Mehrere Tage lang zogen die Wanderer geradeaus nach Suden. Die Farmen wurden immer seltener, bis uberhaupt keine mehr zu sehen war. Ringsum dehnte sich die Steppe, soweit das Auge reichte. Selbst das Wild war in diesem oden Land selten, und der Lowe wu?te nachts lange suchen, bis er etwas erbeutete. Totoschka konnte seinen gro?en Freund auf den langen Ausflugen nicht begleiten. Doch dieser verga? ihn nicht und brachte ihm stets ein Stuck Fleisch in den Zahnen mit.

Die Wanderer scheuten keine Strapazen und setzten ihren Weg unbeirrt fort.

Eines Tages kamen sie um die Mittagszeit an einen breiten Strom mit niedrigen Ufern, die mit Weiden bestanden waren. Die Freunde blickten sich besorgt an.

«Sollen wir ein Flo? bauen?» fragte der Eiserne Holzfaller.

Der Scheuch verzog das Gesicht zu einer Grimasse, denn er hatte das Abenteuer auf dem Flu? nicht vergessen.

«Es ware wohl besser, wenn die Fliegenden Affen uns hinubertrugen», brummte er. «Wenn ich wieder mitten im Flu? steckenbleibe, so wird mir niemand helfen, denn hier gibt es doch keine Storche.»

Elli war aber anderer Meinung. Sie wollte den letzten Wunsch, den ihr der Goldene Hut gewahrte, nicht vertun, weil man nicht wissen konnte, welche Schwierigkeiten ihnen noch bevorstanden und welchen Empfang ihnen Stella bereiten wurde.

Der Eiserne Holzfaller baute bis zum Abend an einem Flo?, das die Wanderer bestiegen. Der Scheuch handhabte vorsichtig die Ruderstange und hielt sich weit vom Rande des Flo?es. Dafur arbeitete der Eiserne Holzfaller mit aller Kraft. Der Flu? war seicht und ruhig, und die Freunde kamen wohlbehalten ans andere Ufer, das flach und trostlos dalag.

«Wie ode es hier ist!» rief der Lowe und rumpfte die Nase.

«Hier konnen wir nicht ubernachten», sagte Elli. «La?t uns weiterziehen.»

Die Wanderer hatten kaum tausend Schritte gemacht, als sie sich wieder vor einem Wasser sahen. Es war klar, da? sie sich auf einer Insel befanden.

«Schlimm!» sagte der Scheuch, «sehr schlimm! Da mussen wir die Fliegenden Affen rufen, pikapu, trikapu!»

Elli aber dachte anders. Am Morgen, meinte sie, wurde man mit dem Flo? die Insel umfahren konnen, und es sei daher besser, hier zu ubernachten, da es sowieso schon spat sei. Die Gefahrten bereiteten ihr aus trockenem Gras ein ertragliches Lager, und nach dem Abendbrot legte sie sich unter dem Schutz ihrer Freunde schlafen.

Der Lowe und Totoschka gingen mit leerem Magen zur Ruhe. Sie fanden sich aber damit ab und schliefen gleichfalls ein.

Der Scheuch und der Holzfaller wachten neben den Gefahrten und schauten auf das Ufer. Obwohl der eine jetzt ein Gehirn und der andere ein Herz hatte, wurden sie niemals mude und brauchten keinen Schlaf.

Zunachst blieb alles ruhig. Doch dann erhellte plotzlich ein Blitz den Horizont, dann noch einer und wieder einer… Der Eiserne Holzfaller schuttelte besorgt den Kopf. In Goodwins Land waren die Gewitter selten, aber sehr heftig. Der Donner war noch nicht zu horen, doch im Osten verfinsterte sich schnell der Himmel, und Wolken ballten sich zusammen, durch die immer ofter Blitze zuckten. Der Scheuch starrte verstandnislos zum Himmel.

«Was ist denn dort los?» fragte er. «Zundet Goodwin vielleicht Streichholzer an?»

Der Scheuch hatte in seinem kurzen Leben noch kein Gewitter gesehen.

«Es wird einen starken Regen geben», erwiderte der Eiserne Holzfaller.

«Regen? Was ist denn das?» fragte der Scheuch besorgt.

«Wasser, das vom Himmel fallt. Der Regen kann uns beiden schaden: Dir wird er die Farben wegwaschen, und ich werde verrosten.»

«Ach, ach, ach», jammerte der Scheuch, «wir mussen Elli wecken.»

«Das hat Zeit», sagte der Holzfaller, «ich will sie nicht beunruhigen, sie war ja so mude heute. Vielleicht wird das Gewitter voruberziehen.»

Das Gewitter kam aber immer naher. Bald war der halbe Himmel von schwarzen Wolken bedeckt, durch die in einem fort Blitze zuckten, und in der Ferne grollte der Donner.

«Was ist denn das fur ein Larm?» fragte der Scheuch angstlich.

Der Eiserne Holzfaller hatte jedoch keine Zeit, es ihm zu erklaren.

«Schlimm», rief er und weckte Elli.

«Was ist geschehen?» fragte sie, die Augen aufschlagend.

«Ein entsetzliches Gewitter naht!» rief der Holzfaller.

Da erwachte auch der Lowe, der die Gefahr sofort erkannte.

«Ruf schnell die Fliegenden Affen, sonst ist's um uns geschehen», brullte er.

Elli, der die Knie schlotterten, sprach die Zauberworte:

«Bambara, tschufara…»

Im selben Augenblick ri? ihr ein Windsto? den Goldenen Hut vom Kopf und hob ihn wie einen glitzernden Stern in die finstere Hohe, wo er im Nu verschwand. Elli brach in Schluchzen aus; das im krachenden Donner unterging.

«La? das Weinen, Elli», brullte ihr der Lowe ins Ohr. «Hast du denn vergessen, da? ich jetzt der Tapferste unter den Tieren der Welt bin?»

«Und da? ich ein fabelhaftes Gehirn mit gro?artigen Gedanken besitze?» rief der Scheuch.

«Und ich ein Herz, das nicht dulden wird, da? dir etwas geschieht, Elli», fugte der Eiserne Holzfaller hinzu. Die drei stellten sich schutzend vor sie, bereit, dem Sturm zu begegnen.

Dieser lie? auch nicht lange auf sich warten. Ein heftiger Wind brauste heran, und es begann in Stromen zu regnen. Schwere Tropfen klatschten schmerzhaft gegen des Lowen und Ellis Gesicht. Der Lowe wandte sich mit dem Rucken zum Wind, streckte die Tatzen aus und beugte sich vor, so da? er eine Art Schutzdach bildete, das Elli und Totoschka vor dem schragen Regen schutzte.

Der Eiserne Holzfaller griff nach seiner Olkanne, zog aber die Hand sogleich zuruck, denn bei diesem Gu? hatte er ein Fa? voll Ol gebraucht. um sich vor Rost au bewahren.

Der Scheuch, der im Nu durchna?t war, sah sehr elend aus. Mit seinen weichen, ungeschickten Handen bedeckte er sein Gesicht, um die Farben darauf zu schutzen

«Also das ist der Regen!» brummte er. «Wenn anstandige Leute baden wollen, gehen sie ins Wasser, sie haben es gar nicht notig, sich von oben begie?en zu lassen. Sobald ich in die Smaragdenstadt zuruckkehre, werde ich den Regen gesetzlich verbieten!»

Das Gewitter hielt bis zum Morgen an. Bei Sonnenaufgang sahen die Wanderer mit Entsetzen, wie die schaumenden Wellen sich uber die Insel walzten.

«Wir ertrinken!» schrie der Scheuch und bedeckte mit der Hand seine verwaschenen Augen.

«Haltet euch fest!» rief der Eiserne Holzfaller laut, um Sturm und Wellen zu ubertonen, «haltet euch an mir!»

Er stemmte die Beine in den sandigen Boden und stutzte sich auf die Axt. In dieser Stellung war er unerschutterlich wie ein Felsen. Der Scheuch, Elli und der Lowe klammerten sich mit aller Kraft an ihn.

Die erste Welle brauste tosend uber sie hinweg. Als sie voruber war, stand der Holzfaller mitten im Wasser. Die Gefahrten hielten sich an ihm mit dem Mut der Verzweiflung. Der eiserne Mann rostete sofort ein, und jetzt konnte kein Sturm ihn von der Stelle bewegen. Sehr schwer hatten es die anderen. Der leichte Scheuch lag oben auf den Wellen, die ihn wie einen Ball hin und her warfen. Der Lowe stand auf den Hinterbeinen und spuckte Wasser. Elli zappelte, von Entsetzen gepackt, in der Flut.

Der Lowe sah, da? sie nahe am Ertrinken war.

«Setz dich auf meinen Rucken, ich trag dich ans andere Ufer», stie? er keuchend hervor und lie? sich auf alle viere nieder.

Mit den letzten Kraften hob sich das Madchen auf den Rucken des Lowen und ergriff mit der Rechten seine nasse zottige Mahne, wahrend es mit der Linken Totoschka an sich druckte.

«Lebt wohl, Freunde!» rief der Lowe und stie? sich vom Eisernen Holzfaller ab. Mit seinen machtigen Tatzen bahnte er sich einen Weg durch die Wellen.

«…bewohl!…» horten sie noch schwach die Stimme des Scheuchs, wahrend der Eiserne Holzfaller im Dunst verschwand.

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