Jacob reagierte sofort und sprang den Trapper an. Als ihre Korper gegeneinanderprallten, krachte ein Schu?.
Die beiden Manner walzten sich auf dem Boden hin und her. Haslip verfugte uber Barenkrafte, obwohl er im Canyon von Haggard am Arm verletzt worden war. Er schaffte es, rittlings auf Jacob zu sitzen.
Jacob spurte, wie etwas an seiner Wange entlangstrich - ein Gefuhl wie hei?es Metall. Der Lauf von Haslips Revolver!
Der junge Deutsche fand in der Dunkelheit den rechten Arm des Trappers und versuchte, die Hand mit der Waffe von sich wegzudrucken.
Wieder ein Schu?. Die Stichflamme blitzte so nah vor Jacobs Augen auf, da? es schmerzte.
Der Druck auf seinem Brustkasten lie? nach, und Haslip fiel neben ihm aufs Holz.
Jacob sprang auf, fingerte ein Streichholz hervor und ri? es an seinem Gurtel an.
Dort lag der machtige Black Joe Haslip, den Colt noch in der Hand. In seinem Bauch klaffte ein gewaltiges Loch. Seine Augen blickten gebrochen. Der Trapper hatte sich im Zweikampf mit Jacob selbst erschossen.
Das Streichholz erlosch. Jacob ri? ein neues an und brachte den Lampendocht wieder zum Brennen.
Dann kniete er sich neben Haggard hin. Aber auch ihm war nicht mehr zu helfen. Black Joes zweite Kugel hatte, wie die erste, ihr Ziel gefunden.
»Tot«, sagte Jacob leise und stand auf.
»Machen Sie mich endlich los!« forderte der Gefesselte mit wenig Taktgefuhl. »Ich habe genug von diesem Ort. Ich werde von hier verschwinden.«
»Das glaube ich kaum«, knurrte Jacob.
Rohlfing sah ihn entgeistert an. »Aber Sie haben doch versprochen, mir zu helfen!«
»Ja. Ich wollte verhindern, da? Sie ermordet werden.« Jacob sah hinunter auf den toten Reverend. »Diese Gefahr besteht jetzt nicht mehr. Aber ich werde Sie nicht einfach so davonreiten lassen. Wenn Sie tatsachlich Haggards Schwiegertochter vergewaltigt haben, gehoren Sie vor ein Gericht. Sie und Barry Hood.«
»Wenn Sie meinen«, sagte Rohlfing nur, und ein dunnes Lacheln spielte um seine Lippen.
Jacob konnte sich denken, was in Rohlfings Kopf vorging. Die Gefahr, in Hoodsville vor Gericht gestellt zu werden, schatzte er als sehr gering ein. Schlie?lich war der Mitangeklagte der Sohn des Burgermeisters, des machtigen Wallace Hood.
Das war in der Tat ein Problem.
*
Als Jacob seinen Colt zog, kehrte die Angst in Rohlfings Augen zuruck.
»Was haben Sie vor?«
»Sie losschneiden«, antwortete Jacob und zog mit der anderen Hand sein Bowiemesser aus der Scheide. »Wenn Sie Dummheiten machen, vollende ich Haggards Rache!«
»Nicht doch. Ich werde brav sein. Versprochen.«
»Das hoffe ich«, knurrte Jacob und zerschnitt Rohlfings Fesseln. »Fur Sie!«
Rohlfing schien Wort zu halten. Er blieb auf dem Stuhl sitzen und massierte seine schmerzenden Handgelenke.
»Aufstehen!« befahl Jacob. »Wir reiten in die Stadt!«
»Wenn Sie es sagen«, meinte der andere gleichgultig und erhob sich. »Darf ich meine Jacke uberziehen? Ich mochte mir nicht den Tod holen.«
»Von mir aus.«
Rohlfing steuerte eine dunkle Ecke an, in der mehrere Kleidungsstucke an Wandhaken hingen, darunter eine grob karierte Wolljacke. Er nahm die Jacke ab und streifte sie uber.
Als er sich wieder umdrehte, richtete er eine rostige, alte Riffle auf Jacob und grinste hamisch.
»Pech gehabt, mein Freund. Du bist ein wenig zu vertrauensselig.«
»Haben Sie etwa Angst vor der Gerichtsverhandlung?« fragte Jacob, wahrend er sich einen Narren schalt und gleichzeitig fieberhaft nach einem Ausweg suchte.
Gewi?, er brauchte den Colt nur herumzurei?en und abzudrucken. Aber dann hatte Rohlfing vermutlich langst geschossen.
»Angst, nein«, kicherte der Mann mit dem Gewehr. »Nicht in Hoodsville. Wallace Hood wird nicht zulassen, da? seinem Sohn etwas zusto?t. Aber warum soll ich das Risiko eingehen, wenn ich's einfacher haben kann?«
»Also veruben Sie lieber einen Mord.«
»Ich wurde es eher als Notwehr bezeichnen. Schlie?lich hast du zuerst deine Waffe auf mich gerichtet. Aber nenn es, wie du willst, du fahrst jetzt zur Holle!«
Entsetzt sah Jacob, wie sich Rohlfings um den Abzugshebel gelegter Finger zusammenkrummte.
Aber kein Schu? krachte.
Es gab nur ein metallisches Klicken, als der Hahn aufschlug.
Jacob zog den Hahn seines 44ers zuruck und legte auf Rohlfing an.
»Sie haben wohl vergessen, Ihr Gewehr nachzuladen, nachdem Sie heute vormittag auf uns geschossen haben, was?«
»Verdammt!« entfuhr es dem anderen.
Er lie? das Gewehr fallen und ri? die Hande nach oben.
»Nicht schie?en! Ich... ich wollte Sie nicht toten!«
»Warum haben Sie dann geschossen?«
»Ich habe daneben gezielt. Ich wollte Sie nur erschrecken.«
Sein Gesicht verriet, da? Rohlfing log. Er suchte so verzweifelt wie zuvor Jacob nach einem Weg, um am Leben zu bleiben.
Jacob empfand tiefen Abscheu vor diesem Mann. Der Reverend hatte recht gehabt, er war nichts anderes als eine Ratte in Menschengestalt. Aber war er nicht trotz allem ein menschliches Wesen? Durfte man ihn einfach abknallen?
Jacob scho?.
Rohlfing zuckte zusammen und ging zu Boden, obwohl die Kugel weit uber ihm in die Wand gefahren war.
Jacob sprang zu ihm hin und sagte: »Ich habe daneben gezielt. Ich wollte Sie nur erschrecken.«
Dann zog er den Lauf des schweren Colts uber den Schadel von Rohlfing, der ihn an einen winselnden Hund erinnerte, wie er am Boden kauerte und angstlich zu Jacob aufsah. Der Mann stohnte auf und sackte bewu?tlos zur Seite.
Jacob hatte diesen Weg gewahlt, weil er mit Rohlfing kein Risiko mehr eingehen wollte. Er war es nicht wert. Die Schmerzen, die ihm der Schlag auf den Schadel einbrachte, hatte er sich selbst zuzuschreiben.
Fur ein, zwei Minuten stand Jacob reglos in der Wohnstube und starrte auf die drei Menschen, die auf dem Boden lagen.
Zwei davon tot.
Ein Sog widerstreitender Gefuhle packte ihn. Er fragte sich, ob er das hatte verhindern konnen.
Aber wie?
Joe Haslip hatte ihm keine Wahl gelassen. Hatte Jacob nicht gegen ihn gekampft, hatte der Trapper auch ihn umgebracht. Das hatte Jacob seinen Worten deutlich entnommen. Wahrscheinlich hatte er Jacob geha?t, weil die Siedler dem Trapper verwehrt hatten, Timmy Haslips Tod an Ort und Stelle zu rachen.
Naher noch als der Tod des Trappers ging ihm der des Reverends. Zwar hatte Haggard Jacob und Irene nur fur seine Zwecke ausgenutzt, aber er hatte ihnen auch mehrmals beigestanden.
Und in gewisser Weise konnte Jacob seine Handlungsweise sogar verstehen. Auch Jacob war von unbandigem Zorn erfullt gewesen, als er erfahren hatte, da? seine Mutter aufgrund der Machenschaften des Arning-Clans an gebrochenem Herzen gestorben war. Aber wenn man Totschlag mit Totschlag, Mord mit Mord vergalt, geriet die Welt aus den Fugen. Das hatte Jacob gemerkt, als Martin Bauer fast wegen eines Mordes aufgehangt worden ware, den er nicht begangen hatte.
Haggard hatte versuchen mussen, die Manner, die seinen Sohn getotet und seine Schwiegertochter geschandet hatten, vor Gericht zu bringen. Aber der Reverend hatte den dunklen, falschen Weg gewahlt. Und der hatte ihm selbst den Tod gebracht.