Und wenn jemand wunscht, da? es anders sei, kraftlos und ungeschickt fallen die schwachen Hande. Sie wissen nicht, wo der Polyp sein Herz hat, und ob der Polyp ein Herz hat …

Rumata wandte sich ab und ging davon. Guter schwacher Hauk … Der Polyp hat ein Herz. Und wir wissen, wo es ist. Und das ist das Allerschrecklichste, mein stiller, hoffnungsloser Freund. Wir kennen seinen Sitz, aber wir konnen es nicht zerhauen, ohne das Blut Tausender verangstigter, korrumpierter, blinder, kritikloser Menschen zu vergie?en. Und es sind so viele, so hoffnungslos viele, so viele dustere, verzweifelte Menschen, verhartet von dauernder Arbeit, ohne gerechten Lohn. Erniedrigte Menschen, die noch nicht fahig sind, sich uber das Ideal von elenden Kupfergroschen zu erheben … Und man kann sie noch nicht lehren, vereinen, lenken und sie vor sich selber retten. Zu fruh, viel zu fruh, um ein Jahrhundert zu fruh erhob sich in Arkanar das Graue Geschmei?, es trifft auf keinen Widerstand. Und so bleibt nur eines: Die wenigen zu retten, die man noch retten kann. Budach, Tarra, Nanin und noch ein Dutzend andere oder zwei Dutzend vielleicht … Aber allein der Gedanke daran, da? Tausende andere, wenn auch vielleicht weniger begabte, so doch ehrliche und wirklich edle Menschen zum Untergang verurteilt waren, rief in Rumata ein Gefuhl eisiger Kalte hervor und ein Gefuhl seiner eigenen Niedertrachtigkeit. Manchmal wurde dieses Gefuhl so stark, da? sich sein Bewu?tsein verfinsterte, und dann konnte Rumata buchstablich bei hellichtem Tag die Rucken der Grauen Brut sehen, wie sie durch lilablitzende Gewehrschusse erleuchtet waren; und das sonst immer so unansehnliche bleiche Gesicht Don Rebas, das nun von stinkenden Mucken uber und uber zerfressen war; und den Turm der Frohlichkeit, der langsam in sich selbst zusammensturzte … Ja, das ware herrlich. Das ware eine wirkliche Sache. Ein wirklich makroskopischer Eingriff. Aber dann … Ja, sie haben recht im Institut. Dann kommt das Unausbleibliche. Blutiges Chaos im ganzen Land. Die Nachtarmee des Waga Koleso kommt an die Oberflache, zehntausend Meuchelmorder, die Ausgesto?enen aller Kirchen, Schandbocke, Sexualverbrecher und alle Arten schadlicher Elemente; die Horden der kupferhautigen Barbaren ergie?en sich von den Bergen herab und vernichten alles, vom Saugling bis zum Greis; unubersehbare Mengen von Bauern und Burger, vor Schrecken blind, laufen in die Walder, in die Berge, in die Wuste; und deine Mitstreiter – diese frohlichen, tapferen Menschen! – schlitzen sich gegenseitig den Bauch auf im grausamen Kampf um die Macht und um dein Maschinengewehr, nach deinem unausweichlich gewaltsamen Tod … Und dieser dumme, plumpe Tod kommt aus einer Schale Wein von einem Freund oder von einem Armbrustpfeil hinter einem Vorhang hervor. Und dann das versteinerte Gesicht deines Nachfolgers, der von der Erde hierher gesandt wird und ein ausgestorbenes Land vorfindet, von Blut durchtrankt und von Branden zerstort, in dem man alles, alles, alles wieder von vorn beginnen mu? …

Als Rumata die Tur seines Hauses aufstie? und in den prachtigen, aber schon etwas baufalligen Vorraum eintrat, war sein Gesicht duster wie eine Wetterwolke. Muga, der bucklige, grauhaarige Diener, der schon vierzig Jahre lang Lakai war, krummte sich bei seinem Anblick noch mehr zusammen und zog den Kopf zwischen die Schultern, als der wutende junge Herr Hut, Umhang und Handschuhe von sich ri?, den Fes mit den Schwertern auf die Bank schleuderte und eilig in sein Zimmer hinaufging. Im Salon erwartete ihn der Knabe Uno.

»Befiehl das Mittagessen aufzutragen!« brullte Rumata. »Ins Herrenzimmer!«

Der Knabe ruhrte sich nicht.

»Jemand wartet dort auf Sie«, meldete er murrisch. »Wer?«

»Irgendeine junge Frau. Oder vielleicht eine Dona. Dem Benehmen nach eine junge Frau, liebenswurdig. Aber angezogen ist sie wie eine Edle, schon ist sie.«

Kyra, dachte Rumata erleichtert. Der Gedanke besanftigte ihn sofort. Oh, wie gut! Wie hat sie es geahnt, meine Kleine … Er blieb mit geschlossenen Augen stehen, um sich zu sammeln. »Verjagen, wie?« fragte der Knabe geschaftig. »Esel du«, sagte Rumata. »Ich werde gleich dich verjagen!… Wo ist sie denn?«

»Im Herrenzimmer halt«, sagte der Knabe und lachelte ungeschickt. Rumata ging rasch zum Herrenzimmer.

»La? ein Mittagmahl fur zwei auftragen«, sagte er im Gehen. »Und sieh dich vor: Niemand wird eingelassen! Nicht einmal der Konig – oder der Teufel – oder Don Reba selbst …«

Sie war wirklich im Herrenzimmer. Sie sa? in einem gro?en Fauteuil, die Beine seitlich untergeschlagen, den Kopf auf ihre kleine Faust gestutzt, und blatterte zerstreut im Traktat uber Geruchte. Als Rumata eintrat, wollte sie sich rasch erheben. Er lie? ihr aber keine Zeit dazu, eilte zu ihr, umarmte sie, fuhr mit der Nase in ihr dichtes, duftendes Haar und sagte leise: »Zur rechten Zeit, Kyra!… Wie gut!…«

Es war eigentlich nichts Au?ergewohnliches an Kyra. Ein Madchen wie viele, achtzehn Jahre, Stupsnase. Der Vater

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