Gesicht, deckte sie mit einem Pelzmantel zu, verlie? das Zimmer auf Zehenspitzen und verschlo? leise hinter sich die widerlich knarrende Tur. Er ging durch das dunkle Haus ins Dienstbotenzimmer hinunter, blickte uber die zum Gru? gebeugten Kopfe und sagte: »Ich habe mir eine Wirtschafterin genommen. Ihr Name ist Kyra. Wohnen wird sie oben, bei mir. Das Zimmer neben dem Herrenzimmer wird morgen sorgfaltig aufgeraumt. Der Wirtschafterin ist zu gehorchen wie mir!« Er streifte die Bediensteten mit einem raschen Blick, ob nicht etwa einer grinse. Keiner verzog eine Miene, sie horten ihm mit der gebuhrenden Ehrerbietigkeit zu. »Und wenn es jemandem einfallen sollte, hinter meinem Rucken zu tuscheln, so rei?e ich ihm die Zunge heraus!«
Nachdem er ausgeredet hatte, blieb er noch eine Weile stehen, um seine Worte auf sie einwirken zu lassen, dann wandte er sich um und ging wieder hinauf in sein Zimmer. Die Wande des Salons waren uber und uber mit rostigen, alten Waffen behangt, und es standen da seltsame, von unzahligen Insekten bekleckste Mobel. Er ging zum Fenster, druckte seine Stirn an das dunkle, kalte Glas und schaute auf die Stra?e hinunter. Man schlug gerade zur ersten Wache. In den Fenstern gegenuber zundeten sie die Leuchten an und schlossen die Laden, um nicht die bosen Menschen und bosen Geister anzulocken. Es war ganz still, nur einmal brullte mit schrecklicher Stimme ein Betrunkener laut auf – entweder bestahl man ihn, oder er torkelte gegen fremde Turen.
Am schrecklichsten waren diese Abende: elend, einsam und hoffnungslos. Wir hatten gedacht, da? es ein langwieriger Kampf werden wurde, wild, aber siegreich, uberlegte Rumata. Wir dachten, da? wir immer klare Vorstellungen von Gut und Bose, von Freund und Feind beibehalten wurden. Und unsere Uberlegungen waren im allgemeinen richtig, nur haben wir vieles nicht mit einberechnet. Zum Beispiel Abende wie diesen, obwohl wir doch genau wu?ten, da? sie kommen wurden …
Unten horte man Eisen klirren – sie schoben die Riegel vor und bereiteten sich zur Nacht. Die Kochin betete zum heiligen Micky, er moge ihr doch irgendeinen Mann schicken, nur ein bi?chen Stolz und Verstandnis fur sie sollte er haben. Der alte Muga gahnte und beschrieb dabei mit dem Daumen kleine Kreise in der Luft. Die Diener tranken in der Kuche ihr Abendbier und klatschten, was das Zeug hielt. Der Knabe Uno aber blitzte sie aus bosen Augen an und schalt sie wie ein Erwachsener: »Er wird euch schon noch die Zunge kratzen, ihr Stuten …«
Rumata trat vom Fenster zuruck und begann im Salon auf und ab zu gehen. Das ist aussichtslos, dachte er. Keine Kraft der Welt reicht aus, um sie aus dem gewohnten Kreis ihrer Sorgen und festgefahrenen Vorstellungen herauszurei?en. Man konnte ihnen alles geben. Man kann sie in die modernsten spektroakustischen Hauser ubersiedeln und ihnen die Jonenprozedur beibringen – sie werden trotzdem am Abend in der Kuche zusammenhocken, Karten spielen bis spat in die Nacht und uber den Nachbarn losziehen, der seine Frau schlagt. Und es wird fur sie keinen schoneren Zeitvertreib geben. Hier hat Don Kondor recht: Reba ist eine Laus, ein Nichts im Vergleich zu der erdruckenden Fulle von Traditionen, strengen Regeln, geheiligt durch die Jahrhunderte, altbewahrt, unumsto?lich und dem Dummsten der Dummkopfe vertraut. Sie befreien von der Notwendigkeit, zu denken und sich fur etwas zu interessieren. Don Reba aber kommt vielleicht nicht einmal in den Lehrstoff der Oberklassen: »Ein kleiner Abenteurer in der Epoche der Festigung des Absolutismus.«
Don Reba, Don Reba! Er ist nicht hochgewachsen, aber auch nicht klein, nicht zu dick, aber auch nicht ganz mager, er hat kein dichtes Haar, ist aber bei weitem nicht glatzkopfig. Seine Bewegungen sind nicht energisch, aber auch nicht langsam. Sein Gesicht vergi?t man sofort wieder, tausend andere gleichen ihm aufs Haar. Er ist hoflich, galant zu den Damen, sogar ein aufmerksamer Gesprachspartner, der allerdings keine Gedankenblitze beisteuert …
Vor drei Jahren tauchte er aus irgendeinem verschimmelten Keller der Hofkanzlei auf, ein kleiner, unscheinbarer Beamter … Damals war er noch unterwurfig und recht bla? im Gesicht, manchmal sogar ein wenig graublau. Kurz darauf wurde der damalige Erste Minister plotzlich verhaftet und hingerichtet, in den Folterkammern kamen hohe Beamte ums Leben, die vor Schreck den Verstand verloren und nicht einmal wu?ten, worum es ging. Und buchstablich auf ihren Leichen wuchs ein riesiger fahler Pilz: dieses hartnackige erbarmungslose Genie der Mittelma?igkeit.
Er ist ein Niemand, und er kommt von nirgendwoher. Das ist nicht ein brillanter Kopf im Regime eines schwachen Herrschers, wie man sie aus der Geschichte kennt, auch kein schreckeneinflo?ender gro?er Mensch, der sein ganzes Leben der Konsolidierung des Landes im Namen der Autokratie widmet. Er ist nicht einmal ein gieriger Parasit, der au?er Gold und Weibern nichts anderes im Sinn hat, der in seiner Machtgier blindlings nach links und rechts zuschlagt und herrscht, um zu toten. Insgeheim erzahlt man sich sogar, da? er uberhaupt nicht Don Reba sei, da? Don Reba ein ganz anderer Mensch ist, jener aber, wei? Gott, vielleicht ein Werwolf, sein eigener Doppelganger oder irgendein Wechselbalg … Was immer er auch ausklugelte, alles ging schief. Er hetzte zwei einflu?reiche Furstenhauser des Reichs gegeneinander auf, um sie zu schwachen und seinerseits einen Frontalangriff gegen die Barone fuhren zu konnen. Aber die beiden Hauser versohnten sich, riefen beim Klang von Sektpokalen ewige Bruderschaft aus und raubten dem Konig ein schones Stuck Land, das seit Menschengedenken den Konigen Totz von Arkanar gehort hatte. Er erklarte Irukan den Krieg, fuhrte selber die Armee zur Grenze, lie? sie in den Sumpfen ersaufen oder verlor sie im Wald, uberlie? sie schlie?lich ihrem Schicksal und floh zuruck nach Arkanar. Dank der Bemuhungen Don Hugs – von denen er naturlich nicht die leiseste Ahnung hatte – gelang es ihm, dem Herzog von Irukan einen Frieden abzuringen, allerdings um den Preis zweier befestigter Grenzstadte. Dann wieder war der Konig gezwungen, seine ohnehin schon halbleere Staatskasse bis auf den Boden leerzukratzen, um mit den Bauernaufstanden fertig zu werden, die das ganze Land erfa?t hatten. Fur
