»Wir wollen nun allein ausgehen, sagte der eine.

– Ja… wozu noch warten?…« sagte die andere.

Die Thur ihres Zimmers aufsto?end, betraten sie einen Mittelraum, ein richtiges Schankzimmer, das den Eingang gleich von der Stra?e aus hatte.

Hier auf der Schwelle standen zwei schlecht gekleidete Manner von wenig Vertrauen erweckendem Aussehen und mit vom Alkoholgenu? glasern erscheinenden Augen, die offenbar die Thur bewachten.

»Hier kommt niemand hinaus!«

Dieser Zuruf war in grobem Tone an Herrn Titbury gerichtet.

»Wie?… Man darf hier nicht hinaus?…

– Nein… erst bezahlen!

– Bezahlen?…«

Dieses Wort war von allen Wortern der englischen Sprache gerade das, das Herrn Titbury am wenigsten gefiel.

»Bezahlen?… wiederholte er. Bezahlen, um ausgehen zu durfen?… Das ist wohl nur ein Scherz!«

Frau Titbury dagegen fa?te, von einer plotzlichen Unruhe ergriffen, die Sachlage nicht in gleicher Weise auf, sondern fragte:

»Wieviel?

– Dreitausend Dollars!«

Diese Stimme erkannte sie sofort… es war die des gefalligen Robert Inglis, der jetzt am Eingange des Gasthauses auftauchte.

Herr Titbury wollte, weniger scharfsinnig als seine Frau, die Sache noch immer von der heiteren Seite nehmen.

»Ah, rief er, das ist ja unser Freund von gestern!

– In Person vor Ihnen, antwortete dieser.

– Und immer noch in vortrefflicher Laune?…

– Immer.

– Wahrhaftig, diese Forderung von dreitausend Dollars ist doch gar zu drollig!

– Ich bitte Sie, lieber Herr, erwiderte Inglis, das ist der Preis fur ein Nachtlager im Cheap Hotel.

– Sprechen Sie im Ernst? fragte Frau Titbury erbleichend.

– Ganz im Ernst, Madame.«

In einer Aufwallung gerechten Zornes wollte Herr Titbury hinausdringen.

Da legten sich ihm zwei kraftige Arme auf die Schultern und hielten ihn an der Stelle fest.

Dieser Robert Inglis war ganz einfach einer jener Spitzbuben, die stets auf jede – ubrigens nicht seltene – Gelegenheit passen, einen Schurkenstreich auszufuhren, und die man in den entlegeneren Gebieten der Union recht haufig antreffen kann. Mehr als einmal waren schon Reisende durch dieses angeblich dreiundvierzigste Kind aus einer Mormonenehe ausgeplundert worden, und dazu liehen ihm Spie?gesellen wie die beiden Individuen in dem verwunschten Gasthofe, dem Cheap Hotel, das schon mehr eine Mordergrube, wenigstens eine Borsenfalle war, hilfreiche Hand. Durch das Auftreten Max Real’s auf eine gute Fahrte gebracht, hatte er dem Titbury’schen Ehepaare seine Dienste angeboten, und nachdem er erfahren hatte, da? die Leute noch dreitausend Dollars bei sich fuhrten – welche Thorheit, das zu verrathen! – hatte er sie nach dem ganz vereinzelt gelegenen Gasthofe geleitet, wo sie vollig in seiner Gewalt waren.

Herr Titbury sah das ein… leider erst zu spat.

»Mein Herr, sagte er, ich erwarte, da? Sie uns sofort ausgehen lassen werden… ich habe in der Stadt zu thun…

– Nicht vor dem 2. Juni, dem Tage, wo die bewu?te Depesche eintreffen soll, antwortete Inglis lachelnd, und heute ist erst der 29. Mai.

– Sie beabsichtigen also, uns funf Tage lang hier zuruckzuhalten?…

– Noch langer und noch mehr als langer, erwiderte der gefallige Gentleman, wenigstens wenn Sie sich nicht um dreitausend Dollars in guten Chicagoer Bankbillets erleichtern.

– Elender!

– Ich bin hoflich gegen Sie, bemerkte Inglis, wollen Sie es auch gefalligst gegen mich sein, Herr Blauflagge!

– Doch diese Summe… das ist ja alles, was ich habe…

– Es wird dem reichen Hermann Titbury ein leichtes sein, sich von Chicago so viel Geld kommen zu lassen, wie er braucht. Der Panzerschrank des reichen Hermann Titbury ist wohlgefullt. Bedenken Sie, mein verehrter Gast, da? Sie die dreitausend Dollars ja bei sich haben und da? ich sie Ihnen einfach aus der Tasche holen konnte. Doch, beim gro?en Jonathan! – wir sind keine Diebe. Ich rechne Ihnen nur die herkommlichen Preise des Cheap Hotel an, und Sie werden sich wohl dazu bequemen…

– Nimmermehr!

– Wie es Ihnen beliebt.«

Damit wurde die Thur zugeworfen und die Eheleute sahen sich in dem niedrigen Raume eingesperrt.

Da regnete es nun grimmige Auslassungen uber diese verwunschte Reise, uber die Drangsalierungen – von den Gefahren gar nicht zu reden – die das Ehepaar verfolgten: nach der Geldstrafe in Calais der Diebstahl in Great Salt Lake City!… Und welches Pech, diesem Banditen Inglis in die Hande gefallen zu sein!

»An dem ganzen Unheil ist der Schlingel, der Max Real, schuld! rief Herr Titbury. Wir wollten ja unseren Namen erst nach der Ankunft bekannt werden lassen, und der Schurke schreit ihn schon auf dem Ogdener Bahnhofe vor allen Leuten aus! Und dann mu?te ihn obendrein auch noch dieser Rauber horen! Was beginnen wir nun?

– Ja, wir mussen eben die dreitausend Dollars opfern… sagte Frau Titbury.

– Nun und nimmermehr!

– Hermann!« antwortete darauf nur die rechthaberische und storrische Gattin. Selbst wenn Titbury bei seiner Weigerung blieb, mu?ten die Spitzbuben ja im Stande sein, ihn auszubeuteln. Und wenn sie nun sein Geld wegnahmen und ihn dann sammt Frau Titbury in den Crescent River warfen, wurde wohl, da kein Mensch etwas von ihrer Anwesenheit in der Stadt wu?te, auch nur ein Hahn darum krahen?

Titbury blieb jedoch hartnackig. Vielleicht erschien ihm Hilfe… eine Abtheilung Miliz, die auf der Stra?e hinmarschierte, oder wenigstens einzelne Passanten, die er anrufen konnte. Vergebliche Hoffnung! Eine Minute spater wurden beide in ein Zimmer gefuhrt, dessen Fenster nach einem geschlossenen Hofe zu lag. Der grimmige Gastwirth brachte ihnen dann etwas zu essen. Es war gewi? nicht zu viel verlangt, im Cheap Hotel fur einen Tagespreis von tausend Dollars nicht blos beherbergt, sondern auch verpflegt zu werden.

Unter diesen Verhaltnissen verstrichen vierundzwanzig, vergingen achtundvierzig Stunden. Wie die Gefangenen vor Wuth schaumten, la?t sich gar nicht beschreiben. Uebrigens fanden sie nie Gelegenheit, Inglis wieder zu sehen; dieser hielt sich ohne Zweifel discret zur Seite, um nicht den Schein einer Erpressung gegen seine Gaste aufkommen zu lassen.

Endlich verzeichneten die Kalender der Union den 1. Mai. Morgen, noch am Vormittage, sollte sich der dritte Partner in Person im Telegraphenamte der Great Salt Lake City melden. Verfehlte er diesen Zeitpunkt, so verlor er alles Recht auf Fortsetzung der Partie, die sich fur die blaue Flagge schon bisher so unheilvoll erwiesen hatte.

Doch nein!… Titbury wollte nicht nachgeben, heute und niemals! Bei der nur noch kurz bemessenen Frist ging Frau Titbury aber mit aller Kraft daran, ihren Willen durchzusetzen. Sie hatte es auch gethan, wenn die Laune der Wurfel ihren Gatten in das Gasthaus, das Labyrinth, den Schacht oder ins Gefangni? verwiesen hatte, wo doppelte und dreifache Einsatze zu erlegen waren. Nun, heute lag die Sache ganz ahnlich, und wenn es recht gut ist, sein Geld zu behalten, so ist es doch wohl noch besser, sein Leben zu behalten… und jetzt waren beide auf Gnade oder Ungnade in der Gewalt dieser Schurken. Kurz, hier hie? es: zahlen!

Titbury widerstrebte, in der Hoffnung auf eine unvorhergesehene Hilfe, die freilich ausblieb, noch bis sieben Uhr des Abends.

Genau halb acht Uhr lieh sich Herr Inglis, liebenswurdig und hoflich wie immer, anmelden.

»Morgen ist der gro?e Tag, begann er. Es ware gut, verehrter Herr, wenn Sie sich noch heut Abend nach Great Salt Lake City begaben…

– Wer anders hindert mich daran als Sie? rief dem Ersticken nahe Herr Titbury.

– Ich? antwortete Herr Inglis immer lachelnd. Sie brauchen sich ja nur zu entschlie?en, Ihre Rechnung zu

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