Der Schoffor, der bis jetzt geschwiegen hatte, erklarte: „Ich glaube den Jungen. Der da' — er zeigte auf Sergej Sergejewitsch — „ist ein Mistkafer.'
„Das geht entschieden zu weit', heulte Sergej Sergejewitsch emport. „Nicht genug damit, da? sie einen an der Weiterfahrt hindern, jetzt wird man auch noch angepobelt. Geben Sie unverzuglich unsere Papiere her. Und glauben Sie nicht, da? ich so mit mir umspringen lasse. Das kommt in die ,Prawda', darauf konnen Sie Gift nehmen.'
„Beschwer dich bei deiner Gro?mutter uber mich', entgegnete der Schoffor trocken. „Fahren wir, Leutnant. Hier kommen wir doch nicht weiter.'
Der Leutnant konnte sich offenbar nicht von den Papieren trennen. Er hielt sie in den Handen, fuchtelte damit herum, lief vor Verlegenheit rot an, traf aber keine Anstalten, sie ihren Eigentumern zuruckzugeben.
Stjopka war dem Weinen nahe. An seinem Hals schwoll die Ader. Ich furchtete, da? er gleich einen Wutanfall bekommen und sich auf die Wilddiebe sturzen wurde. Er lief jedoch nur zu dem blauen Pobeda, ri? den Fotoapparat vom Polster an sich und suchte das Weite. Sergej Sergejewitsch wurde bleich wie der Tod. Unverzuglich nahm er die Verfolgung auf.
„Bleib stehen, du Schuft!'
Was man alles erleben kann! Dieser aufgeblasene Dickwanst wollte es mit meinem Freund Stjopka aufnehmen. Na ja, hundert Meter hielt er durch, dann gab er auf. Stjopka raste weiter. Ich habe ihn selten so in Form gesehen wie bei jenem Spurt.
Der Leutnant verlor endgultig die Fassung. Er bekam kugelrunde Augen wie daheim unser Kater. „Was soll das hei?en', herrschte er mich an. „Ihr seid tatsachlich Rowdys.'
Sergej Sergejewitsch war stehengeblieben. Er rang nach Luft. Als Stjopka sah, da? sein Verfolger nicht mehr weiter konnte, machte er gleichfalls halt.
„Sofort gibst du den Apparat zuruck!' rief der Leutnant.
„Ich traue mich nicht', erwiderte Stjopka. Er stand so weit von uns entfernt, da? seine Worte kaum zu verstehen waren. „Ich bleibe lieber hier. Sonst schlagt er mich noch.'
„Los, ins Auto', befahl der Leutnant, „hin zu ihm.'
Ich hatte kaum Zeit, in den Wagen zu springen, schon gab der Fahrer Gas. Wir sausten an Sergej Sergejewitsch voruber. Stopka lief nicht weiter. Er hangte den Apparat an einen Ast und wartete mit zufriedener Miene am Stra?enrand, bis wir heran waren.
„Bleib stehen!' kommandierte der Leutnant.
„Ich bin doch schon stehengeblieben', gab Stjopka zur Antwort und feixte, da? der Mund von einem Ohr bis zum andern reichte.
Der Leutnant sprang ab, packte Stjopka am Arm und stie? ihn in den Wagen. „Wir sprechen uns spater.'
„Ja, Genosse Leutnant, die Sache ist so...', begann Stjopka.
„Sei still. Mit dir unterhalte ich mich nicht.'
„Lassen Sie mich erst ausreden.'
„Mit dir unterhalte ich mich nicht!'
„Bitte sehr', erwiderte Stjopka gekrankt, „wie Sie wollen.'
Wir fuhren zuruck. Der Apparat baumelte am Ast. Als wir in Priosersk angekommen waren, stellte der Leutnant dem Schoffor eine Bescheinigung aus und verabschiedete sich von ihm. Wir mu?ten uns an die Wand setzen. Auch der Leutnant nahm sich einen Stuhl. Er schwieg. Das war selbst fur mich zuviel. „Genosse Leutnant', platzte ich heraus, „Ehrenwort, wir haben die Wahrheit gesagt. Wenn Sie nur mit in den Wald kamen.'
Der Leutnant nahm ein Messer, malte damit auf dem Tisch. Nach einer Weile stand er auf.
„Kommt.'
Wir gingen durch die Stra?e und dachten: Wo bringt er uns hin? Nicht etwa ins Gefangnis? Er schritt voraus, sah sich kein einziges Mal um, obwohl es schon dammrig wurde. Ausrucken ware eine Kleinigkeit gewesen. Doch weshalb sollten wir? Wir waren unschuldig, trotteten brav hinter ihm her.
„Warum hast du den Apparat zuruckgegeben?' flusterte ich Stjopka zu. „Sie sind mit dem Elch auf dem Film.'
Stjopka blieb mir die Antwort schuldig. Er schmollte.
Der Leutnant hatte ihn beleidigt.
Wir gingen in ein Restaurant. Der Leutnant bestellte Tee und Pfannkuchen.
„E?t.'
Wir waren wutend auf ihn. Aber hungrig waren wir auch. Wir griffen zu. Er sa? uns gegenuber und spielte mit der Tischdecke, ohne selber zu essen.
Schlie?lich sagte er: „Hort her, ihr beiden. Jetzt wollen wir offen miteinander reden. Haben sie den Elch geschossen oder nicht? War vielleicht uberhaupt kein Elch da?'
Stjopka kaute mit vollen Backen, als hatte er die Frage nicht gehort.
„Ja, es stimmt', antwortete ich, „sie haben ihn geschossen.'
„Ich lasse euch laufen', fuhr der Leutnant fort, „nur mu?t ihr mir die Wahrheit sagen. Wenn sie ihn tatsachlich getotet haben, werden sie keine Beschwerde einreichen. In diesem Fall mochte ich die Sache weiterverfolgen, sie den Untersuchungsorganen ubergeben, den Experten. Die Nummer vom Pobeda hab ich notiert. Wenn ihr aber alles nur erfunden habt, dann bekomme ich wegen euch Scherereien. Schenkt mir wengistens reinen Wein ein, damit ich wei?, woran ich bin.'
Stjopka nahm das letzte Stuck Pfannkuchen aus dem Mund. Es wanderte zuruck auf den Teller.
„Sie wollten sich mit uns nicht unterhalten. Das haben Sie selber gesagt.'
„Doch, ich will. Ihr mu?t mir aber reinen Wein einschenken.'
Stjopka ist kein Freund von allzu graden Wegen. „Machen Sie die Augen zu', forderte er den Leutnant auf.
„La? die Scherze', erwiderte der.
„Dann drehen Sie sich wenigstens um.'
Der Leutnant stohnte, wandte sich jedoch ab. Stjopka zog eine Filmkassette aus der Tasche und legte sie auf den Tisch.
„Bitte.'
„Was soll das nun wieder bedeuten?' Stjopka schmunzelte. „Wir sind lange genug um die Wette gerannt. Ich habe den Film rausgenommen. Als der Elch tot war, gingen sie mit ihren Gewehren hin und fotografierten sich. Jetzt brauchen wir nur noch die Abzuge. Dann ist der Fall klar.'
Der Leutnant fuhr vom Stuhl hoch. „Hoffentlich hast du den Film nicht belichtet.'
„Ach', gab Stjopka entrustet zuruck, „ich bin doch kein Anfanger. Ich hab ihn erst durchgedreht. Jetzt mu?ten wir ihn entwickeln lassen. Bei uns im Dorf kenn ich einen Fotografen.'
„Nein, nein, mir genugt, da? ich euch kennengelernt habe. Auf die Bekanntschaft des Fotografen kann ich verzichten. Den Film gebe ich ins Labor. Vorher bringe ich euch nach Hause.'
„Na gut, nehmen Sie die Kassette', willigte Stjopka ein, „aber wie steht's mit einer Bescheinigung fur die Schule? Eigentlich mu?te ich heute zum Unterricht.'
Der Leutnant lachte. „Keine Sorge, das bringen wir in Ordnung. In welcher Schule seid ihr?'
Stjopka sagte es ihm. Der Leutnant begleitete uns ein Stuck die Stra?e entlang. Dann hielt er einen Wagen an. Wir fuhren fast bis vor die Haustur.
Am Montag eilte Anna Naumowna im Laufschritt auf Stjopka zu.
„Chokkanen, wo warst du gestern?'
„Ich bin sehr fruh von zu Hause fortgegangen. Ich wollte in die Schule, aber dann kam es anders.'
Die Klasse lachte. Die Poljanskaja wurde rot. Offenbar hatte sie sich ubers Wochenende noch mehr in meinen Freund verliebt.
„Da? du nicht hier warst, habe ich gemerkt. Nur wei? ich immer noch nicht, warum es anders kam.'
„Weil wir ein paar Spitzbuben fangen mu?ten. Mein Freund Krylow und ich.'
Die Klasse war entzuckt, davon zeugte das Gelachter. Man kannte doch Stjopka, diesen Windhund. Sogar Anna Naumowna bi? sich auf die Lippen, um ernst zu bleiben.