«Wenn ihr mich mitnehmt, so will ich auch in die Smaragdenstadt ziehen und den Gro?en Goodwin um ein Herz bitten. Das ist mein sehnlichster Wunsch.»

«Oh, liebe Freunde», rief Elli aus, «wie froh ich bin! Jetzt seid ihr zwei, die sehnliche Wunsche haben!»

«Komm mit uns», sagte auch der Scheuch.

Der Eiserne Holzfaller bat Elli, seine Olkanne zu fullen und in den Korb zu legen.

«Wenn's regnet, konnte ich wieder einrosten», sagte er, «und ohne die Olkanne ergeht's mir schlimm…»

Er nahm die Axt, und sie schritten nun zu viert durch den Wald auf den gelben Backsteinweg zu.

Es war fur Elli und den Scheuch ein gro?es Gluck, einen so starken und geschickten Gefahrten wie den eisernen Mann gefunden zu haben.

Als der Holzfaller sah, wie sich der Scheuch im Gehen auf seinen knorrigen Knuppel stutzte, da schnitt er einen geraden Ast von einem Baum ab und machte daraus im Handumdrehen einen Spazierstock fur den Strohmann.

Bald kamen die Wanderer zu einer Stelle, wo undurchdringliches Gestrupp ihnen den Weg versperrte. Da machte sich der Eiserne Holzfaller mit seiner riesigen Axt ans Werk, und augenblicklich lag der Weg wieder frei vor ihnen.

Elli war so sehr in Gedanken vertieft, da? sie nicht merkte, wie der Scheuch in einen Graben sturzte. Er mu?te seine Gefahrten zu Hilfe rufen.

«Warum bist du dem Graben nicht ausgewichen?» fragte der Eiserne Holzfaller.

«Das wei? ich nicht», antwortete der Scheuch offenherzig. «Siehst du, mein Kopf ist voller Stroh, und ich gehe zu Goodwin, um mir bei ihm ein bi?chen Gehirn auszubitten.»

«Soso», sagte der Holzfaller. «Ich glaube aber, ein Gehirn ist noch lange nicht das beste auf der Welt.»

«Wieso?» staunte der Scheuch. «Wie meinst du das?»

«Fruher hatte auch ich ein Gehirn», erklarte der Eiserne Holzfaller, «wenn ich aber zwischen einem Gehirn und einem Herzen zu wahlen hab, so ziehe ich das Herz vor.»

«Warum?» fragte der Scheuch.

«Hort euch meine Geschichte an, dann werdet ihr alles verstehen.»

Wahrend sie weitergingen, erzahlte der eiserne Mann:

«Ich bin Holzfaller. Als ich zu einem Jungling herangewachsen war, entschlo? ich mich zu heiraten. Ich hatte ein schones Madchen liebgewonnen und hielt um ihre Hand an. Damals war ich noch aus Fleisch und Knochen wie alle anderen Menschen. Meine Liebste lebte bei einer bosen Tante, die sie nicht fortlassen wollte, weil das Madchen fur sie arbeitete. Die Tante ging zur Zauberin Gingema und versprach ihr einen Korb voll fetter Blutegel, falls sie die Hochzeit verhindern wurde.»

«Die bose Gingema ist jetzt tot!» fiel ihm der Scheuch ins Wort.

«Wer hat sie getotet?»

«Elli. Sie kam mit ihrem Totenden Hauschen angeflogen und ging damit auf die Zauberin nieder, krak! krak!»

«Schade, da? das nicht fruher geschah», seufzte der eiserne Mann und fuhr fort: «Die Gingema hat meine Axt verhext. Sie prallte von einem Baum ab und trennte mir mein linkes Bein vom Rumpf. Ich war sehr traurig, denn ohne Bein konnte ich doch keine Baume fallen, und ging zu einem Schmied, der mir ein erstklassiges eisernes Bein machte. Gingema aber verhexte wieder meine Axt, und diese hieb mir das rechte Bein ab. Ich ging von neuem zum Schmied. Das Madchen liebte mich und war bereit, mich auch als Kruppel zu heiraten. 'Wir werden an Stiefeln und Beinkleidern viel Geld sparen', sagte sie. Die bose Hexe gab uns aber keine Ruhe. Sie wollte unbedingt ihren Korb mit den Blutegeln bekommen. Die Axt hieb mir die Arme ab, und der Schmied fertigte mir neue aus Eisen an. Dann hieb mir die Axt den Kopf ab, und ich glaubte schon, es sei um mich geschehen. Als der Schmied davon erfuhr, fertigte er fur mich einen prachtigen eisernen Kopf an. Ich arbeitete weiter, und wir liebten uns, das Madchen und ich, wie fruher…»

«Man hat dich also stuckweise zusammengefugt», stellte der Scheuch tiefsinnig fest. «Mich hat mein Herr in einem Zug gemacht…»

«Das Schlimmste stand aber bevor», fuhr der Holzfaller betrubt fort. «Als die tuckische Gingema sah, da? sie auf diese Weise nichts ausrichten kann, beschlo? sie, mir den Garaus zu machen. Sie verhexte abermals meine Axt, und diese hieb mich entzwei. Glucklicherweise kam auch das dem Schmied zu Ohren, und er fertigte mir einen eisernen Rumpf an, den er durch Scharniere mit dem Kopf, den Armen und den Beinen verband. Leider hatte ich kein Herz mehr, denn das konnte mir der Schmied nicht einsetzen. Da dachte ich, da? ein Mensch ohne Herz kein Recht habe, ein Madchen zu lieben, und ich entband meine Liebste ihres Versprechens. Seltsamerweise war das Madchen gar nicht erfreut daruber, sie sagte, da? sie mich nach wie vor liebe und warten werde, bis ich's mir uberlege. Jetzt wei? ich nichts von ihr, denn ich habe sie schon uber ein Jahr nicht gesehen…»

Der Eiserne Holzfaller seufzte, und Tranen rannen ihm aus den Augen.

«Vorsicht», rief der Scheuch erschrocken und wischte mit seinem blauen Taschentuch die Tranen des eisernen Mannes ab. «Du konntest ja wieder verrosten!»

«Ich danke dir, mein Freund!» sagte der Holzfaller. «Ich hab ganz vergessen, da? ich nicht weinen darf. Mir ist jede Art von Wasser schadlich… Ich war also stolz auf meinen neuen eisernen Korper und furchtete mich nicht mehr vor der verhexten Axt. Nur vor Rost furchtete ich mich, und deshalb trug ich immer eine Olkanne bei mir. Nur einmal verga? ich sie, und ausgerechnet damals regnete es in Stromen. Ich rostete ein, da? ich mich nicht von der Stelle bewegen konnte, und stand so da, bis ihr mich erlost habt. Ich bin davon uberzeugt, da? es die tuckische Ginaema war, die den Regen damals auf mich niedergehen lie?… Ihr konnt euch kaum vorstellen, wie. schrecklich es ist, ein volles Jahr im Walde zu stehen und daruber nachzudenken, da? man kein Herz hat!»

«Damit kann man hochstens das Aufgespie?tsein auf einem Pfahl mitten in einem Weizenfeld vergleichen», unterbrach ihn der Scheuch. «Allerdings kamen Menschen vorbei, und ich konnte mich auch mit den Krahen unterhalten.»

«Als ich geliebt wurde, hielt ich mich fur den glucklichsten Menschen der Welt», fuhr der Eiserne Holzfaller seufzend fort. «Wenn Goodwin mir ein Herz gibt, werde ich ins Land der Kauer zuruckkehren und meine Liebste heiraten. Vielleicht wartet sie noch auf mich…»

«Und ich ziehe trotzdem ein Gehirn vor», beharrte der Scheuch, «denn ohne Gehirn ist das Herz zu nichts nutze.»

«Ich aber will ein Herz», beharrte der Eiserne Holzfaller. «Ein Gehirn macht den Menschen noch nicht glucklich, und das Gluck ist doch das Schonste auf Erden.»

Elli schwieg, denn sie wu?te nicht, wer von ihren neuen Gefahrten recht hatte.

ELLI WIRD VON EINEM MENSCHENFRESSER GERAUBT

Der Wald wurde immer dichter. Die Zweige, die sich in den Kronen verflochten, lie?en keinen Sonnenstrahl durch. Auf dem gelben Backsteinweg war es fast dunkel.

Die Wanderer gingen bis spatabends. Elli war sehr mude, und der Eiserne Holzfaller nahm sie auf die Arme. Der Scheuch, der die schwere Axt trug, wankte hinterher.

Schlie?lich machten sie halt, um zu ubernachten. Der Eiserne Holzfaller baute fur Elli eine bequeme Laubhutte, vor der er mit dem Scheuch die ganze Nacht uber sitzen blieb. Sie lauschten den Atemzugen des Madchens und wachten uber ihren Schlaf.

Am Morgen gingen sie weiter. Der Wald lichtete sich, die Baume am Wegrand standen nicht mehr so dicht, und die Sonne schien hell auf die gelben Backsteine herab.

Wahrscheinlich hielt hier jemand den Weg instand, denn die Zweige, die der Wind abgebrochen hatte, lagen in Stapeln am Wegrand aufgeschichtet.

Plotzlich erblickte Elli einen Pfahl mit einem Brettchen, auf dem zu lesen war:

Wanderer, spute dich!

Hinter der Biegung werden

alle deine Wunsche in Erfullung gehen!

Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату