da? die Stra?e rutschig ist! Wegen euch Parasiten landet man noch im Gefangnis.'

Ich sah, da? Stjopkas Blick unruhig hin und her hupfte, ein Zeichen dafur, da? er scharf nachdachte.

„Genosse Schoffor', rief er, „das war keine bose Absicht. Wir tippeln gerade ins Krankenhaus zum Bruder. Wenn Sie uns bis Priosersk mitnehmen konnten?' 

„Zu welchem Bruder?' wollte der Fahrer wissen. 

„Zu meinem', erwiderte Stjopka. „Sie haben ihm den Bauch aufgeschnitten.' 

Der Fahrer schwieg eine Weile. Dann fragte er: „Wie alt ist er?'„Funf.'

„Sind das Geschichten. So ein kleiner Kerl und mu? schon operiert werden. Los, steigt ein.' 

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