„Na, wird's bald!' 

Ich schwieg. 

Mein Vater lief rot an. Er gab mir einen leichten Klaps auf die Hand. Ich rannte in mein Zimmer und drehte den Schlussel um. Nebenan wanderte Vater auf und ab. Ich horte seine Schritte. Danach ruckte er die Stuhle zurecht. Schlie?lich kam er an die Tur.

„Boris.'

Ich gab keine Antwort. 

„Boris, fur seine Taten mu? man geradestehen konnen. Letztes Jahr sind drei Jungen ertrunken. Errinnerst du dich nicht?'

Ich schwieg auch jetzt. Mein Vater seufzte. Wieder horte ich seine Schritte. Nach einer Weile klappte die Haustur. Ich ging ins Wohnzimmer. Auf dem Tisch entdeckte ich den Bootsschlussel, darunter einen Zettel. „Boris, heute wird es spat, geh essen.' Ein Rubel lag daneben. Mein Vater war mir doch der liebste Mensch auf Erden, trotz allem.

Nach dem Mittagessen ging ich zu Sjowka. Die Tur offnete seine Mutter. Sie hatte verweinte Augen.

„Da bist ja auch du', sagte sie, „ganz zerstochen und ubernachtig. Wo wart ihr?'

„Wo sollen wir gewesen sein?' fragte ich dumm. 

„Das mochte ich von dir wissen. Wer hat das Gewehr zerschlagen?'

„Welches Gewehr?' 

„Das wei?t du sehr genau. Los, raus mit der Sprache. Was habt ihr gemacht?' 

„Na nichts', erwiderte ich kleinlaut, „eine kleine Bootsfahrt, was sonst.' 

„Bleib ihm blo? vom Halse', schimpfte Sjowkas Mutter. 

Eine Woche darauf kam er zu mir. „Hast du es keinem erzahlt?' 

„Nein.' 

„Behalt's auch weiter fur dich.' 

„Wir mu?ten die Stelle der Fischereikontrolle zeigen. Meinst du nicht?' 

„Dort gibt's nichts mehr zu holen.' 

„Woher willst du das wissen?' 

„Ich wei? es eben. Sprich mit keinem druber. Ich werde schon alles machen.' 

„Und ich?'

„Wenn es soweit ist, sage ich dir Bescheid.'

„Vater gibt mir neuerdings den Bootsschlussel', erklarte ich. 

Nach einer Kunstpause erwiderte Sjowka: „Boris, wie du wei?t, habe ich fur ein Zelt gespart. Das Geld hat jetzt Lomakin. Dafur darf ich sein Boot ausleihen.'

„Aber wir konnen doch unseres nehmen', entgegnete ich, „verlang dein Geld zuruck.'

„Damit ware er nicht einverstanden. Ich habe sein Boot schon benutzt. Konnte ja nicht ahnen, da? die Sache so gunstig steht. Au?erdem ist seins schon leicht.'

„Dann eben ohne mich.'

„Was ist denn? Du hast doch nichts abgekriegt.' Sjowka ging fort. Ich konnte mir nicht erklaren, womit ich ihn beleidigt hatte. Mir fiel ein, da? seine Mutter gesagt hatte, ich sollte ihm vom Halse bleiben. Ich fa?te einen Entschlu?: Mit unserer Freundschaft ist es aus.

Funf Tage darauf kam Sjowka zu mir. 

„Boris, eine tolle Sache. Komm schnell.' 

„Ich habe kein Interesse', gab ich gelangweilt zuruck. 

„Boris, Menschenskind, la? das Getue. Ich habe seinen neuen Schlupfwinkel entdeckt. Los, wir nehmen dein Boot.' 

Ich wei? nicht, wie es ihm gelungen war, Stepans Versteck ein zweites Mal zu finden. Wahrscheinlich hatte er den ganzen Tag auf dem Strom zugebracht. Seine Haut glich gegerbtem Leder.

Wir brachen am Tage auf, lange bevor Stepan Feierabend hatte. Diesmal mu?ten wir noch weiter rudern.

Wieder gelangten wir auf eine Wiese. Ich sah die eingerammten Pfahle, die aufgespannten Netze, die Fangleine. Sie war in mehreren Reihen zwischen die Baume gehangt. Die Stahlhaken schaukelten hin und her. Wenn zwei zusammenstie?en, klingelte es wie ein feines Glockchen. 

Sjowka holte Rasierklingen aus der Tasche.

Ich versuchte ihn zuruckzuhalten. „Wozu? Wir nehmen den Kram mit und liefern ihn bei der Fischereikontrolle ab.'

Sjowka schuttelte den Kopf. „Er soll wissen, da? ich es gewesen bin.'

Ohne weitere Umschweife trat mein Freund an das erste Netz und zersabelte es vollig.

„Wenn er das wieder flickt, will ich nicht mehr Sjowka hei?en', verkundete er und sabelte weiter. „Jetzt die Fangleine.'

Insgesamt brauchten wir eine halbe Stunde, um die Netze in einen Haufen zerfetztes Garn zu verwandeln, die Leine in viele winzige Stucke zu zerschneiden und die Haken im Jenissej zu versenken. Aber selbst danach hatte Sjowka sein Mutchen noch nicht gekuhlt. Als wir zuruckgerudert waren, stoberte er Stepans Boot auf und schlug mit einem Hammer drei Locher in die Planken.

Sonntag fruh bummelten wir ans Ufer.

Stepan stand bei seinem Boot. Er besserte die schadhaften Stellen mit Blechflicken aus. Die Nagel, die er verwendete, waren winzig klein. Uns wurdigte er keines Blickes, obwohl wir in einem Abstand voruberschlenderten, da? er uns unmoglich ubersehen konnte.

Erst als das letzte Stuck Blech festgenagelt war, fragte er: „Hast du mein Boot so zugerichtet?'

„Allerdings', erwiderte Sjowka. 

„Na, dann tritt doch mal naher, wenn du kein Feigling bist.'

„Sie haben es ja auch nicht weiter', entgegnete mein Freund.

Stepan stand auf. Sjowka buckte sich und nahm einen Stein in die Hand. 

„Verdammter Schweinehund', grunzte Stepan. Er kam heran.

Sjowka hob den Arm. 

Ich packte ihn an der Schuler. „Sjowka, was machst du denn!' 

Stepan grinste. „Richtig, Miliz, gib's ihm.' Sjowka bekam bose Augen. „Misch dich nicht in Dinge, die dich nichts angehn', fuhr er mich an. Er lie? den Stein fallen und kletterte den Hang hoch. Wieder lachte Stepan.

„Dieb!' rief ich und sturzte hinter Sjowka her. Jetzt taten mir die zerfetzten Netze kein bi?chen mehr leid.

Als wir am Montag gegen Mittag durch eine Stra?e gingen, wurden wir von Shuikows Lastwagen eingeholt. Auf gleicher Hohe mit uns drosselte Stepan den Motor, lehnte sich heraus und fragte: „Hast du meine Netze so zugerichtet?'

Es klang beinah frohlich.

„Allerdings', erwiderte Sjowka.

Wie der Wind war Stepan aus dem Auto. Ehe wir uns versahen, stand er neben uns. Wir rannten, was wir konnten, kamen aber nicht weit, wenige Meter. Da ich als zweiter lief, packte er mich am Kragen. Ich sah seinen verzerrten Mund, sein Gesicht. Er glich gar nicht mehr dem Mann, den wir tags zuvor am Ufer getroffen hatten, und besa? sogar kaum noch Ahnlichkeit mit dem von der Waldwiese. Gleich wird er mich totschlagen, dachte ich, und ich schrie, da? es durch die ganze Stra?e schallte. Sjowka horte meine Schreie. Er kam zuruckgelaufen. An den Hauserfronten wurden Fenster aufgesto?en. Ich starrte Sjowka an. Er war meine letzte Hoffnung.

Als Stepan den Arm loslie?, wandte ich mich um. Neben mir stand mein Vater. Er hatte Stepan gepackt. 

„Was geht hier vor?' fragte er. Stepan schuttelte sich. „Nichts weiter, Genosse Chef. Ich wollte die beiden gerade zu Ihnen bringen.'

„Boris, was war los?'

„Das Boot haben sie mir kaputt gemacht', antwortete Stepan statt meiner, „den Boden zertrummert, Genosse Chef. Ein neues Boot.' 

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