Stra?enraufereien gewohnt war. Mit den Grauen lassen sie sich naturlich nicht ein, dachte Rumata, denn sie furchten den Zorn des allmachtigen Sicherheitsministers; aber gegen die Lumpen der Nachtarmee konnen sie schon standhalten, um so eher, als die Rauber in dieser Nacht eine leichte Beute erwarten. Zwei Armbruste waren da, vier Streitaxte, einige Fleischermesser, eiserne Helme, die Turen waren fest, nach alter Gewohnheit mit Eisen beschlagen … Oder, sollte man vielleicht doch nicht das Haus verlassen?

Rumata begab sich ins Obergescho? und ging auf Zehenspitzen in Kyras Zimmer. Kyra hatte sich nicht ausgezogen, sie schlief eingerollt auf dem ungeoffneten Bett. Rumata stand uber ihr mit dem Leuchter in der Hand. Soll ich gehen oder nicht? Fur mein Leben gern wurde ich diesmal nicht weggehen.

Er legte eine leichte Decke uber sie, ku?te sie auf die Wange und ging in sein Zimmer zuruck. Ich mu? gehen. Was auch immer geschieht, ein Kundschafter mu? stets im Zentrum der Geschehnisse sein. Den Historikern auf der Erde zum Nutzen. Ein bitteres Lacheln uberzog sein Gesicht, er nahm den Reif von der Stirn, reinigte das Objektiv sorgfaltig mit einem weichen Lappen und setzte den Reif wieder auf. Dann rief er Uno und befahl ihm, seine Kriegerrustung und den frisch polierten Kupferhelm zu bringen. Zwischen Leibchen und Weste zog er, schaudernd vor Kalte, sein Metalloplasthemd, das wie ein Kettenhemd angefertigt war (die hiesigen Kettenhemden waren kein schlechter Schutz gegen Dolch- oder Schwertverletzungen, ein Armbrustbolzen jedoch konnte sie leicht durchschlagen). Wahrend er sich seinen Uniformgurtel mit mehreren Metallverschlussen umband, sagte er zu Uno: »Hor mir zu, Kleiner. Dir vertraue ich am meisten von allen. Was immer auch hier passiert, Kyra mu? am Leben bleiben und unverletzt. Meinetwegen soll das Haus abbrennen, sollen sie das ganze Geld rauben, aber Kyra beschutze mir. Geleite sie im Notfall uber die Dacher oder durch Kellergange, wie du willst, aber beschutze sie. Hast du mich verstanden?«

»Ja, Herr«, sagte Uno. »Ihr solltet heute nicht weggehen …«

»Du hor mir zu. Wenn ich in drei Tagen noch immer nicht zuruck bin, so nimm Kyra und fuhre sie auf eine Lichtung in den Schluckaufwald. Wei?t du, wo das ist? Also, im Schluckaufwald findest du das >Besoffene Barenlager<, nun, eine eigentumliche Hutte eben, nicht weit vom Weg. Du brauchst nur zu fragen, man wird sie dir schon zeigen. Pa? nur auf, wen du fragst. Dort haust ein Mensch, den man Vater Kabani nennt. Ihm erzahlst du alles. Hast du verstanden?«

»Ja, Herr. Aber Ihr solltet lieber nicht weggehen heute …«

»Ich wurde lieber hierbleiben. Kann aber nicht: Der Dienst ruft … Also, gib acht!«

Er gab dem Knaben einen leichten Klaps auf die Wange und erwiderte sein ungeschicktes Lacheln mit einem freundlichen Blick. Unten sagte er den Dienern ein paar aufmunternde Worte, verlie? das Haus und tauchte wieder in die Finsternis. Hinter ihm krachten die schweren Riegel.

Die Gemacher des Prinzen waren seit jeher schlecht bewacht. Moglicherweise verubte aber gerade deswegen niemals jemand auf die arkanarischen Prinzen einen Anschlag. Und im besonderen interessierte sich niemand fur den jetzigen Prinzen. Niemand auf der Welt mochte diesen schwachlichen blauaugigen Knaben, der jedermann ahnlich schaute, nur nicht seinem Vater. Der Knabe gefiel Rumata. Seine Erziehung war uber die Ma?en vernachlassigt, und deswegen war seine Phantasie unverdorben, er war nicht grausam wie die andern, konnte Don Reba – instinktiv, mu? man annehmen – nicht leiden, liebte es, lauthals verschiedene Lieder auf die Verse Zurens zu singen und mit Schiffchen zu spielen. Rumata lie? fur ihn aus der Hauptstadt bebilderte Bucher kommen, erzahlte ihm uber den Sternenhimmel und errang mit einem Marchen uber fliegende Schiffe ein fur allemal seine volle Sympathie. Rumata, der selten mit Kindern zu tun hatte, schien der zehnjahrige Prinz vollig anders zu sein als die ubrigen Bewohner dieses wilden Landes. Und gerade diese unschuldigen blauaugigen Kinder, aus welchen Bevolkerungsschichten sie auch kamen, entwickelten dann spater Bestialitat, Ignoranz und blinde Unterwurfigkeit.

Und doch waren in ihnen, in diesen Kindern, nicht die geringsten Spuren oder Ansatze zur Gemeinheit vorhanden. Es ware nicht schlecht, dachte er manchmal, wenn es auf den Planeten keine Erwachsenen gabe. Der Prinz schlief schon. Rumata trat seine Wache an. Er stellte sich zusammen mit dem abgelosten Gardeoffizier neben den schlafenden Knaben, vollfuhrte schwierige Figuren mit den entblo?ten Schwertern, wie es die Hofetikette vorschrieb, und machte den traditionellen Rundgang, um zu prufen, ob alle Fenster verriegelt und die Kinderfrauen auf ihren Platzen seien und ob in allen Gemachern die Leuchter brannten. Dann kehrte er in den Vorraum zuruck, spielte mit dem abgelosten Gardeoffizier eine Partie Knochen und erkundigte sich, was der edle Don von den Vorgangen in der Stadt halte. Der edle Don, ein Mann von enormem Verstand, versank in tiefes Nachdenken und au?erte die Ansicht, da? sich das einfache Volk auf den Feiertag des heiligen Micky vorbereite. Als Rumata allein zuruckgeblieben war, ruckte er sich einen Stuhl zum Fenster, setzte sich gemutlich hin und betrachtete die Stadt. Das Haus des Prinzen stand auf einem Hugel, und untertags konnte man die ganze Stadt bis zum Meer hin uberblicken. Jetzt aber war alles in Dunkelheit versunken, nur vereinzelt waren kleine Gruppen von Lichtern zu sehen – dort, wo die Leute an den Wegkreuzungen standen und die Fackelsignale der Sturmowiki erwarteten. Die Stadt schlief oder stellte sich zumindest schlafend. Es ware interessant zu wissen, ob die Bewohner wohl etwas davon fuhlten, da? sich etwas ganz Schreckliches auf sie zubewegte. Oder ob sie wohl, wie der edle Don mit dem enormen Verstand, annahmen, da? sich irgend jemand auf den Feiertag des heiligen Micky vorbereite? Zwanzigtausend Manner und Frauen. Zwanzigtausend Schlosser, Waffenschmiede, Fleischhauer, Galanteriehandler, Juweliere, Hausfrauen, Prostituierte, Monche, Geldwechsler, Soldaten, Landstreicher und heilgebliebene Bucherwurmer walzten sich in ihren stickigen, nach Wanzen stinkenden

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