»Ihrem Bo? sei Dank«, murmelte Jacob.

»Wie?« fragte Driscoll.

Jacob legte den Kopf in den Nacken und zeigte nach oben, in den immer dunkler werdenden Abendhimmel.

»Ach so«, meinte der Reverend und grinste. »Den meinen Sie.«

»Was ist mit dem Mann, den Sie erschossen haben, Reverend?« erkundigte sich Irene.

»Was soll mit ihm sein?«

»Liegt er noch in den Felsen?«

»Naturlich. Ihn zu bergen, wurde einen ganzen Tag dauern. Die Geier wollen auch etwas zu fressen haben.«

»Mu?te ein Mann wie Sie nicht auch ihm ein christliches Begrabnis gonnen?«

»Das tu ich ja, Mi? Sommer. Ich gonne ihm ein christliches Begrabnis. Doch ich sehe mich nicht in der Lage, selbst dafur zu sorgen. Aber ich werde heute abend fur ihn beten. Sobald wir einen Lagerplatz gefunden haben, an dem wir vor einem

Uberraschungsangriff sicher sind.«

Irene sah Driscoll besorgt an. »Rechnen Sie etwa mit einem weiteren Uberfall?«

»Diesem Black Joe traue ich alles zu. Ich wei? nicht, wie schwer ich ihn verwundet habe.«

»Weshalb hatten es die Trapper uberhaupt auf uns abgesehen?«

»Das liegt doch auf der Hand, Mi? Sommer. Sie wollten sich fur den Tod ihres Kameraden rachen. Was haben die Kerle jetzt davon? Noch einen Toten. Wollen wir hoffen, da? ihnen das eine Lehre ist!«

Sie kletterten auf den Wagen, und Irene legte sich auf Jacobs Anweisung flach in den Wagenkasten. Jacob legte den Sharps griffbereit auf seine Knie, als er die Zugel in die Hand nahm. Driscoll hielt den Webley in der Hand.

Sie waren noch nicht weit gekommen, da alarmierte sie das Wiehern eines Pferdes. Als Jacob die Zugel loslie? und den Karabiner hochri?, klickte neben seinem Ohr bereits der Hahn des Webleys.

Hufgetrappel naherte sich dem Wagen aus einem kleinen Wald. Aber es war nur ein einziges Pferd. Eines ohne Reiter noch dazu. Driscolls Rappe.

Der Reverend sprang vom Bock und ging langsam auf das Pferd zu.

»Du bist mir ja einer«, sagte er zu dem Tier, wahrend er nach den lose herunterhangenden Zugeln griff. »Ein ganz hubscher Feigling bist du. Erst erschrickst du vor den Schussen, und dann haltst du dich solange versteckt, bis die Gefahr voruber ist.«

Und schon sa? der Reverend wieder in seinem Sattel.

»Auch Pferde kennen lebenserhaltende Ma?nahmen«, meinte Jacob erleichtert und legte den Sharps neben sich auf den Bock.

Sie setzten ihren Weg fort und fanden einen geeigneten Lagerplatz auf einer Lichtung am Ende der Schlucht. Sie verstreuten Reisig im Wald um die Lichtung herum, so da? sie einen heranschleichenden Angreifer schon von weitem horen mu?ten.

Ihr Abendessen bestand aus Brot und kaltem Fleisch. Ein Feuer wagten sie nicht anzuzunden, um sich den Mountain Men nicht zu verraten. Auch wenn sie sich bei der Kalte liebend gern an einem Lagerfeuer gewarmt hatten.

Jacob und Driscoll hielten abwechselnd Wache. Doch die Nacht verlief ruhig.

*

Der Morgen kam mit noch gro?erer Kalte, und der bisherige Nieselregen verwandelte sich in leichten Schneefall.

Jetzt entzundeten sie doch ein kleines Feuer, achteten aber darauf, da? sich die Rauchentwicklung in Grenzen hielt. Die warmen Bohnen und der hei?e Kaffee taten ihnen gut.

Die fern im Osten uber den Rocky Mountains aufsteigende Sonne war allenfalls zu erahnen. Der Morgen war noch jung, als der Wagen weiterrollte. Reverend Driscoll ritt voran. Ohne seine Fuhrung waren Jacob und Irene in den Bergen ziemlich verloren gewesen, hatten allenfalls die grobe Richtung gekannt.

Der Schneefall wurde zum Gluck nicht starker. Als die Reisenden bei Beginn der Abenddammerung Hoodsville erreichten, lag nur eine dunne wei?e Decke uber dem Land und der Stadt, die - Abners Hope ahnlich - in einem fruchtbaren Tal am Rande der gewaltigen Cascade Range lag.

Erst kamen sie an verstreut liegenden Farmen vorbei. Die Bebauung wurde dichter und wuchs sich zur Stadt aus. Man sah auf den ersten Blick, da? Hoodsville auf eine langere Geschichte zuruckblicken konnte als Abners Hope. Die primitiven Blockhutten, die hier einst gestanden hatten, waren zum gro?ten Teil komfortableren Holzhausern gewichen. Die meisten Gebaude - insgesamt mochten es an die funfzig sein -besa?en sogar Fenster mit richtigen Glasscheiben.

Der Reverend fuhrte sie zum Mietstall am anderen Ende der Stadt. Ein gro?es, schon etwas verwittertes Schild uber dem Holztor verkundete: >Eric Hood - Blacksmith & Stablec.

»Hood scheint hier ein haufiger Name zu sein«, bemerkte Jacob, als er langsam vom Bock kletterte. Sie waren bis auf eine kurze Mittagsrast den ganzen Tag unterwegs gewesen, und er spurte jeden Knochen im Leib.

»Eine gro?e Familie«, sagte Driscoll und stieg aus dem Sattel. »Soviel ich wei?, haben die Hoods diese Stadt vor zehn, zwolf Jahren gegrundet.«

Eric Hood war ein gro?er breitschultriger Mittvierziger mit hellem, schutterem Haar und einem rotblonden Schnauzbart, dessen Enden nach oben gezwirbelt waren. Jacob hatte gerade das Tor aufgezogen, als er ihnen aus dem Innern des Mietstalls entgegentrat. Sowie er den Reverend sah, leuchteten seine blauen Augen auf, und er begru?te Driscoll mit einem kraftigen Handschlag.

»Freut mich, da? Sie den Weg zuruck nach Hoodsville gefunden haben, Reverend«, sagte er mit polternder Stimme und strahlendem Gesicht. »Vielleicht konnen wir Sie doch noch uberreden, eine Kirche in unserer schonen Stadt zu bauen.«

»Genau das ist meine Absicht, Mr. Hood.«

Driscoll stellte seine Begleiter vor, und sie brachten Pferde und Wagen im Stall unter.

»Bekommt man in Mrs. Flys Pension noch immer so gutes Essen?« fragte der Reverend halb scherzhaft.

Als Hood dies bejahte, empfahl Driscoll die Pension den beiden Deutschen. Er selbst hatte dort schon gewohnt und wollte erneut bei der Witwe Fly um Unterkunft bitten.

Mrs. Flys zweistockiges Haus lag am Stadtrand. Es waren genug Zimmer frei. Zur Zeit wohnte bei der funfzigjahrigen, drallen Witwe au?er den Neuankommlingen nur ein junges Ehepaar aus dem Osten, das auf der Durchreise nach Oregon City war.

Das Abendessen war wirklich sehr gut, aber Irene stocherte nur lustlos darin herum. Jacob verstand das sehr gut. Die Nahe von Carl Dilgers Grab lie? die junge Frau zusehends nervoser werden.

Driscoll versprach, Irene und Jacob am nachsten Morgen auf den Friedhof zu fuhren. Die beiden Deutschen zogen sich fruh auf ihre Zimmer zuruck, wahrend der Reverend noch ausging.

»Ich mu? ein paar Kontakte knupfen, um den Bau meiner Kirche anzuleiern«, erklarte er.

In der Nacht horte Jacob aus dem Nebenzimmer laute Rufe. Es war Irene, die im Schlaf Carls Namen ausstie?, immer wieder. Sie mu?te schlimme Alptraume haben.

Am liebsten ware er aufgestanden, zu ihr geeilt und hatte sie in seine Arme genommen, um sie zu trosten.

Aber wie konnte er das?

*

Am Morgen, als Jacob Irene im Speisesaal beim Fruhstuck traf, war er uberrascht, wie gefa?t sie wirkte. Vielleicht hatten die nachtlichen Traume einen reinigenden Effekt gehabt. Jedenfalls waren ihr weder Verzweiflung noch Trauer anzumerken. Auch der Reverend erschien bald zum Fruhstuck. Als das junge Ehepaar den Speisesaal betrat, waren die drei anderen bereits fertig und zogen sich an, um zum Friedhof zu gehen.

Der Schnee war hoher geworden und reichte den Menschen jetzt weit uber die Knochel, als sie uber die Main Street von Hoodsville zum nordlichen Stadtende gingen, vorbei an dem Mietstall. Der kalte Wind aus den Bergen wehte ihnen dicke Schneeflocken ins Gesicht.

Der Friedhof lag auf einem bewaldeten Hugel eine knappe halbe Meile hinter der Stadt. Die drei waren die

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