»Das ist meine Schuld, Mr. Hood«, gestand Irene. »Carl wurde von seinem Vater versto?en. Meinetwegen. Ich ware nach Wilhelm Dilgers Meinung keine standesgema?e Frau fur seinen Sohn gewesen.«
Hood nickte bedachtig. »Ich verstehe.«
»Konnen Sie mir mehr uber Carl erzahlen?« fragte Irene. »Wann ist er nach Hoodsville gekommen? Was hat er hier gemacht?«
»Er kam im Fruhjahr hierher, zusammen mit seinem Freund.«
»Sein Freund?« echote Irene.
»Ja, auch ein Deutscher, ein gewisser Franz Pape. Er arbeitet bei meinem Bruder im Mietstall, falls Eric ihn noch nicht rausgeschmissen hat. Dieser Pape ist ein ziemlicher Taugenichts, genauso wie.«
Hood brach ab, als sich sein Blick mit dem von Irene kreuzte.
»Wollten Sie sagen, wie Carl Dilger?« fragte die Frau.
»Verzeihen Sie, Mi? Sommer, es ist mir so rausgerutscht.«
»Wie kommen Sie darauf, da? Carl ein Taugenichts gewesen ist?« hakte Irene nach.
»Als er und Pape nach Hoodsville kamen, kauften sie gunstig ein Stuck Land, die ehemalige Walcot-Farm, etwa drei Meilen ostlich. Aber sie kummerten sich kaum um etwas, lie?en alles verkommen. Wenn sie irgendwie mal zu Geld kamen, verpra?ten sie es im Saloon. Nach dieser Sache im Sommer, als Dilger starb, ist Pape vollig auf den Hund gekommen. Er schlagt sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, ist aber nirgends sehr beliebt. Mein Bruder hat ihn nur eingestellt, weil sich der alte Willard Croy, der ihm sonst hilft, letzten Monat ein Bein gebrochen hat.«
Irene bedankte sich bei Hood fur die Auskunfte. Driscoll wechselte mit dem Burgermeister noch ein paar Worte wegen der Kirche, die er in Hoodsville bauen wollte.
»Eine gute Idee, Reverend«, befand ein strahlender Wallace Hood, dem dieses Thema offensichtlich mehr lag als das Gesprach uber Carl Dilger. »In vier Tagen trifft sich der Stadtrat zu seiner wochentlichen Sitzung hier in meinem Haus. Kommen Sie doch auch, und stellen Sie Ihr Projekt vor.«
»Das werde ich tun, Burgermeister«, versprach Driscoll.
Sie gingen zuruck in den Laden, wo Hood sehr verwundert daruber war, seinen Sohn nicht vorzufinden.
»Wo steckt der verflixte Bengel schon wieder?« schimpfte er, trat vor die Tur und sah sich drau?en um.
Barry kam gerade quer uber die Main Street gelaufen und blieb, ziemlich au?er Atem, vor seinem Vater stehen.
»Wo hast du dich rumgetrieben?« fragte Wallace Hood recht barsch.
»Mir ist plotzlich eingefallen, da? ich noch ein Packchen bei Mr. Ness abliefern sollte.«
»So, bei Mr. Ness.« Der Burgermeister musterte seinen Sohn aus zusammengekniffenen Augen. »Hat er wenigstens bar bezahlt?«
Barry schuttelte den Kopf mit dem blonden Haarschopf.
»Nein, Pa, wir sollen es anschreiben.«
»Was auch sonst«, brummte Wallace Hood mi?mutig.
Seine drei Besucher verabschiedeten sich und gingen zum Mietstall.
»Das erscheint mir alles so unwirklich«, sagte Irene unterwegs und schuttelte den Kopf mit der schwarzen Haube.
»Was?« fragte der Reverend interessiert.
»Da? Carl ein Taugenichts gewesen sein soll. Das pa?t so uberhaupt nicht zu ihm. Gewi?, er kam aus einem wohlbetuchten Elternhaus, aber darauf hat er sich nichts eingebildet. Er war kein Faulenzer, der nur vom Geld seines Vaters lebt. Er hat in der Reederei mitgearbeitet, bevor sein Vater ihn enterbte und verstie?. Und auch gegen die Enterbung hat Carl nichts gesagt. Ganz im Gegenteil, er hat sich daruber gefreut, seinem Vater nichts mehr schuldig zu sein. Carl war ganz erpicht darauf, hier in Amerika mit seiner eigenen Hande Arbeit ein Heim aufzubauen. Fur sich und seine Familie.«
Bei den letzten Worten brach sie in Tranen aus. Jacob trostete sie, so gut es ging.
»In diesem Land kann viel mit einem Menschen geschehen«, meinte der Reverend. »Aber vielleicht hatte Mr. Hood auch einen ganz falschen Eindruck von Mr. Dilger. Hoffen wir, da? uns Dilgers Freund, dieser Pape, mehr erzahlen kann.«
Sie fanden Eric Hood in seiner Schmiede, wo er ein stammiges Arbeitspferd mit neuen Hufeisen beschlug. Bei jedem Schlag, den er mit seinem schweren Hammer ausfuhrte, kam ein kraftiger Fluch uber seine Lippen.
»Wenn Sie weiter so fluchen, haben Sie eine Menge zu beichten, sobald meine Kirche steht, Mr. Hood«, meinte Driscoll zu dem Schmied und Mietstallbesitzer, der die Besucher jetzt erst bemerkte.
Hood sah schuldbewu?t drein und hielt in seiner Arbeit inne.
»Entschuldigen Sie, Reverend, ich habe Sie nicht kommen horen. Es gibt manchmal Tage, an denen man verzweifeln konnte.«
»Was ist denn passiert?«
»Meine Hilfskraft hat sich eben aufs Pferd gesetzt und ist weggeritten, ohne ein Wort zu sagen.«
»Etwa Franz Pape?« fragte Jacob, der hellhorig geworden war.
Hood nickte griesgramig. »Genau der. Ich hatte ihn gar nicht erst einstellen sollen. Aber ich brauchte dringend jemanden, nachdem sich mein Stallbursche das Bein gebrochen hat. Alle haben mich gewarnt, da? man mit diesem Deutschen nichts als Arger hat. Ich hatte auf sie horen sollen.«
»Ist er zu seiner Farm geritten?« fragte Jacob weiter.
»Wahrscheinlich. Fur den Saloon ist es noch ein bi?chen fruh.«
»Und er hat nicht gesagt, warum er weggeritten ist?«
»Kein Sterbenswortchen. Ich habe nur gesehen, da? mein Neffe angelaufen kam und etwas mit ihm beredet hat.«
»Ihr Neffe? Etwa Barry Hood, der Sohn des Burgermeisters.«
»Yeah, stimmt. Mein Bruder sollte Barry den Umgang mit Pape besser untersagen. Ist bestimmt nicht gut fur Barry, wenn sie dauernd zusammenhocken.«
Hood legte den Hammer beiseite und wischte sich den Schwei? von der Stirn. Er blickte seine Besucher forschend an.
»Weshalb interessieren Sie sich so fur Pape?«
Jacob erklarte es ihm und fragte, ob er Naheres uber Dilger wisse.
»Nicht mehr, als Ihnen mein Bruder schon erzahlt hat. Wahrscheinlich taugte er mehr als Pape. Seit Dilgers Tod ist mit Pape uberhaupt nichts mehr anzufangen. Die Farm la?t er einfach verkommen. Es war ein schwarzer Tag in der Geschichte von Hoodsville, als dieser Haggard in die Stadt kam und sich nach zwei jungen Deutschen erkundigte.«
»Was geschah dann?« fragte Irene.
»Haggard ritt hinaus zur Farm. Er kehrte nicht zuruck. Pape kam kurz darauf in die Stadt und erzahlte, Haggard und Dilger hatten sich gegenseitig erschossen.«
»Aus welchem Grund?«
»Das wu?te Pape auch nicht. Er sagte, weder er noch Dilger hatten Haggard gekannt. Haggard sei auf die Farm gekommen, hatte einen Streit angefangen und dann grundlos seinen Revolver gezogen. Auch Dilger griff zur Waffe. Beide schossen, und beide trafen. Die beiden Leichen lagen vor dem Farmhaus, als ich hinausritt.«
»Wieso Sie, Mr. Hood?« fragte der Reverend.
»Ich habe noch einen Nebenjob. Ich bin hier der Sheriff .«
*
»Die Hoods haben die wichtigen Amter in der Stadt anscheinend gut unter sich aufgeteilt«, meinte Jacob, als sie mit dem Planwagen hinaus zu Franz Papes Farm fuhren.
»Wer eine Stadt grundet, bestimmt auch, was in ihr geschieht«, erwiderte Reverend Driscoll, der neben Jacob und Irene auf dem Bock sa?. »Das ist haufig so.«
»Vielen Dank auch noch, Reverend«, sagte Jacob.
Driscoll sah ihn erstaunt an. »Wofur bedanken Sie sich, Mr. Adler?«
»Dafur, da? Sie uns helfen. Sie haben sicher auch noch anderes zu tun, als mit uns durch die Gegend zu