«Oh, mit Vergnugen, mit gro?tem Vergnugen!» brullten die Tiere im Chor.
«Ich geh mich schlagen», erklarte der Lowe. «Schutz meine Freunde, solange ich weg bin. Wo befindet sich das Ungeheuer?»
Der Tiger wies ihm die Richtung. «Geh diesen Pfad entlang bis zu den gro?en Eichen. Dort verdaut die Spinne gerade einen Buffel, den sie am Morgen gefressen hat.»
Der Lowe ging in die genannte Richtung und kam an eine kleine Lichtung, die von umgesturzten Baumen umgeben war. Die Spinne war noch gra?licher anzusehen als das zwolffu?ige Ungetum Goodwins. Der Lowe betrachtete voller Abscheu die riesige Spinne, deren machtige Pratzen mit schrecklichen Krallen versehen waren. Das Tier sah ungeheuer stark aus und hatte einen langen dunnen Hals.
,Das ist wohl seine schwachste Stelle', dachte der Lowe und beschlo?, sich auf das schlafende Ungeheuer zu sturzen.
Mit einem machtigen Satz sprang er auf den Rucken der Spinne und ri? ihr, noch ehe sie aus dem Schlaf erwachte, mit einem Frankenhieb den Hals entzwei, worauf er sofort zurucksprang. Der Kopf des Ungeheuers rollte zur Seite, wahrend der Rumpf mit den Krallen die Erde aufwuhlte und dann reglos liegenblieb.
Der Lowe ging zu den Tieren zuruck, die ihn mit Ungeduld erwarteten, und sagte zu ihnen:
«Von jetzt ab konnt ihr ruhig schlafen, das Ungeheuer ist tot.»
Ein Jubel brauste uber die Lichtung, und die Tiere gelobten dem Lowen ewige Treue. Dieser aber sprach:
«Ich komme wieder, sobald ich Elli nach Kansas gebracht habe. Dann werde ich euch weise und gnadig regieren.»
Die Freunde kamen ohne weitere Zwischenfalle durch den Wald, und als sie aus ihm heraustraten, sahen sie einen steilen felsigen Berg vor sich, den sie nicht umgehen konnten, weil zu beiden Seiten tiefe Abgrunde klafften.
«Es wird schwer sein, den Berg zu besteigen», sagte der Scheuch. «Aber ein Berg ist keine Ebene, und da er vor uns steht, mussen wir uber ihn hinuber!»
Er begann hinaufzuklettern, wobei er sich an den Felsen schmiegte und an jeden Vorsprung klammerte. Die anderen folgten ihm.
Sie hatten schon ein gutes Stuck geschafft, da horten sie plotzlich eine raube Stimme:
«Zuruck!»
«Wer ist dort?» fragte der Scheuch.
Hinter dem Felsen lugte ein wunderlicher Kopf hervor.
«Das ist unser Berg, und niemand darf da hinuber!»
«Aber wir mussen doch uber den Berg», entgegnete der Scheuch hoflich. «Wir ziehen in Stellas Land, und einen anderen Weg gibt es doch nicht!»
«Ziehen konnt ihr, aber hinuber kommt ihr nicht!»
Auf den Felsen sprang kichernd ein kleines dickliches Mannlein mit einem gro?en Kopf auf einem kurzen Hals, das mit seinen ungeheuren Fausten den Wanderern drohte. Es schien nicht allzu kraftig zu sein, und der Scheuch kletterte mutig weiter.
Doch da geschah etwas Unerwartetes. Das wunderliche Mannlein stie? sich mit beiden Fu?en von der Erde ab, flog wie ein Gummiball in die Luft und schlug mit Kopf und
Fausten gegen die Brust des Scheuchs. Dieser purzelte vom Berg hinab, und das Mannlein, das nun wieder auf den Fu?en stand, brach in schallendes Gelachter aus.
«Ha-ha-ha! Jetzt wi?t ihr, was euch bei uns, den Springern, bluht.»
Wie auf ein Zeichen sprangen von allen Seiten Hunderte ebensolcher Mannlein hervor.
«Ha-ha-ha! Versucht doch, hinuberzukommen!» riefen sie durcheinander.
Eine ungeheure Wut packte den Lowen. Er stie? ein drohendes Gebrull aus und warf sich, mit dem Schwanz die Flanken peitschend, dem Mannlein entgegen. Da sprangen mehrere von ihnen gleichzeitig in die Luft und stie?en ihre flachen Schadel und starken Fauste mit solcher Wucht gegen den Lowen, da? dieser den Hang hinunterrollte und vor Schmerz wie ein ganz gewohnliches Katzchen zu miauen begann. Verstort richtete er sich wieder auf und hinkte vom Fu? des Berges hinweg.
Der Eiserne Holzfaller fuchtelte mit der Axt, prufte die Geschmeidigkeit seiner Gelenke und kroch entschlossen den Berg hinauf.
«Zuruck, zuruck!» schrie Elli weinend und f a?te ihn an der Hand. «Du wirst dir das Genick brechen. Wie sollen wir dich dann in diesem oden Land wieder flicken?»
Ellis Tranen veranla?ten den Holzfaller umzukehren.
«La?t uns die Fliegenden Affen rufen», schlug der Scheuch vor. «Ohne sie schaffen wir's nicht, pikapu, trikapu!»
Elli seufzte:
«Wenn uns Stella unfreundlich begegnet, werden wir schutzlos dastehen…»
Da lie? sich Totoschka horen:
«Als kluger Hund schame ich mich, es einzugestehen, aber die Wahrheit la?t sich nicht verbergen: Wir beide sind doch schrecklich dumm, Elli!»
«Wieso?» fragte Elli verwundert.
«Ich will's dir sagen. Als der Anfuhrer der Affen uns durch die Luft trug, erzahlte er uns die Geschichte von dem Goldenen Hut…Den Hut kann man doch weitergeben, nicht wahr?»
«Na und?» Elli begriff noch immer nicht.
«Nach dem dritten und letzten Wunsch, den der Goldene Hut dir gewahrt, kannst du diesen doch an den Scheuch weitergeben, dem dann wieder drei Wunsche zustehen.»
«Hurra, hurra», schrien alle begeistert. «Totoschka, du bist unser Retter.»
«Schade, da? dieser glanzende Gedanke mir nicht fruher kam», wehrte das Hundchen bescheiden ab. «Dann hatten wir unter dem Hochwasser nicht leiden mussen…»
«Das stimmt», sagte Elli. «Aber was vorbei ist, ist vorbei.»
«Gestattet mir, mal nachzurechnen», mischte sich der Scheuch ein. «…drei und drei und drei…», — er bog die Finger um und zahlte lange. «Das hei?t, das ich, der Holzfaller und der Lowe den Fliegenden Affen noch neun Befehle erteilen konnen!»
«Und mich hast du vergessen?» rief Totoschka gekrankt. «Ich darf doch auch den Goldenen Hut besitzen.»
«Ich hab dich nicht vergessen», seufzte der Scheuch, «aber leider kann ich nur bis zehn zahlen.»
«Das ist furchtbar unangenehm fur einen Herrscher», bemerkte der Holzfaller ernst. «Ich werde dir das Zahlen. in meiner Freizeit beibringen mussen.»
Nun konnte Elli unbekummert ihren letzten Wunsch verausgaben. Sie sprach die Zauberworte, die der Scheuch, vor Freude tanzelnd, wiederholte. Dabei drohe er den kampflustigen Springern mit der Faust.
Das Rudel Affen kam rauschend angeflogen.
«Was befiehlt Ihr, Herrin des Goldenen Hutes?» fragte der Anfuhrer.
«Tragt uns zu Stellas Schlo?», sagte Elli.
«Es soll geschehen!»
Im Handumdrehen fuhlten sich die Wanderer hochgehoben.
Als sie uber den Berg flogen, schnitt der Scheuch den Springern schreckliche Gesichter und schimpfte wie ein Kesselflicker. Die Mannlein sprangen in die Luft, konnten aber die Affen nicht erreichen und schaumten vor Wut.
Bald lagen der Berg und das ganze Land der Springer weit zuruck, und den Wanderern bot sich ein herrlicher Ausblick auf das fruchtbare Land der Schwatzer, in dem die gute
Zauberin Stella regierte.
Die Schwatzer waren freundliche und flei?ige Menschen. Ihr einziger Fehler bestand darin, da? sie fur ihr