der schwulen Luft hing ein dichtes vielsprachiges Gefluche. An den Piers, in den engen Gangen zwischen den Lagerhausern und um die Tavernen drangten sich Tausende Menschen, die alle irgendwie merkwurdig aussahen: heruntergekommene Matrosen, aufgeblasene Kaufleute, Fischer mit dusteren Mienen, Sklavenhandler, Madchenhandler, fettgeschminkte Huren, betrunkene Soldaten, undefinierbare Gestalten, von Kopf bis Fu? mit Waffen behangt, und phantastische Vagabunden in zerlumpten Kleidern mit goldenen Reifen um die schmutzigen Handgelenke. Und alle waren erregt und ubellaunig. Nach einem Erla? Don Rebas konnte nun schon den dritten Tag kein Schiff, ja nicht einmal ein Kahn den Hafen verlassen.

An den Anlegestellen spielten die grauen Sturmowiki mit ihren rostigen Metzgerbeilen. Sie spuckten ins Wasser und bedachten die Menge mit frechen und schadenfreudigen Blicken. Auf den festgehaltenen Schiffen hockten in Gruppen zu funft und zu sechst breitknochige kupferhautige Manner in umgestulpten Pelzen und Kupferkappen: es waren angeheuerte Barbarensoldner. Sie taugten zwar im Nahkampf nichts, auf Entfernung aber, ebenso wie jetzt, waren sie mit ihren Blasrohren und den vergifteten Pfeilen sehr gefahrlich. Aus der Ferne aber ragten die schwarzen Masten der Kriegsgaleeren der koniglichen Flotte drohend zum Himmel. Von Zeit zu Zeit stie?en sie feurigrote Rauchschwaden aus, die immer einen Fleck des Meeres in Brand setzten: man entzundete Ol zur Einschuchterung der wartenden Menge.

Rumata ging an der Zollkanzlei vorbei, wo vor verschlossenen Turen die Kapitane vergeblich auf ihre Ausfahrtgenehmigung warteten, er schlug sich durch eine plarrende Menge, welche mit allem handelte, was ihnen gerade in die Hande fiel – von Sklavinnen und schwarzen Perlen bis zu Narkotika und dressierten Spinnen –, ging dann zu den Piers hinaus, warf einen raschen Seitenblick auf die offentlich zur Schau gestellten Leichen in Matrosenuniform, die in der prallen Sonne schon vollig aufgedunsen waren, beschrieb einen Bogen entlang eines mit Gerumpel und Unrat ubersaten Platzes und tauchte endlich in einer der ubelriechenden Hafengassen unter. Hier wurde es ruhiger. In den Turen armlicher Spelunken dosten halbnackte Huren, an einer Stra?enkreuzung lag ein volltrunkener Soldat mit eingeschlagener Nase und nach au?en gestulpten Taschen, und die Wande entlang schlichen verdachtige Figuren mit bleichen Nachtgesichtern.

Rumata war hier zum erstenmal bei Tag, und anfangs wunderte er sich, da? er kein Aufsehen erregte. Die Leute, denen er begegnete, sahen mit ihren wa?rigen Augen entweder an ihm vorbei oder auch durch ihn hindurch, obwohl sie beiseite traten und ihm aus dem Weg gingen. Als er aber um eine Ecke bog und sich unvermittelt umwandte, konnte er gerade noch sehen, wie an die zwanzig verschiedenartige Kopfe, mannliche und weibliche, zerzauste und kahle, augenblicklich in Turen, Fenstern und Verschlagen verschwanden. Da ubertrug sich auf ihn die seltsame Atmosphare dieser ekelerregenden Gegend, eine Atmosphare nicht so sehr von Feindseligkeit oder Gefahr, sondern von einem unguten, habsuchtigen Interesse.

Er stie? mit der Schulter die Tur auf und betrat eine der Spelunken. Im halbdunklen Gastzimmer schlummerte hinter dem Schanktisch ein alter Mann mit einer unerhort langen Nase und dem Gesicht einer Mumie. Es waren keine Gaste da. Rumata trat unhorbar an den Schanktisch und zielte schon einen Knipser auf die lange Nase des Alten, als er plotzlich bemerkte, da? der schlafende Alte uberhaupt nicht schlief, sondern ihn durch seine nackten, zusammengekniffenen Lider aufmerksam beobachtete. Rumata warf ein Silberstuck auf das Pult, und die Augen des Alten offneten sich gleich wie auf Knopfdruck.

»Womit darf ich dem edlen Don dienen?« erkundigte er sich geschaftig. »Etwas zum Bei?en? Zum Riechen? Oder ein Madchen?«

»Stell dich nicht dumm«, sagte Rumata, »du wei?t genau, wozu ich hierher komme.«

»Eh-ehe! Das wird doch nicht der edle Don Rumata sein!« rief mit ungewohnlicher Verwunderung der alte Mann. »Ich schau so vor mich hin … Da plotzlich, irgendwie ein bekanntes Gesicht …« Nach dieser langen Rede lie? der alte Mann wieder seine Lider sinken. Alles war klar. Rumata ging um den Schanktisch herum und kroch durch eine enge Tur in das Nachbarzimmer. In dem dunklen Raum war wenig Platz, und es roch penetrant nach saurem Bier. In der Mitte des Raumes stand hinter einem hohen Pult ein alterer Mann. Sein von Falten durchfurchtes Gesicht war uber einen Sto? Papiere gebeugt, auf dem Kopf sa? eine schwarze flache Kappe. Auf dem Pult flackerte eine schwache Olfunzel, und in ihrem Dammerlicht sah man nur die Gesichter der Manner, die unbeweglich an der Wand sa?en. Auf seine Schwerter gestutzt, ertastete sich Rumata einen Schemel an der Wand und setzte sich. Hier herrschten eigene Gesetze und eine eigene Etikette. Keiner der Anwesenden schenkte dem Hereingekommenen die geringste Aufmerksamkeit: Kommt ein Mensch herein, dann gehort es sich eben so, wenn es sich aber nicht so gehort, so zwinkert man nur einmal mit dem Auge, und der Mensch ist verschwunden. Man wird ihn dann auf der ganzen Welt vergeblich suchen … Der runzelige Alte kratzte eifrig mit seiner Feder, die Leute an der Wand verharrten unbeweglich. Von Zeit zu Zeit lie? der eine oder der andere von ihnen ein langgezogenes Seufzen horen. An den Wanden liefen, leichtbeinig und leise tappend, unsichtbare Molche hin und her, die nach Fliegen schnappten.

Die unbeweglichen Manner an der Wand waren die Anfuhrer von Banden. Einige von ihnen kannte Rumata schon seit langem vom Sehen. An und fur sich waren diese stumpfen Tiere nicht viel wert.

Ihre Psyche war nicht komplizierter als die eines mittleren Kramers. Sie waren dumm, brutal und konnten gut mit Messern und kurzen Knuppeln umgehen. Aber da war auch noch der Mann am Pult … Sie nannten ihn Waga Koleso, und er war allmachtig, kannte keinen Konkurrenten, der ihm seine Stelle als Oberhaupt aller verbrecherischen Krafte des ganzen Landes streitig gemacht hatte – von den pitanischen Sumpfen im Westen Irukans bis hin zur Seegrenze der Handelsrepublik Soan. Von allen drei offiziellen Kirchen des Imperiums war er verflucht wegen

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