Port Eads, der nach dem Ingenieur benannt ist, dessen Bemuhungen man die Verbesserung der sudlichen Fahrstra?e zu verdanken hat.

Hier ergie?t sich nach einem Laufe von viertausendfunfhundert Meilen (7421 Kilometer) der machtige Mississippi in den Meerbusen von Mexiko.

Als der »Sherman« uber die letzten Landspitzen hinausgekommen war, steuerte er nach Westen zu.

Bis hierher hatte Tom Crabbe die Wasserpartie vorzuglich gut vertragen. Nachdem er immer zur gewohnten Stunde tuchtig gegessen hatte, legte er sich schlafen, und am nachsten Tage nahm er frisch und gesund seinen Platz auf dem Spardeck wieder ein.

Der »Sherman« war schon gegen funfzig Meilen weit in der offenen See dahin gedampft, und im Norden zeigte sich die niedrige Kuste nur noch als schmaler Streifen.

Tom Crabbe hatte es hier zum erstenmale gewagt, eine Seefahrt zu unternehmen. Zu Anfang schien ihn das Stampfen und Schlingern des Schiffes nur erstaunen zu machen.

Dieses Erstaunen erzeugte aber auf seinem sonst so hochrothen Gesicht doch eine verdachtige Blasse, die John Milner, der selbst gut seefest war, sofort bemerkte.

»Sollte er krank werden?« fragte er sich beim Herantreten an die Bank, auf die sein Gefahrte sich hatte setzen mussen.

Er ruttelte diesen an der Schulter und sagte:

»Na, wie geht’s denn?«

Tom Crabbe machte den Mund auf, diesmal war es aber nicht der Hunger, der seine Kaumuskeln in Bewegung setzte, obwohl die Stunde der ersten Mahlzeit herangekommen war. Da er ihn nicht rechtzeitig wieder schlie?en konnte, bekam er einen tuchtigen Spritzer Salzwasser grade in dem Augenblicke in die Kehle, wo der »Sherman« durch eine hohere Welle stark auf die Seite gelegt wurde.

Tom Crabbe rutschte von der Bank und fiel auf das Deck nieder.

»Komm, Tom…«, sagte John Milner.

Tom Crabbe wollte sich erheben, versuchte es jedoch vergeblich und fiel, so schwer er war. wieder auf das Deck hin.

Der Capitan Curtis, der den Fall gehort hatte, kam nach dem Hinterdeck.

»Aha… sehe schon, was hier los ist, rief er. Hat ubrigens nichts zu bedeuten, Herr Tom Crabbe wird sich daran gewohnen. Es ist ja gar nicht zu glauben, da? ein solcher Riese der Seekrankheit verfallen sollte. Das kommt wohl bei Schwachlingen vor; bekame sie aber ein so kraftig gebauter Mann, so wurde dieser desto schlimmer davon zu leiden haben.«

Leider sollte das hier zutreffen, und wohl kaum je hatten Passagiere einem so jammervollen Schauspiele beigewohnt. Der Seekrankheit zu verfallen ist das gewohnliche Los der Schwachen und Kranklichen; bei diesen verlauft sie dann normal und ohne bleibende Nachtheile. Doch ein Mann von solcher Korperfulle, von solcher Kraft!… Er ist dabei mehr in der Lage wie machtige Bauwerke bei einem Erdbeben gegenuber der Indianerhutte: diese halt es aus, das gro?e Bauwerk geht dabei aus den Fugen.

Und Tom Crabbe ging aus den Fugen; man mu?te furchten, da? er bald nur noch einen Haufen Ruinen bilden werde.

John Milner war recht argerlich uber den Vorfall.

»Wir mussen ihn von hier wegschaffen«, sagte er.

Der Capitan Curtis rief den Hochbootsmann und ein Dutzend Matrosen zu der au?ergewohnlichen Arbeit herbei. Doch obgleich alle ihre Krafte vereinigten, wollte es nicht gelingen, den Champion der Neuen Welt emporzuheben. Es blieb schlie?lich nichts anders ubrig, als ihn wie eine Tonne auf dem Spardeck hinzurollen, ihn dann mittelst Flaschenzugs auf das Hauptdeck hinabzulassen und bis in die Mitte in die Nahe der Maschine zu schleppen, deren Balancier die hilflose Masse zu verspotten schien, und hier blieb er denn in sich zusammengesunken liegen.

»Nun ja, au?erte John Milner gegen den Capitan Curtis, daran ist das verwunschte Salzwasser schuld, das Tom grade ins Gesicht spritzte. Wenn’s wenigstens Alkohol gewesen ware…

– O, wenn das Meer aus Alkohol bestande, erwiderte der Capitan Curtis, dann war’ es schon langst bis auf den letzten Tropfen ausgetrunken und von einer Schifffahrt ware keine Rede mehr!«

Heute war die Seefahrt nicht besonders angenehm. Der in der Hauptsache aus Westen wehende frische Wind veranderte zuweilen seine Richtung, wodurch das Rollen und Stampfen nur noch verstarkt wurde. Da der Dampfer gegen die Wellen ankampfen mu?te, verminderte sich auch seine Schnelligkeit betrachtlich. Die Dauer der Fahrt drohte vielleicht um das Doppelte – auf siebzig bis achtzig, statt der gewohnlichen vierzig Stunden – verlangert zu werden. Kurz, John Milner machte alle Stadien von Beunruhigung durch, wahrend sein Gefahrte alle Stadien der widerlichen Krankheit durchkostete, von dem Umhergeworfenwerden der Eingeweide, den Storungen im Blutgefa?system bis zu einem so argen Schwindel, wie er hochstens bei volliger Trunkenheit vorkommt. Der Capitan Curtis gebrauchte daruber den Ausdruck, Tom Crabbe ware zu nichts mehr gut, als mit der Schaufel zusammengelesen zu werden.

Endlich, am 9. Mai, und nach einem furchtbaren Windsto?e, der zum Gluck nicht lange anhielt, zeigten sich gegen drei Uhr nachmittags die Kusten von Texas mit ihren Dunen von blendend wei?em Sande und einem schutzenden Kranze kleiner Inseln, uber denen ganze Volker gro?er Pelikane dahin flatterten.

Die Schiffskuche hatte bei der Fahrt aber recht viel erspart, denn Tom Crabbe hatte, obwohl er haufig und fast zu haufig den Mund offnete, seit der letzten Mahlzeit auf der Hohe von Port Eads nicht das geringste verzehrt.

John Milner wiegte sich in der Hoffnung, da? er sich erholen, da? er das abscheuliche Uebel nun uberwinden werde, da? er wieder eine menschliche Gestalt bekame, in der er sich sehen lassen konnte, wenn der »Sherman«, den die Bai von Galveston dann gegen den Wogendrang des offenen Meeres schutzte, nicht mehr umhergeworfen wurde. Vergebliche Hoffnung! Auch im ruhigen Wasser wollte der Ungluckselige noch nicht wieder genesen.

Die Stadt Galveston liegt am Ende einer Sandbank. Ein Viaduct verbindet sie mit dem festen Lande, und uber diesen bewegt sich der ganze Handel, vorzuglich die sehr bedeutende Ausfuhr von Baumwolle.

Der »Sherman« glitt durch eine enge Wasserstra?e und legte bald an seiner Landungsstelle fest.

John Milner konnte eine laute Verwunschung nicht unterdrucken. Am Quai standen mehrere hundert Neugierige. Durch ein Telegramm unterrichtet, da? Tom Crabbe sich in New Orleans nach Galveston eingeschifft habe, erwarteten sie hier seine Ankunft.

An Stelle des Champions der Neuen Welt, des zweiten im »Match Hypperbone« Abgereisten, konnte dessen Traineur jenen freilich nur eine formlose Masse vorfuhren, die mehr einem leeren Sacke als einer menschlichen Gestalt ahnelte.

John Milner versuchte noch einmal, Tom Crabbe aus seinem elenden Zustande aufzurutteln.

»Nun… auf!… Geht es denn nicht?…«

Der Sack blieb jedoch ein Sack, und man mu?te ihn auf einer Tragbahre nach dem Beach Hotel befordern, wo bereits Zimmer fur die Reisenden bestellt waren.

Einige Scherzreden, einzelne Sticheleien wurden horbar, als man ihn vorubertrug, nichts aber von den gewohnten Hurrahs, die ihn bei der Abfahrt von Chicago begleitet hatten.

Doch war ja noch nicht alles verloren. Nach einer Nacht ruhigen Schlafs und nach einer Reihe passend gewahlter Mahlzeiten wurde Tom Crabbe schon seine Lebensenergie, seine normale Kraft wiederfinden und nicht mehr das traurige Aussehen bieten…

Wenn John Milner sich in dieser Weise getrostet hatte, wurde er sich doch getauscht haben. Die Nacht brachte noch keine Besserung im Gesundheitszustande seines Gefahrten. Die todtliche Erschopfung des Riesen war am nachsten Morgen noch dieselbe wie am Abend vorher. Und doch muthete man ihm irgendwelche geistige Thatigkeit, wozu er ja unfahig gewesen ware, gar nicht zu, sondern erwartete nur eine rein korperliche Wiedereinsetzung in den status quo. Vergeblich! Sein Mund blieb, seit er wieder festen Boden betreten hatte, hermetisch geschlossen. Er verlangte keine Nahrung, und sein Magen lie? die zu den gewohnten Stunden ublichen Hilferufe nicht ertonen.

So verlief der 10. Mai, nicht anders der 11., und am 16. war der letzte Tag, wo Tom Crabbe in Austin eintreffen mu?te.

John Milner fa?te da den einzigen Entschlu?, der ihm geboten schien. Jedenfalls war es besser, zu zeitig als zu spat anzukommen. Sollte Tom Crabbe sich von seiner Erschopfung erholen, so erfolgte das gewi? ebenso gut in Austin wie in Galveston, und er befand sich dann wenigstens an dem ihm vorgeschriebenen Orte.

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