fahren.«
Der Reverend winkte ab. »Hoodsville hat so viele Jahre auf eine Kirche gewartet, da kommt es auf ein paar Tage mehr bestimmt nicht an. Au?erdem interessiert mich diese Geschichte. Ich mochte wissen, vor wem oder was Pape davonlauft.«
»Sie meinen, er hat Angst vor etwas?« fragte Irene.
Driscoll nickte. »Es mu? damit zusammenhangen, da? wir uns nach Dilger erkundigt haben. Weshalb sollte er sonst so eilig aus der Stadt verschwunden sein, nachdem er mit Barry Hood gesprochen hat? Der Junge hat ihm bestimmt gesteckt, da? wir seinen Vater uber Dilger befragt haben.«
»Sehr mysterios, das Ganze«, knurrte Jacob und lenkte den Planwagen durch das verschneite Land.
Waren seine Gedanken andere gewesen, hatte die wei?e Decke, die uber diesem Teil von Oregon lag, vielleicht einen marchenhaften Reiz auf ihn ausgeubt. Aber zur Zeit wirkte alles einfach nur so trub, wie die Stimmung, in der sich Jacob und noch mehr Irene befanden.
Als sich vor ihnen einige Gebaude aus dem einheitlichen Wei? erhoben, wu?ten sie sofort, da? es die Farm von Franz Pape war. Das gro?e Farmhaus und die umliegenden Stallungen waren in einem derart verfallenen Zustand, da? man die Farm auf den ersten Blick fur unbewohnt halten konnte. Aber die aus dem Schornstein aufsteigende Rauchfahne bewies das Gegenteil.
»Jetzt bin ich aber gespannt«, sagte Jacob und schnalzte mit der Zunge, um die Pferde anzutreiben.
Das fiel ihm nicht schwer, denn das letzte Wegstuck war abschussig. Die Farm lag in einer Senke.
Sie waren noch etwa sechzig Fu? vom Farmhaus entfernt, als dicht neben dem vordersten Gespann der Schnee aufspritzte. Da horten sie auch schon den Knall des Schusses.
»Nein«, stohnte Jacob auf und dachte an den Uberfall im Canyon. »Nicht schon wieder!«
Er ri? die Pferde herum und lenkte den Wagen hinter die Ruckwand einer gro?en Scheune, damit das Gebaude sie vor weiterem Beschu? aus dem Farmhaus schutzte. Dort zog er die Bremse an, sprang vom Bock und ri? den Army Colt aus dem Holster.
»Bleib in Deckung, Irene«, sagte er und sah, da? auch der Reverend seinen Revolver gezogen hatte. »Ob das Pape ist?«
»Wer sonst«, knurrte Driscoll. »Er scheint wirklich nicht erpicht darauf zu sein, sich mit uns zu unterhalten.«
»Mal sehen«, meinte Jacob und streckte langsam seinen Kopf vor, bis er um die Ecke aufs Farmhaus sehen konnte.
Sofort krachte wieder ein Schu?. Zwei Handbreit neben Jacobs Gesicht zersplitterte das Holz der Scheunenwand. Rasch zog er seinen Kopf zuruck.
»Sei nicht leichtsinnig, Jacob«, ermahnte ihn Irene angstlich.
Sie sprach es nicht aus, aber nach Carl wollte sie nicht auch noch Jacob verlieren. Schon der Gedanke daran war ihr unertraglich.
»Ich versuche es von der anderen Seite«, sagte der Reverend. »Vielleicht gelingt mir ein Umgehungsmanover, wie im Canyon.«
Jacob hatte da seine Zweifel. Die Scheune lag frei. Der Schutze im Farmhaus konnte das Gelande gut uberblicken.
Ehe Jacob noch etwas sagen konnte, um Driscoll von seinem Plan abzubringen, war dieser losgerannt.
Er steuerte das hohe Gerust des Windrads an.
Aber er kam nicht weit. Als ihm ein Schu? den Hut vom Kopf ri?, lie? er sich in den Schnee fallen, rollte sich zur Seite, sprang wieder auf und hetzte zuruck hinter die Scheunenwand. Dort klopfte er sich den Schnee von der Kleidung, die jetzt mehr wei? als schwarz aussah..
»Mag sein, da? Pape ein Taugenichts ist«, keuchte er. »Aber mit dem Gewehr kann er umgehen, das mu? man ihm lassen. Ich schatze, wir sitzen hier fest.«
»Wir mussen versuchen, mit ihm zu reden«, sagte Jacob.
»Das scheint es gerade zu sein, was Pape nicht will.«
»Ich versuche es trotzdem.«
Jacob naherte sich wieder der Ecke, streckte diesmal aber seinen Kopf nicht so weit vor. Er schob den Colt ins Holster, hielt die Hande trichterformig vor den Mund und rief: »Pape, horen Sie mich?«
Keine Antwort.
»So reden Sie doch mit uns, Pape. Ich hei?e Jacob Adler und komme auch aus Deutschland. Bei mir ist Irene Sommer, Carl Dilgers Verlobte.«
»Interessiert mich nicht!« kam endlich eine Anwort, wenn auch nicht die erhoffte.
»Wir wollen Ihnen nichts Boses, Pape«, fuhr Jacob fort. »Wir mochten nur mit Ihnen sprechen.«
»Ich aber nicht mit Ihnen!«
»Warum nicht?«
»Geht euch nichts an! Verschwindet von meinem Land!«
»Wie konnen wir das, wenn Sie auf uns schie?en?«
»Hauen Sie auf dem schnellsten Wege ab! Dann schie?e ich nicht!«
»Tja«, machte Jacob. »Da bleibt uns wohl nichts anderes ubrig. Ziehen wir uns zuruck. Irene, du.«
»Ich wei? schon«, unterbrach sie ihn. »Ich lege mich flach in den Wagen.«
Jacob grinste. »Genau.«
Die beiden Manner stiegen wieder auf den Bock. Jacob ergriff die Zugel, wahrend Driscoll seinen Webley schu?bereit in der Rechten hielt.
Jacob loste die Bremse, trieb die Pferde an und wendete den Wagen, dabei hoffend, da? sich Pape an sein Versprechen hielt. Er tat es. Unbehelligt konnte der Wagen die Farm verlassen.
Driscoll wandte sich um und schaute zuruck, wahrend der Planwagen die aus der Senke fuhrende Steigung hinaufrollte.
»Eins haben wir vergessen«, sagte der Reverend leise und ein wenig bekummert.
»Was?« fragte Jacob.
»Meinen Hut.«
*
Gegen Mittag kehrten sie in die Stadt zuruck und waren uberrascht, Eric Hood nicht in seinem Mietstall vorzufinden. Sie hatten dem Sheriff gern erzahlt, wie sich sein davongelaufener Stallbursche gegenuber Besuchern seiner Farm verhielt.
Statt Eric Hood fanden sie einen graubartigen Alten, der im Eingangsbereich des Stalls gleich auf zwei Stuhlen sa?. Den zweiten Stuhl benotigte er, um sein geschientes linkes Bein darauf zu legen.
»Sie mussen Willard Croy sein«, sagte Jacob, sobald er vom Wagen gestiegen war.
»Yeah«, krachzte der Alte. »Stimmt. Woher wissen Sie das, Mister?«
»Wir haben schon viel von Ihnen gehort. Wo steckt Ihr Bo??«
»Mr. Hood? Er mu?te dringend weg, langst uberfallige Steuern auf der Kershaw-Farm eintreiben. Der Burgermeister hat ihn losgeschickt.«
»Wann kehrt er zuruck?«
»Nicht vor morgen. Die Kershaws wohnen 'ne ziemliche Ecke von Hoodsville entfernt.«
»Seltsam«, sagte Jacob, als er mit Irene und dem Reverend zum Haus des Burgermeisters ging, um Barry Hood zu fragen, was er am Morgen so dringend mit Franz Pape zu bereden gehabt hatte. »Ausgerechnet jetzt schickt der Burgermeister seinen Bruder Steuern eintreiben.«
»Glaubst du, da stimmt etwas nicht?« fragte Irene.
»Fur mich sieht es ganz so aus, als wollte der Burgermeister seinen Bruder aus der Stadt haben. Der Sheriff scheint einer der wenigen Menschen hier zu sein, die uns keine Marchen erzahlen oder sich nicht mit Waffengewalt dagegen sperren, uberhaupt mit uns zu reden. Was meinen Sie, Reverend?«
»Da ist was dran, Adler. Irgend etwas stinkt ganz gewaltig in Hoodsville.«
Wallace Hood stand hinter der Ladentheke und bediente eine altere Dame, die mehrere Bahnen geblumten Stoffes begutachtete. Von Barry Hood war nichts zu sehen. Als der Burgermeister die drei Fremden eintreten sah, verfinsterte sich sofort sein Gesichtsausdruck. Jacob glaubte immer mehr, da? er ihnen etwas verheimlichte.
»Wir suchen Ihren Sohn, Mr. Hood«, sagte der junge Zimmermann. »Wo finden wir ihn?«
»Meinen Sohn? Was wollen Sie von ihm?«