»Ich sehe schon, wir mussen das Gesprach an einem andern Ort fortsetzen«, sagte Don Reba unheildrohend.
In seinem Gesicht gingen erstaunliche Veranderungen vor sich. Es verschwand das angenehme Lacheln, seine Lippen pre?ten sich zu einer geraden Linie zusammen. Seltsam und ein wenig unheimlich: seine Stirnhaut geriet in Bewegung. Ja, dachte Rumata, solch einem Menschen kann man Angst einjagen.
»Nicht wahr, Sie haben doch Hamorrhoiden?« fragte er teilnahmsvoll.
In Don Rebas Augenwinkeln blitzte etwas auf, aber er verzog keine Miene. Er gab sich den Anschein, als habe er nichts gehort. »Sie sind schlecht umgegangen mit Budach«, sagte Rumata. »Er ist ein ausgezeichneter Arzt. Das hei?t, er war …«, fugte er bedeutungsvoll hinzu.
Don Rebas Augen zeigten einen Moment lang wieder das gleiche Zucken. Aha, dachte Rumata, Budach durfte also doch noch am Leben sein … Er setzte sich bequemer zurecht und umfa?te ein Knie mit den Handen.
»Sie weigern sich also, zu gestehen«, sagte Don Reba.
»Was?«
»Da? Sie ein Usurpator sind!«
»Mein ehrenwerter Reba«, sagte Rumata im Tonfall eines Lehrmeisters. »Solche Dinge pflegt man mit Beweisen zu untermauern. Sie beleidigen mich!«
Don Rebas Gesicht nahm einen uberaus su?lichen Ausdruck an. »Mein teurer Don Rumata«, sagte er. »Sie verzeihen, da? ich Sie vorerst noch bei diesem Namen nenne. Gewohnlich pflege ich uberhaupt nichts zu beweisen. Bewiesen wird dort, im Turm der Frohlichkeit. Fur diesen Zweck halte ich mir erfahrene, gut bezahlte Spezialisten, die mit Hilfe der Fleischmuhle des heiligen Micky, mit den Waffen des einzigen Gottes, den Handschuhen der heiligen Martyrerin Tata oder, sagen wir, mit der Sitzflache … ah, pardon, mit dem eisernen Stuhl Totz’, des Kampfers, alles beweisen konnen, was nur gewunscht wird. Da? Gott existiert und da? es ihn nicht gibt. Da? die Menschen auf den Handen gehen oder seitlich. Verstehen Sie mich? Es ist Ihnen vielleicht nicht bekannt, aber es gibt bei uns eine ganze Wissenschaft, die sich mit der Erlangung von Gestandnissen befa?t. Uberlegen Sie doch selbst: Wozu soll ich denn das beweisen, was ich selber wei?? Und dann, nach einem Gestandnis droht Ihnen nichts Ubles …«
»Mir nicht«, unterbrach ihn Rumata, »aber Ihnen droht etwas.« Don Reba uberlegte eine Weile.
»Gut«, sagte er dann. »Offenbar mu? doch ich anfangen. Also schauen wir, wodurch sich Rumata von Estorien in den funf Jahren seines Lebens im Konigreich Arkanar auszeichnete. Und Sie werden mir dann den Sinn von all dem erklaren. Einverstanden?«
»Ich mochte keine voreiligen Versprechungen abgeben«, sagte Rumata, »aber ich hore Ihnen mit Interesse zu.«
Don Reba begann in seinem Schreibtisch zu wuhlen, nahm eine dicke Sammlung von quadratischen Papieren heraus und uberflog sie mit hochgezogenen Brauen.
»Es wird Ihnen bekannt sein«, begann er angenehm lachelnd, »es wird Ihnen bekannt sein, da? von mir, dem Sicherheitsminister zum Schutze der Krone von Arkanar, einige Schritte unternommen wurden gegen sogenannte Bucherwurmer, Gelehrte und sonstige Elemente, die fur den Staat unnutz und schadlich sind. Diese Aktionen begegneten einem merkwurdigen Widerstand. Zur gleichen Zeit, als mir das ganze Volk in einer einstimmigen Aufwallung von Patriotismus und Untergebenheit auf jegliche Weise behilflich war: sie verrieten die Versteckten, sie fuhrten Sofortgerichte ein und gaben wertvolle Hinweise auf Verdachtige, die meiner Aufmerksamkeit entgangen waren –, wahrend eben dieser Zeit schnappte mir irgendein unbekannter, aber au?erst energischer Mensch die bedeutendsten, unverbesserlichsten und abscheulichsten Verbrecher vor der Nase weg und entfuhrte sie uber die Grenze. So sind uns entwischt: Der gottlose Astrologe Bagir Kissenski; der verbrecherische Alchimist Synda, der, wie bewiesen wurde, mit unreinen Kraften in Verbindung stand und mit den irukanischen Machthabern; der niedertrachtige Pamphletist und Ruhestorer Zuren und eine Reihe anderer von niederem Rang. Irgendwohin verkroch sich der verruckte Zauberer und Mechaniker Kabani. Von irgend jemandem wurde eine Unmenge Gold verteilt, um zu verhindern, da? sich der Zorn des Volks auf die Haupter von gotteslasterlichen Spionen und Vergiftern, die ehemaligen Leibarzte seiner Majestat, ergie?e. Irgend jemand befreite unter wahrhaft phantastischen Umstanden, die wiederum an die Beihilfe des Menschenfeindes denken lassen, den Ausbund an Verkommenheit, den Zersetzer der Volksseele, den Anfuhrer von Bauernaufstanden, Arata den Buckligen …«
Don Reba hielt ein, zog seine Stirn in Falten und blickte Rumata vielsagend an. Rumata hob seine Augen zur Decke und lachelte vertraumt. Arata den Buckligen hatte er entfuhrt, ja, und mit einem Hubschrauber. Auf die Wachter hatte das einen unglaublichen Eindruck gemacht. Auf Arata ubrigens ebenfalls. Ich bin ja doch ein ganzer Kerl, dachte er. Hab gute Arbeit geleistet. »Es wird Ihnen auch bekannt sein«, setzte Don Reba fort, »da? sich der erwahnte Ataman Arata zur Zeit an der Spitze eines meuternden Sklavenheeres in den ostlichen Teilen der Hauptstadt befindet und ansehnliche Mengen edlen Blutes vergie?t – dabei aber noch immer uber genugend Geld und Waffen verfugt.«
»Das will ich gern glauben«, sagte Rumata. »Ich habe gleich gesehen, da? er ein sehr entschlossener Mensch ist.«