Geschaftsmann, einen reichen jungen Dandy und eine kinderreiche Mutter. Alle besa?en gewohnliche Shunts der Mittelklasse.«
Ich schwieg und fand keine Erwiderung. Lion atmete regelma?ig. Die Decke, in die er eingewickelt war, rutschte herunter. Da bemerkte ich, dass auch er eingenasst hatte.
»Kapitan Stasj, horen Sie, Lion… also, er…«
»Ich wei?. Ich konnte es spuren, als ich ihn trug«, au?erte Stasj ironisch.
»Nein, das meine ich nicht! Das ist doch wie bei der Arbeit in Dauerbetrieb! Verstehen Sie? Als ich das erste Mal angeschlossen wurde, als Test, ging es mir genauso. Und wenn man in der Flasche liegt, wo man sich nicht unter Kontrolle hat, ist sogar alles speziell dafur hergerichtet, damit…«
Stasj warf mir schnell einen Blick zu und konzentrierte sich dann wieder aufs Fahren. Dann meinte er: »Konnte sein. Aber wo hast du hier einen Onlineanschluss, Tikkirej?«
»Keine Ahnung. Aber das ist Arbeit in Dauerbetrieb!«, bekraftigte ich. »Ich habe das mitgemacht, ich bin mir sicher!«
»Wei?t du, mir gefallt deine Hartnackigkeit«, sagte Stasj gedankenverloren, »aber was kann man auch von einem Jungen, der vor der Zwangsarbeit fluchtete und die herzlosen Kommerzkosmonauten erweichte, anderes erwarten?«
Das Kompliment war zweischneidig, aber ich fuhlte mich geehrt.
»Wir sind da«, sagte Stasj und stoppte den Bus vor einem ganz kleinen Raumschiff mit einem Durchmesser von vielleicht zehn Metern.
»Ich dachte, Sie hatten ein gro?es Raumschiff«, konnte ich mich nicht zuruckhalten.
»Die superkleinen Raumschiffe ermoglichen die Navigation durch einen Einzelnen«, erklarte Stasj, »ohne Module, verstehst du?«
Ich zuckte zusammen. Ich hatte gar nicht daran gedacht, dass — wenn Stasj sein eigenes Raumschiff hatte — dort auch »Gehirne in der Flasche« sein mussten!
»Ich habe keine Module«, meinte Stasj rucksichtsvoll, »entspann dich. Im Notfall konnen einige Menschen in Dauerbetrieb gehen, aber normalerweise ist das nicht notwendig. Je kleiner das Schiff ist, desto einfacher ist der mathematische Navigationsapparat im Zeittunnel.«
Am Raumschiff offnete sich eine Luke. Wir betraten die winzige Schleusenkammer, Stasj schloss sofort die Luke, bewegte seinen Kopf — und an den Wanden lebten die verschiedensten Gerate auf. Er hatte wirklich einen Funkadapter.
»Ich verspreche keinen Komfort, aber dafur verschwinden wir«, sagte Stasj. »Aber was machen wir mit deinem Freund…?«
»Verfugen Sie uber Gerate zur Kontrolle seines Gehirns?«, fragte ich.
»Zur Feststellung einer Arbeit im Dauerbetrieb?«, konkretisierte Stasj.
Ich nickte.
»Tikkirej, unsere Zeit ist wahrscheinlich au?erst begrenzt…«, begann Stasj. Dann winkte er ab und trug Lion zu einer der Turen.
Dort befand sich der Navigationsraum — ebenfalls klein, mit drei Sitzen vor dem Pult. Hinter den Sesseln sah man eine kleine Nische, die nicht einmal mit einer Wand abgeteilt war. Und in ihr befanden sich zwei halbdurchsichtige Zylinder aus dunklem Glas mit den bekannten Betten.
Ich begann sofort zu zittern.
»Entschuldige,aberdasistdieeinfachste Diagnosemoglichkeit«, stie? Stasj heraus. Er offnete einen Zylinder, legte Lion hinein, holte ein Kabel und schloss es an Lions Neuroshunt an.
Ich wartete schweigend, schaute auf den Freund und biss die Zahne zusammen. Er hatte mich noch darum beneidet, dass ich auf Dauerbetrieb war, dieser Dummkopf!
»Komm her, Tikkirej«, rief mich Stasj, »schau dir das an…«
Am Kopfende des Bettes leuchtete ein kleiner Bildschirm. Ich verstand keines der Symbole und Stasj erlauterte:
»Sein Gehirn arbeitet. Ich wurde nicht riskieren, das als Dauerbetrieb zu bezeichnen, da er ja isoliert arbeitet, aber die Struktur ist der von Onlineoperationen sehr ahnlich.«
»Und was verarbeitet er?«
Stasj zuckte mit den Schultern.
»Wenn man das wusste… Wir werden jetzt die Belastung messen.«
Seine Finger glitten uber die Sensoren.
»Er ist intensiv tatig«, meinte Stasj einigerma?en erstaunt, »oho, wie die Glukose abgefallen ist… dein Freund ist jetzt sehr beschaftigt. Verstehst du, Tikkirej, das menschliche Gehirn arbeitet gern. Denkt gern. Bei der Arbeit im Dauerbetrieb offnet es alle seine Ressourcen fur die Datenverarbeitung. Der Nachteil besteht darin, dass es dabei keinerlei Entscheidungen trifft, und die Gebiete, die fur den Prozess der Zielbestimmung verantwortlich sind, erweisen sich als uberflussig. Und beginnen abzusterben als etwas Unnotiges, wandeln sich um… Teufel!«
Er verstummte und schaute auf die Indikatoren.
»Was ist passiert?«, fragte ich klaglich.
»Tikkirej, das ist nicht nur Dauerbetrieb, das ist ein Wasserfall…«
»Geht es ihm schlecht?«
»Er hat gro?es Pech.«
Stasj nahm meine Hand: »Er arbeitet um drei Ordnungen intensiver als unter Dauerbetrieb. Nun ja, er muss ja auch keine Informationen mit der Au?enwelt austauschen. Tikkirej, in einigen Stunden wird dein Freund hilflos sein wie ein Mensch nach zwei bis drei Jahren unter Dauerbetrieb.«
»Kapitan Stasj…«
»Seit vierzig Jahren bin ich Stasj. Tikkirej, ich wei? nicht, was wir machen sollen.«
»Kann man ihn bremsen? Beruhigen?«
»Er schlaft ja schon, Tikkirej. Um die Arbeit des Gehirns zu unterbrechen, musste man ihn toten.«
»Anabiose!«, rief ich, »haben Sie eine Kammer?«
»Ja. Aber auf die Anabiose muss man sich fast einen Tag lang vorbereiten. Man kann ihn nicht einfrieren.«
Hier merkte ich selbst, dass ich einen blodsinnigen Vorschlag gemacht hatte. Damit ein Mensch die Anabiose uberlebt, damit er nicht mit »Eiszapfen an den Wimpern« herumliegt, muss das gesamte Wasser im Organismus gebunden werden, indem man es mit speziellen Zusatzen versieht. Auf die Anabiose bereitete man sich mindestens zehn Stunden lang vor.
»Also dann wird er schwachsinnig?«, fragte ich.
»Er wird so, wie ihn Inej braucht.« Stasj richtete sich auf und breitete die Arme aus: »Das ist etwas anderes. Die Veranderung des Bewusstseins ist dem Dauerbetrieb ahnlich, aber doch anders.«
Ich streichelte Lions Hand, sah Stasj an und bat: »Schlie?en Sie ihn auf Dauerbetrieb an und uberhaufen Sie ihn mit Rechenoperationen. Irgendwelchen.«
»Wie bitte?«, Stasj verdusterte sich.
»Vielleicht wird die eine Aufgabe die andere verdrangen?«
Stasj wich zuruck und schaute mit leichtem Zweifel auf Lion.
»Und wenn ihn das umbringt? Bist du bereit, fur deinen Freund zu entscheiden?«
»Ich bin bereit«, bestatigte ich, und das waren die schwerwiegendsten Worte, die ich jemals ausgesprochen hatte.
»Tikkirej, ich habe bisher noch niemals mit Modulen gearbeitet…« Stasj hob die Hande. »Kannst du ihn festschnallen?«
»Sicher. Ich habe selbst so dagelegen.«
Nach einigen Minuten war Lion von einer durchsichtigen Haube bedeckt. Stasj setzte sich ans Steuerpult und schloss lassig sein eigenes Kabel an. Das Schiff schien zu erbeben — mit einem Mal begannen alle bis dahin ruhenden Gerate zu funktionieren. Stasj’ Augen schienen wie von einem Tuch verhullt zu sein — jetzt war er das Schiff, fuhlte jeden Gerateblock, jedes Kabel und jeden Prozessor.
»Setz dich, schnall dich an, schlie? das Kabel an«, sprach Stasj langsam und gepresst, »wir bereiten uns auf den Start vor, Tikkirej.«