»Habe ich Ihnen etwa so entscheidend geholfen?«, rief ich aus.

»Tikkirej…«, Stasj holte Luft, »wei?t du, worin der Hauptfehler unserer Zivilisation besteht?«

»Worin?«, murmelte ich, ohne mich schon entschieden zu haben, das Geld anzunehmen.

Stasj steckte mir das Bundel in die Hosentasche und fuhr fort: »Wir sind eine mannlich dominierte Gesellschaft. Das kam dadurch, dass die Frauen den Zeitsprung nicht aushalten. Sie wurden zu ›Gepackstucken‹ in Anabiosebehaltern degradiert. Eine Dummheit, ein Zufall, ein Scherz der Natur — aber unsere Zivilisation entwickelt sich ausschlie?lich nach dem mannlichen Typus. Wir sind alle sehr logisch, ernsthaft, in Ma?en aggressiv und abenteuerlustig. Gut und gerecht… im Rahmen unserer Logik. Und das ist ein Fehler. Gerade aus diesem Grund existiert dein unglucklicher Karijer, wo es fur die Burger ein gesetzlich garantiertes Sterberecht gibt. Gerade aus diesem Grund nahm der Taxifahrer einerseits gro?herzig kein Trinkgeld von dir, wohl wissend, dass ein Jugendlicher, eigentlich noch ein Kind, fast kein Geld und absolut keine Chancen hat, Geld zu verdienen. Andererseits dachte er aber gar nicht daran, ganz auf die Bezahlung zu verzichten. Gerade aus diesem Grund, dummer, kleiner Tikkirej, chauffieren dich Lions Eltern, laden dich zum Grillen ein, aber denken gar nicht daran, fur dich eine befristete Vormundschaft einzurichten und dir zu helfen, dich ein halbes Jahr uber Wasser zu halten. Wir handeln logisch, Tikkirej.«

»Aber das ist doch normal!«, rief ich aus. »Kapitan Stasj, es ist wirklich ein schweres Leben bei uns auf Karijer! Und der Taxifahrer arbeitet! Und die Eltern von Lion haben ihre eigenen Probleme und selber drei Kinder! Und aus welchem Grund sollten sie etwas fur mich tun?«

Stasj nickte und lachelte sehr traurig.

»Richtig, Tikkirej. Genau das will ich ja damit sagen. Die gro?en Aufstande der Feministinnen, die dunkle Epoche des Matriarchats — all das endete mit dem Beginn der Ara interstellarer Raumfluge. Und das ist gut so, Extreme sind schlecht. Aber wir fielen von einem Extrem ins andere: von einer stabil-emotionalen Zivilisation in eine expansiv-logische Zivilisation. Und deshalb… deshalb, Tikkirej, lass uns annehmen, dass du mir wirklich au?erordentlich geholfen hast. Du hast dein Geld ehrlich verdient.«

Ich versuchte, etwas zu sagen, aber er schob mich sanft zur Tur und sagte: »Viel Erfolg, Tikkirej. Morgen fliege ich ab. Etwas ist bei mir schiefgelaufen, wie schade…«

»Vielleicht werde ich Ihnen noch bei irgendetwas helfen konnen…«, maulte ich. Alles war falsch! Nichts war in Ordnung! Warum hatte er mir so viel Geld gegeben? Und warum flog er ab?

»Nein, Tikkirej. Danke, es ist nicht notig. Hochstens…« Stasj verzog das Gesicht. »Wei?t du, ich wurde dir ernsthaft raten, einen anderen Planeten zu suchen. Ich wei? auch nicht, warum. Halt das fur die Intuition eines… Dshedai.« Er lachelte: »Viel Gluck!«

Ich ging hinaus und Stasj verschloss hinter mir die Tur.

Eine Minute lang stand ich auf der Schwelle, schaute auf die Sterne und versuchte zu verstehen, warum alles im Leben schieflauft. Wenn Stasj Recht hat, dann ist unsere ganze Welt falsch, und zwar nur deshalb, weil die Frauen keinen Zeitsprung aushalten. Wenn man es sich uberlegt, dass es so eine Bedeutung haben soll… Es gibt doch die Anabiose… Vielleicht sind es wirklich nur Spinner, all diese Ritter des Avalon?

Der Packen unverdienten Geldes brannte mir in der Hosentasche. Vielleicht sollte ich einen Schein herausziehen und den Rest unter die Tur zuruckschieben.

Aber das konnte ich nicht. Denn in einem hatte Stasj Recht: Niemand weiter wird mich so unterstutzen. Helfen wird man mir wie die Kosmonauten der Kljasma, wie der Taxifahrer, wie der Barkeeper auf dem Kosmodrom. Aber einfach so, gegen jede Vernunft einen Haufen Geld zu schenken — aber nicht doch…

In meinem Hals steckte ein dicker Klo?. Ich zog die Nase hoch, machte die Tasche zu und ging zu meinem Hauschen.

In diesem Augenblick sah ich eine Gestalt im Halbdunkel stehen. Ebendiesen Kerl, der nach mir eingecheckt hatte und heute in Stasj’ Cottage eingedrungen war. Den Lion nicht gesehen hatte…

Es sah ganz danach aus, als ob der Dieb davon uberzeugt war, dass auch ich ihn nicht sehen wurde. Auf alle Falle zeigte sein Gesicht Erstaunen, als ich innehielt und ihn anschaute.

Aber nur eine Sekunde lang.

Diese Sekunde reichte mir, um aufzuschreien, denn in der Hand des Banditen blinkte schwach Metall auf, und ich erriet, dass er gleich auf mich schie?en wurde.

Und dieser Schrei genugte, um mich zu retten. Denn die Nacht wurde zum Tag und uber meiner Schulter schoss eine blendend wei?e Schlange nach vorn.

Der Kerl, der auf mich schie?en wollte, begann ebenfalls zu schreien. Die dampfende wei?e Schlange verbrannte seinen Arm und die Hand mitsamt der Pistole fiel ins nasse Gras.

Die Feuerschnur tanzte weiter, als ob sie ihn in einen Kafig einschlie?en wollte, der ihm nicht erlaubte, auch nur einen Schritt zu tun.

Meine Beine trugen mich nicht mehr und ich setzte mich auf die warmen Pflastersteine. Stasj trat aus der Tur des Cottage — die Schlange begann irgendwo an seiner Hand und schlangelte sich wie ein lebendiges Wesen um den Banditen.

»Und da behaupten Sie noch, dass sie keine Schlangenschwerter benutzen…«, sagte ich recht laut. Und mich erfullte Dunkelheit.

Der Bandit befand sich in einer Zimmerecke — an die Wand geklebt. Er war vollstandig nackt — die Kleidung und ein Haufen geheimnisvoll aussehender Technik lagen in der Ecke. Ich wusste gar nicht, dass es einen Kleber gibt, der so schnell trocknet und so fest halt. Der Bandit verlor einige Male das Bewusstsein, kippte nach unten, aber die an der Wand festgeklebten Haare und der Rucken hielten ihn aufrecht.

Stasj tatschelte meine Wangen und fragte:

»Wieder da?«

»Entschuldigen Sie«, erwiderte ich, »ich wei? nicht, was mit mir los ist. Ich bin noch niemals ohnmachtig geworden.«

»Ich habe dich abgeschaltet«, sagte Stasj, »es war ungefahrlicher fur dich, auf dem Boden zu liegen.«

»Das habe ich gar nicht gemerkt«, au?erte ich unglaubig.

»Das solltest du auch nicht merken.«

Der Bandit fiel erneut in Ohnmacht, hing an der Wand, krummte sich vor Schmerzen und richtete sich wieder auf. Er schwieg, obwohl es ihm bestimmt wehtat — an Stelle der rechten Hand war nur noch ein Stumpf. Es blutete nicht: Das Feuer hatte wahrscheinlich alle Gefa?e verschwei?t. Stucke des schonen Blumenhemdes waren im Armel verschmolzen und als schwarze Fransen in den Stumpf eingebrannt. Ich wandte mich ab.

»Geh nach Hause, Tikkirej«, sagte Stasj sanft. »Jetzt hast du wirklich dein Geld verdient.«

»Er ist es, der heute bei Ihnen eingedrungen war«, flusterte ich.

»Ich wei?. Geh, mein Junge.«

Ich erhob mich und fragte trotz allem: »Was werden Sie mit ihm machen?«

»Wir werden uns unterhalten…«, antwortete Stasj.

»Die Polizei muss benachrichtigt werden… ein Arzt muss gerufen werden.«

»Naturlich. Ich werde das auch machen. Geh.«

Ich schaute ihm in die Augen und meinte: »Stasj, Sie belugen mich.«

Der Kapitan atmete horbar ein und rieb sich die Wange.

»Tikkirej, ich bin sehr mude, ich habe uberhaupt keine Zeit, und ich verstehe immer noch nicht, was vor sich geht. Dieser Mensch ist ein professioneller Spion. Kein Killer, sonst wurdest du nicht mehr leben, aber er hat getotet. Tikkirej, lass mich meine Aufgabe erledigen. Okay?«

Ich machte kehrt. Er hatte Recht. Mogen diese Ritter-Phagen auch eigenartig sein, das Imperium erklart sie ja nicht fur au?erhalb des Gesetzes stehend. Kapitan Stasj hat sicherlich gro?ere Kompetenzen als ein beliebiger Polizist auf diesem Planeten.

»Du hattest Gluck, Phag«, sagte der Bandit plotzlich, »du hattest einfach zufallig Gluck.«

Seine Stimme war fast normal, wie bei einem gesunden und selbstbewussten Menschen. Ich ging schon auf die Tur zu, hielt es aber nicht aus und blieb stehen. Stasj warf einen kurzen Blick auf mich, sagte aber nichts.

»Meine Tatigkeit besteht gerade darin, das Gluck zu nutzen«, au?erte Stasj, »bei dir scheint es umgekehrt zu sein. Wirst du reden?«

»Vielleicht soll ich auch noch tanzen?« Der Bandit grinste.

»Lass es sein, du hast ein schlechtes Taktgefuhl.«

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