»Ihm ein paar Fragen stellen?«
»Woruber?«
»Zum Beispiel daruber, weshalb er heute morgen erzahlt hat, er habe eilig ein Packchen austragen mussen. In Wahrheit ist er beim Mietstall gewesen und hat mit Franz Pape gesprochen.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ihr Bruder Eric hat es uns erzahlt.«
»Na und? Selbst wenn das stimmt, es ist doch nicht ungewohnlich, wenn sich zwei junge Burschen unterhalten. Sie sind halt befreundet.«
»Ungewohnlich ist es aber, da? sich Pape kurz nach dem Gesprach mit Ihrem Sohn auf sein Pferd geschwungen hat und wie vom Teufel gehetzt aus der Stadt geritten ist, ohne sich bei seinem Bo? abzumelden. Ihr Bruder war ganz schon sauer. Ungewohnlich ist auch, da? Pape ohne Vorwarnung auf uns schie?t, als wir kurz darauf ganz friedlich seine Farm besuchen.«
Hood erbleichte.
»Das hat er getan?«
»Hat er«, bestatigte Driscoll und fuhr mit der Hand uber seinen unbedeckten Kopf; in seinem Haar sa?en noch ein paar Schneeflocken. »Es hat mich den Hut gekostet. Eine Handbreit tiefer, und ich hatte statt meines Hutes mein Leben verloren.«
»Das ist ein Fall fur den Sheriff«, meinte Hood. »Mein Bruder ist leider derzeit nicht in der Stadt.«
»Das wissen wir bereits«, sagte Jacob und verlor immer mehr von der Hoflichkeit, mit der er dem Burgermeister bisher begegnet war. »Ist Ihr Sohn Barry etwa auch nicht in der Stadt?«
»Doch. Aber Sie konnen trotzdem nicht mit ihm sprechen.«
»Warum nicht?«
»Weil er krank ist und im Bett liegt. Er schlaft.«
»So plotzlich?« wunderte sich Jacob. »Heute morgen wirkte er noch kerngesund.«
»Es kam wie angeflogen. Eine schwere Grippe.« Hood wandte sich wieder seiner Kundin zu. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wurden, ich habe zu tun!«
»Die Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit, mit der man uns in Hoodsville begegnet, beeindruckt mich immer mehr«, brummte Jacob sarkastisch, als sie auf den Vorbau traten und er laut die Tur hinter sich zuzog. »Sie haben sich wirklich eine nette Stadt fur Ihre Kirche ausgesucht, Reverend.«
»Jedenfalls scheint man hier ein Gotteshaus notig zu haben«, erwiderte Driscoll mit einem Grinsen. »Meine erste Predigt wird sich daruber auslassen, da? man nicht auf friedliche Besucher schie?t.« Er fuhr wieder uber seinen Kopf. »Und daruber, wie wertvoll ein guter Hut im Winter ist.«
*
Sie kehrten noch rechtzeitig zum Mittagessen in die Pension zuruck. Diesmal lie? es sich auch Irene schmecken. Mrs. Flys hei?e Huhnersuppe war bei dem kalten Wetter genau das Richtige.
»Ich mochte wissen, in was Carl da reingeraten ist«, sagte sie. »Dieser Franz Pape scheint in irgendwelche krummen Geschafte verwickelt zu sein. Ich hatte Carl niemals zugetraut, da? er sich auf so etwas einla?t.«
»Vielleicht hat er es nicht gewu?t, bis es zu spat war«, entgegnete Jacob. »Etwas Genaueres werden wir wohl erst erfahren, wenn der Sheriff wieder in der Stadt ist.«
»Ich mochte auch vorschlagen, da? wir bis morgen warten«, sagte Driscoll. »Zur Zeit stochern wir nur im Nebel herum. Falls Eric Hood unser Vertrauen rechtfertigt, werden wir mit seiner Hilfe mehr erfahren.«
Der Reverend verabschiedete sich bald nach dem Essen, um Ausschau nach einem Platz fur seine Kirche zu halten.
Als der starke Wind am Nachmittag etwas nachlie? und dann auch noch der Schneefall aufhorte, gingen Jacob und Irene nach drau?en, um einen Spaziergang durch die Stadt zu machen. Auf die Dauer war es zu deprimierend, nur in der Pension zu hocken.
Die Bewohner von Hoodsville begegneten ihnen mit au?erster Zuruckhaltung. Niemand gru?te sie. Die meisten wichen ihnen auf der Stra?e aus. Aber hinter ihrem Rucken wurde uber sie getuschelt. Offenbar hatte sich unter den Burgern herumgesprochen, da? ihr Burgermeister nicht gut auf die Fremden zu sprechen war. Ob die Leute auch den Grund kannten?
Sie redeten kaum miteinander, aber das war auch nicht notig. Jacob verstand, da? es viel gab, uber das Irene nachdenken mu?te. Er geno? es ganz einfach, mit ihr zusammenzusein.
Sie hatten fast die gesamte Stadt durchwandert, um sich die Beine zu vertreten, als in einer langen, engen Gasse plotzlich zwei Gestalten vor ihnen auftauchten. Jacob sah sofort, da? sie von den beiden grobschlachtigen Mannern nichts Gutes zu erwarten hatten. Er sah es an ihren verkniffenen Gesichtern und an dem Knuppel, den einer von ihnen in der Hand hielt.
»Weg hier, zuruck!« zischte er Irene zu und zog gleichzeitig den 44er.
»Den wurde ich an deiner Stelle gleich fallen lassen, Dutch!« sagte hinter ihm eine laute Stimme.
Vorsichtig drehte sich Jacob um und entdeckte einen weiteren Mann, der hinter ihnen die Gasse betreten hatte. Er hielt einen 44er Revolver der Marke Dean Harding auf die beiden Spazierganger gerichtet. Sofort lie? Jacob seinen Colt fallen. Er wollte Irene nicht gefahrden.
»Brav so, Dutch«, lobte ihn der unrasierte Mann mit dem Dean Harding. »Jetzt kannst du beweisen, ob du mit den Fausten genauso schnell bist wie mit dem Colt!«
»Was wollen Sie von uns?« fragte Irene den Mann mit dem 44er. »Wir haben Ihnen nichts getan!«
»Ihr schnuffelt in unserer Stadt herum. Das mogen wir nicht!«
Die beiden anderen Manner waren inzwischen heran. Der mit dem Knuppel, ein schwarzhaariger, dickbauchiger Mittdrei?iger mit dunklem Vollbart, lie? seine Waffe auf Jacobs Kopf zusausen.
Mit einem Sprung zur Seite entging der Deutsche dem Schlag. Der Knuppel krachte gegen die Hauswand, neben der Jacob eben noch gestanden hatte.
Er wartete keinen neuen Angriff ab, sondern sturmte vor und rammte dem Dickbauch seine Faust ins Gesicht. Nur zwei Sekunden spater stie? ihm Jacob das Knie in den Wanst. Der Getroffene stohnte auf, krummte sich zusammen und lie? den Knuppel fallen.
Sein Kumpan, ein gro?er knochiger Kerl in Jacobs Alter, sprang den Zimmermann an und versetzte ihm einen schmerzhaften Fausthieb an die Schlafe. Vor Jacobs Augen explodierten Feuerballe und er taumelte, bis er mit dem Rucken gegen eine Wand stie?. Sein breitrandiger Filzhut rutschte vom Kopf.
Der Knochige setzte nach, um ihm den Rest zu geben. Er hatte Jacob unterschatzt. Der stie? sich mit gesenktem Haupt von der Wand ab, sturmte wie ein wutender Stirn vor und rammte seinen Schadel gegen die Brust des anderen. Der Knochige stie? einen achzenden Laut aus, verlor das Gleichgewicht und fiel in den Schnee.
Jacob konnte sich nicht weiter um ihn kummern, weil der Dickbauch einen neuen Angriff startete. Mit ausgebreiteten Armen rammte er Jacob und verschrankte die Hande auf dem Rucken des Deutschen. Mit der Kraft eines Baren versuchte er, Jacobs Ruckgrat zu brechen.
Jacob setzte wieder sein Knie ein. Er traf den Dicken da, wo es am meisten wehtat. Der Mann heulte auf und lockerte unwillkurlich seinen Griff. Jacob konnte seine Arme befreien und lie? seine Fauste gegen den Kopf des Angreifers krachen. Der taumelte zuruck, sah den Deutschen aus glasigen Augen an und brach zusammen.
Aber sein knochiger Gefahrte war wieder auf den Beinen und kam langsam, vorsichtig geworden, mit schlagbereiten Fausten auf Jacob zu.
»Schlu? jetzt mit der Spielerei!« rief der Mann mit dem Dean Harding und richtete die Waffe auf Irene. »Du horst sofort auf, dich zu wehren, Dutch. Andernfalls blase ich ein Loch in dein Schatzchen!«
Jacob wu?te nicht, ob er es ernst meinte. Aber er wu?te, da? er kein Risiko eingehen durfte. Nicht, wenn Irene in Gefahr war.
Mit herunterhangenden Armen stand er da und lie? das Trommelfeuer der Faustschlage uber sich ergehen, das der Knochige, ein gemeines Grinsen im Gesicht, auf ihn ablie?.
Wieder sah Jacob die Feuerballe vor seinem Gesicht explodieren. Alles drehte sich um ihn herum, und er fiel in den angenehm kalten Schnee.
»Hast du etwa schon genug, Schlappschwanz?« verhohnte ihn der Knochige und zog ihn am Jackenkragen hoch.
Da peitschte ein Schu? durch die enge Gasse.
»Irene!« schrie Jacob erschrocken und ri? die Augen auf, um die bunten Schleier, die er vor sich sah, zu