»Sie haben recht, wie immer«, sagte Don Reba. »Mein edler Don, und kamen Sie jemals nach Soan?«
»Ich war in Soan.«
»Mit welchem Ziel?«
»Die Akademie der Wissenschaften zu besuchen.«
»Ein merkwurdiges Ziel fur einen jungen Menschen in Ihrer Lage.«
»Meine Laune.«
»Und Sie sind auch mit dem obersten Richter von Soan, mit Don Kondor, bekannt?« Rumata witterte eine Falle. »Das ist ein alter Freund unserer Familie.«
»Ein hochedler Mensch, nicht wahr?«
»Eine ganz verehrungswurdige Person.«
»Ist Ihnen bekannt, da? Don Kondor ein Mitglied der Verschworung gegen Seine Konigliche Hoheit ist?« Rumata schob unmerklich sein Kinn vor.
»Fassen Sie sich selbst an die Nase, Don Reba«, sagte Rumata von oben herab. »Fur uns, den alten Adel der Metropole, waren und bleiben auch all diese Soans und Irukaner und auch Arkanarer Vasallen der kaiserlichen Krone!« Er schlug die Beine uber Kreuz und wandte sich ab.
Don Reba blickte ihn nachdenklich an. »Sind Sie reich?«
»Ich konnte ganz Arkanar aufkaufen. Aber mich interessiert keine Jauche …«
Don Reba holte tief Atem.
»Mein Herz blutet«, sagte er, »wenn ich daran denke, den so beruhmten Zweig eines so beruhmten Adelsgeschlechts abzuhacken!… Es ware geradezu ein Verbrechen, wenn mich nicht die Staatsrason dazu zwingen wurde.«
»Kummern Sie sich weniger um die Staatsrason«, sagte Rumata, »sondern denken Sie lieber an Ihre eigene Haut.«
»Sie haben recht«, sagte Don Reba und schnalzte mit den Fingern. Mit einer raschen Bewegung spannte und entspannte Rumata wieder seine Muskeln. Anscheinend funktionierte sein Korper nun wieder normal. Hinter dem Vorhang sprangen noch einmal drei Monche hervor, mit eben derselben unglaublichen Behendigkeit und Exaktheit, die von gro?er Erfahrung zeugte. Sie umzingelten den noch immer lieblich lachelnden Bruder Aba, fa?ten ihn und verdrehten ihm die Arme am Rucken.
»Aaauuuh!« brullte er laut auf. Sein dickes Gesicht verzerrte sich vor Schmerz.
»Rasch, rasch, keine Umstande!« befahl Don Reba murrisch. Wahrend sie ihn hinter den Vorhang zerrten, schlug der Dickwanst wie tollwutig um sich. Man horte noch, wie er schrie und winselte, dann brullte er plotzlich mit einer unheimlichen, nicht wiedererkennbaren Stimme kurz auf und verstummte schlie?lich ganz. Don Reba erhob sich und entlud vorsichtig die Armbrust. Rumata folgte ihm verblufft mit seinen Augen.
Don Reba ging im Zimmer langsam auf und ab und kratzte sich mit dem Bolzen nachdenklich seinen Rucken. »Gut, gut …«, murmelte er beinahe zartlich. »Allerliebst …« Es schien fast, als habe er Rumata ganz vergessen. Seine Schritte wurden immer rascher, er fuhr im Gehen mit dem Bolzen in der Luft herum wie mit einem Taktstock. Dann blieb er ganz unvermittelt dicht beim Tisch stehen, schleuderte den Bolzen von sich, setzte sich vorsichtig (sein ganzes Gesicht war plotzlich von einem Lacheln uberzogen) und sagte:
»Nun, was sagen Sie …? Keiner von ihnen hat sich gemuckst …! Bei Ihnen, denke ich, bringt man das nicht zuwege …«
»Jaa …«, sagte Rumata gedehnt und ein wenig vertraumt. »Also gut. Jetzt aber sprechen wir einmal, Don Rumata … Vielleicht aber auch nicht Rumata? … Oder vielleicht auch gar kein Don? … Wie …?«
Rumata schwieg und musterte ihn mit Interesse. Er war bla?, auf seiner Nase zeigten sich rote Aderchen, er zitterte formlich vor Erregung, so als wollte er ihn am liebsten anschreien und dabei in die Hande klatschen: »Ich wei? doch! Ich wei? doch!« – Dabei wei?t du uberhaupt nichts, Hundesohn, dachte er. Wenn du aber etwas erfahrst, wirst du es ohnehin nicht glauben. Nun, sprich schon, sprich, ich hore dir zu. »Ich hore«, sagte Rumata.
»Sie sind nicht Don Rumata«, erklarte Don Reba. »Sie sind ein Usurpator!« Er blickte Rumata streng in die Augen. »Rumata von Estorien starb vor funf Jahren und liegt in der Familiengruft seines Geschlechts. Und die Heiligen haben seine aufruhrerische und, sagen wir es geradeheraus, nicht sehr saubere Seele langst besanftigt. Also wie ist es, gestehen Sie von selbst, oder soll ich nachhelfen?«
»Ich gestehe«, sagte Rumata. »Man nennt mich Rumata von Estorien, und ich bin es nicht gewohnt, da? man an meinen Worten zweifelt.«
Ich werde dich ein klein wenig argern, dachte Rumata. Aufgepa?t, ich fange an.