Leben gern schwatzten. Selbst wenn sie allein waren, fuhrten sie stun- denlang Selbstgesprache. Stella, die machtige Zauberin, konnte ihnen das Schwatzen nicht abgewohnen. Einmal nahm sie ihnen sogar die Sprache, doch die Leute fanden schnell

einen Ausweg. Sie begannen sich durch Zeichen zu verstandigen und trieben sich tagelang gestikulierend auf den Stra?en und Platzen herum. Stella sah ein, da? sie gegen dieses

Ubel machtlos sei, und gab den Schwatzern die Sprache zuruck.

Rosa war die Lieblingsfarbe dieses Volkes. Bei den Kauern war es, wie Ihr wisset, die

blaue, bei den Zwinkerern die violette und in der Smaragdenstadt die grune Farbe. Im

Lande der Schwatzer waren die Hauser und Zaune rosarot angestrichen, und die Einwohner trugen rosa Kleider.

Die Affen setzten Elli und ihre Gefahrten vor Stellas Schlo? ab, an dem drei schone Madchen Wache standen. Mit angstvollem Staunen blickten sie auf das Fliegende Rudel.

«Leb wohl, Elli», verabschiedete sich der Anfuhrer freundlich. «Heute haben wir dir zum letztenmal gedient.

«Lebt «Lebt wohl, lebt wohl», rief Elli, «habt vielen Dank!»

Die Affen flogen rauschend und lachend davon.

«Freut euch nicht allzusehr!» schrie ihnen der Scheuch nach. «Das nachste Mal wird euch ein anderer befehlen, und den sollt ihr nicht so einfach loswerden.»

«Konnen wir Stella, die gute Zauberin, sehen?» fragte Elli stockenden Herzens die Madchen von der Wache.

«Sagt, wer ihr seid und was euch herfuhrt, dann werde ich euch anmelden», erwiderte die Alteste.

Elli sagte ihr Bescheid, und das Madchen ging Meldung erstatten. Die anderen begannen die Wanderer auszufragen, aber noch ehe diese zur Antwort kamen, war das erste Madchen wieder da.

«Stella la?t euch ins Schlo? bitten.»

Elli wusch sich, der Scheuch sauberte sein Kleid, der Eiserne Holzfaller schmierte sich die Gelenke ein und polierte sie sorgfaltig mit Lappen und Schmirgel, und der Lowe schuttelte sich so, da? er eine Menge Staub aufwirbelte. Die funf bekamen ein ausgiebiges Essen und wurden dann in einen reich geschmuckten rosa Saal gefuhrt, wo die Zauberin Stella auf einem Thron sa?. Sie war sehr schon und sah gutig und ungewohnlich jung aus, obwohl sie seit Jahrhunderten das Land der Schwatzer regierte. Stella lachelte den Eintretenden freundlich zu, bat sie Platz zu nehmen und sprach, zu Elli gewandt:

«Erzahl deine Geschichte, liebes Kind!»

Elli begann ausfuhrlich zu erzahlen. Stella und ihre Hoflinge horten ihr gespannt und teilnahmsvoll zu.

«Und was willst du von mir, liebes Kind?» fragte Stella, als Elli mit ihrer Geschichte zu Ende war.

«Helft mir nach Kansas zuruckkehren, zu Vater und Mutter. Wenn ich daran denke, wie sie um mich trauern, so verkrampft sich mir das Herz vor Schmerz und Kummer.»

«Du hast aber doch eben gesagt, da? Kansas eine ode, graue und staubige Steppe ist. Und hier — schau, wie schon wir es hier haben!»

«Ich lieb aber Kansas mehr als Ihr schones Land!» erwiderte Elli leidenschaftlich. «Kansas ist meine Heimat.»

«Dein Wunsch soll erfullt werden, doch mu?t du mir den Goldenen Hut geben.»

«Mit Vergnugen, Frau Zauberin. Ich wollte ihn dem Scheuch geben, aber ich wei?, da? Ihr ihn besser zu nutzen wissen werdet als er.»

«Ich werde ihn so nutzen, da? seine Zauberkraft deinen Freunden zugute kommt», sagte Stella. Und zum Scheuch gewandt: «Was gedenkt Ihr zu tun, wenn Elli nicht mehr bei Euch sein wird?»

«Ich will in die Smaragdenstadt zuruckkehren», sagte der Scheuch mit Wurde. «Goodwin hat mich zum Herrscher dieser Stadt ernannt, und ein Herrscher mu? dort leben, wo er regiert. Kann ich vielleicht die Smaragdenstadt regieren, wenn ich im Rosa Land bleibe? Allerdings mache ich mir Sorgen wegen des Ruckweges durch das Land der Springer und uber den Flu?, in dem ich beinahe ertrank.»

«Sobald ich den Goldenen Hut bekomme, ruf ich die Fliegenden Affen und befehle ihnen, Euch in die Smaragdenstadt zu tragen. Einen so wunderbaren Herrscher darf man dem Volk nicht nehmen!»

«Also bin ich wirklich wunderbar?» fragte der Scheuch strahlend.

«Mehr noch, Ihr seid einzig in Eurer Art, und ich mochte Euch meinen Freund nennen.»

Ungestum verneigte sich der Scheuch vor der guten Zauberin.

«Und was mochtet Ihr?» fragte Stella den Eisernen Holzfaller.

«Wenn Elli das Land verlassen haben wird», sagte dieser betrubt, «werd ich schrecklich traurig sein. Ich mochte ins Land der Zwinkerer, die mich zu ihrem Herrscher gewahlt haben. Dann werde ich meine Braut ins Violette Schlo? fuhren — ich bin sicher, da? sie auf mich wartet, — und die Zwinkerer regieren, die ich sehr liebgewonnen hab.»

«Auf meinen zweiten Wunsch werden die Fliegenden Affen Euch in das Land der Zwinkerer tragen. Euer Gehirn ist zwar nicht so wunderbar wie das Eures Kameraden, des Weisen Scheichs, dafur aber besitzt Ihr ein liebendes Herz und seid so glanzend von Gestalt, da? Ihr gewi? ein gro?artiger Herrscher sein werdet. Gestattet mir, auch Euch meinen Freund zu nennen.»

Der Eiserne Holzfaller verneigte sich ehrerbietig vor der Zauberin.

Stella fragte den Lowen:

«Und was wunscht Ihr?»

«Dort, wo das Land der Springer aufhort, liegt ein herrlicher jungfraulicher Wald. Seine Tiere haben mich zu ihrem Konig erkoren. Deshalb wunsch ich mir, dorthin zuruck- zukehren und den Rest meiner Tage dort zu verbringen.»

«Durch meinen dritten Wunsch an den Goldenen Hut sollt Ihr, Tapferer Lowe, zu den Tieren versetzt werden, die selbstverstandlich glucklich sein werden, einen solchen Konig zu haben. Auch auf Eure Freundschaft rechne ich.»

Der Lowe reicht Stella seine machtige Tatze, die die Zauberin freundlich druckte.

«Und dann, wenn die letzten drei Wunsche erfullt sind, will ich ihn, den Goldenen Hut, den Fliegenden Affen zuruckgeben, damit sie von niemand mehr mit Wunschen belastigtwerden, die oft sinnlos und grausam sind», meinteStella.

Alle stimmten ihr zu, da? man den Hut gar nicht besser nutzen konne, und ruhmten ihre Weisheit und Gute.

«Und wie wollt Ihr mich nach Kansas bringen, Frau Zauberin?» fragte Elli.

«Die silbernen Schuhe werden dich uber Wald und Berg tragen», erwiderte Stella. «Hattest du ihre Zauberkraft gekannt, so warst du gleich an dem Tag in deine Heimat zuruckgekehrt, an dem dein Hauschen die bose Gingema zerdruckte.»

«Aber dann hatte ich doch mein wunderbares Gehirn nicht bekommen», rief der Scheuch. «Dann hatte ich bis auf den heutigen Tag die Krahen auf dem Feld des Farmers verscheuchen mussen!»

«Und ich hatte mein liebevolles Herz nicht erhalten», sagte der Eiserne Holzfaller, «und hatte im Walde stehen und rosten mussen, bis ich zu Staub zerfallen ware.»

«Und ich ware ein Feigling geblieben», brullte der Lowe, «und niemals Konig der Tiere geworden!»

«Da habt ihr freilich recht», sagte Elli. «Und es tut mir auch gar nicht leid, da? ich so lange in Goodwins Land leben mu?te. Ich bin nur ein kleines schwaches Madelchen, aber ich hab euch stets liebgehabt und wollte euch immer helfen! Jetzt aber, wo unsere sehnlichsten Wunsche in Erfullung gegangen sind, mu? ich heimkehren, wie es im Zauberbuch Willinas steht.»

«Es schmerzt uns, von dir zu scheiden, Elli», riefen der Scheuch, der Holzfaller und der Lowe. «Aber wir segnen den Augenblick, da der Sturm dich in das Zauberland verschlagen hat. Du hast uns Freundschaft halten gelehrt, und das ist das Teuerste und Schonste auf Erden!»

Stella lachelte dem Madchen zu. Elli umarmte den gro?en Tapferen Lowen und kraulte zartlich seine zottige Mahne. Sie ku?te den Eisernen Holzfaller, und dieser weinte bittere Tranen, wobei er seine Kiefern vollig verga?. Sie streichelte den ausgestopften Scheuch und ku?te ihn auf das liebe, bemalte Gesicht…

«Die silbernen Schuhe besitzen viele wunderbare Eigenschaften. Das Wunderbarste an ihnen aber ist, da? sie dich blitzschnell bis ans Ende der Welt tragen konnen. Du brauchst blo? die Hacken zusammenzuschlagen und den Ort zu nennen…»

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