„Und? Habt ihr sie erwischt?'
„Naturlich — das hei?t, nicht die Spitzbuben personlich, nur zwei Fotos von ihnen. Aber das ist ja egal. Der Leutnant holt die Untersuchungsorgane.'
Anna Naumowna runzelte die Stirn.
„Hor mal, Chokkanen, jetzt reicht mir das mit deinen Fliegern, Kunstlern, Spitzbuben, Leutnants, Untersuchungsorganen...'
„Adlern', schrie die Klasse.
„Und mit deinen Adlern. Nach dem Unterricht wirst du zwei Stunden hierbleiben. Ich habe mit dir ein ernstes Wort zu reden, das letzte.'
Anna Naumowna hatte kaum ausgesprochen, als die Tur aufging und der Sportlehrer eintrat.
„Chokkanen und Krylow zum Direktor', meldete er. „Was haben sie denn nun schon wieder ausgefressen?' Anna Naumowna stohnte. „Das wei? ich auch nicht', erwiderte der Sportlehrer, „da ist jemand von der Miliz gekommen. Der hat nach ihnen gefragt.'
Anna Naumowna wurde leichenbla?.
„Kinder, was habt ihr wieder angestellt? Schnell, sagt es mir.'
Uns war selber nicht ganz wohl zumute. Schwitzend, mit pochenden Herzen traten wir den schweren Gang zum Direktor an. Anna Naumowna begleitete uns. Sie klopfte. Schon beim Offnen der Tur sahen wir unsern Leutnant. Er sa? am Tisch. Der Direktor hielt einige Fotos in der Hand.
„Ah, unsere Detektive', begru?te uns der Direktor. „Na, Chokkanen, was macht dein Bruder? Haben sie ihm den Bauch wieder zugenaht?'
Der Leutnant lachte. Er hatte also gepetzt. Es gab keine Liebe mehr unter den Menschen.
Der Direktor stimmte in das Lachen ein.
„Der Genosse Leutnant sprach von zwei Jungen aus unserer Schule. Ich zerbrach mir den Kopf und kam nicht darauf, wen er meinte. Aber als er die Geschichte von der Operation erzahlte, wurde mir alles klar. Das konnte nur Chokkanen gewesen sein. Na, und wo der steckt, darf Krylow naturlich nicht fehlen.'
Der Direktor reichte uns die Fotos. Es war alles gut getroffen: der Elch, die Wilddiebe, ihre Gewehre. Leid tat mir nur, da? wir beide fehlten. Wir hatten uns dazustellen sollen.
Anna Naumowna blickte mir uber die Schulter.
„Lieber Himmel, das ist ja barbarisch! Dann stimmt es wohl tatsachlich, da? ihr diesen Menschen das Handwerk gelegt habt?'
„Ja, so kann man sagen', bestatigte der Leutnant, „es ist ausschlie?lich ihr Verdienst.'
„Und was wird jetzt mit den Wilderern geschehen?'
„Sie kommen vor ein Gericht. Ich habe samtliche Materialien den Untersuchungsorganen ubergeben. Unsere beiden Helden werden als Zeugen vorgeladen. Aber machen Sie sich keine Sorgen.'
„Nein', sagte der Direktor, „jetzt machen wir uns keine mehr.'
Der Leutnant verabschiedete sich. Zum Andenken schenkte er uns die beiden Fotos.
Das eine bekam die Poljanskaja. Stjopka wollte es so. Das andere nagelten wir an den Gartenzaun und benutzten es als Zielscheibe fur unsere Schneeballe.
Ich vertraue dir
Die Kassiererin des Flughafens erhob sich von ihrem Stuhl. Vor dem Schalter stand ein etwa zwolfjahriger Junge in Anorak und Kapuze.
„Willst du etwa allein fliegen?'
Der Junge nickte.
„Wo hast du denn das Geld her?'
Die Hand mit den Scheinen kroch vom Fenster zuruck. Der Junge blickte mi?trauisch die Kassiererin an und schlenderte dem Ausgang zu.
„Warte doch', schallte es hinter ihm her.
Er wollte schon auf die Stra?e schlupfen, als die Tur von einem hunenhaften Flieger versperrt wurde.
„Halten Sie ihn!'
Eine gro?e Hand legte sich dem Jungen auf die Schulter. Er versuchte sich loszumachen, wurde aber muhelos zuruckgeschoben.
„Was hat er ausgefressen?'
Die Kassiererin kam heran. „Ach, Sie sind es, Goga? Ein komischer Bursche. Er wollte allein fliegen. Das Geld dazu hat er.'
„Soso', sagte der Flieger, „wir werden gleich sehen.'
Er war ein Riese. Der Junge reichte ihm kaum bis zum Gurtel.
„Na, hast du die Sprache verloren?' fragte er. „Wie hei?t du?'
„Lassen Sie mich los!'
„Erst mu?t du mir verraten, wohin du fliegen willst. Und warum. Du wirst vielleicht in meiner Maschine sitzen, und da mu? ich das wissen, siehst du. Bei uns hat alles seine Ordnung.'
Der Junge hob das scharfgeschnittene Kinn in die Hohe. Er blickte den Flieger an. Seine Lippen zitterten.
„Sie sollen mich loslassen. Warum ich fortfliege, geht Sie gar nichts an.'
Die Kassiererin lachte. „Ein richtiger Iltis.'
Der Blick, den ihr der Flieger zuwarf, trieb ihr das Blut ins Gesicht.
„Gehen wir', sagte er zu dem Jungen, „unterwegs kannst du mir alles erzahlen.'
Sie kamen an riesigen Hallen vorbei.
Die Hand blieb auf der schmachtigen Schulter.
„Wohl von zu Hause ausgeruckt?' fragte Goga.
„Was denn noch?' fauchte der Junge.
„Wie hei?t du?'
„Fedja.'
„Kommst du aus der Siedlung?'
„Hmhm.'
„Dein Vater?'
„Hab keinen.'
„Und die Mutter?'
„Habe ich auch nicht. Lassen Sie mich los. Es tut weh.'
„Laufst du fort? Nein? Ehrenwort?'
„Ehrenwort.'
Der Flieger blieb stehen. Er nahm die Hand von der Schulter.
„Na also. Man mu? aufrichtig sein. Das ist immer besser.'
Der Junge sturzte auf den Zaun los, schwang sich hoch, rutschte mit dem Bauch uber die Lattenspitzen und flog auf die andere Seite. Er rannte in Richtung zum Jenissej davon. Seine Schuhe traten eine Gasse durch die staubigen Kartoffelstauden.
Am Abend schritt Goga uber das Rollfeld, wo die „Schawruschkas' standen. Vor einer Maschine machte er halt, stie? mit der Stiefelspitze gegen das eine Rad und murmelte halblaut: „Wie geht's, Alte? Keine Langeweue so allein?'
Die „Schawruschka' hullte sich in Schweigen. „Gibt's nichts Neues hier?' Das Flugzeug blieb stumm.
„Hast du vielleicht einen Menschen gesehen, der sein Wort gebrochen hat?'
Das Flugzeug schwieg. Der Mann legte lauschend die rechte Hand hinters Ohr.
„Nun?'
„Pfff', machte die Maschine, lange und laut.
„Na also', sagte der Flieger anerkennend. Er trat heran und warf die Haube zuruck. In dem engen