»Nein«, sagte ich, »aber ich habe seine Familie gekannt.«
Naturlich besuchte ich auch das Madchenheim St. Eusebia, machte aber keinen Versuch, hineinzugehen und bei der Gouvernante oder Hausmutter oder wie ihr Titel sonst lauten mochte, nach Shannon Cotterie zu fragen. Das Heim war ein absto?end kalter Klotz; die dicken Mauern und die Schie?schartenfenster druckten exakt aus, was die papistische Hierarchie in ihrem Innersten von Frauen zu halten schien. Der Anblick der wenigen schwangeren Madchen, die mit niedergeschlagenen Augen und hochgezogenen Schultern herausgeschlichen kamen, sagte mir alles, was ich daruber wissen musste, weshalb Shan diese Einrichtung so bereitwillig verlassen hatte.
Seltsamerweise fuhlte ich mich meinem Sohn in einer der Gassen am nachsten. Es war die neben dem Drug Store & Soda Fountain (Unsere Spezialitat: Bonbons von Schrafft & beste Karamellen aus eigener Herstellung) in der Gallatin Street, zwei Stra?en vom St. Eusebia entfernt. Dort stand eine Holzkiste, vermutlich zu neu, um die zu sein, auf der Henry gesessen und auf ein Madchen gewartet hatte, das abenteuerlustig genug war, um fur Zigaretten Informationen zu liefern, aber ich konnte so tun, als ware sie es, und
Aber dieses Madchen war fur mich unerreichbar. Die einzige Victoria, die ich kennenlernte, war die spatere Version, die mit drei hubschen Kindern und dem ehrbaren Namen Mrs. Hallett. Ich trank inzwischen nicht mehr, hatte einen Job in der Textilfabrik Bilt-Rite Clothing und war wieder mit dem Gebrauch von Rasierklingen und Rasierseife vertraut. Wegen dieser Fassade der Wohlanstandigkeit empfing sie mich durchaus bereitwillig. Wer ich war, sagte ich ihr nur - will ich doch bis zuletzt ehrlich sein -, weil ich mit Lugen nicht durchgekommen ware. Dass ihre Augen sich leicht weiteten, zeigte mir, dass sie die Ahnlichkeit bemerkt hatte.
»Mensch, er war wirklich su?«, sagte sie. »Und so verruckt verliebt. Shan tut mir auch leid. Sie war ein wundervolles Madchen. Das Ganze ist wie eine Tragodie von Shakespeare, nicht wahr?«
Nur sagte sie
In meinen Jahren in der auch als Stadt der Narren bekannten Gateway City hatte ich zwei Jobs.
John Hanrahan war der Lagerverwalter bei Bilt-Rite. Er wollte keinen Mann mit nur einer Hand einstellen, aber ich bat ihn, es mit mir zu versuchen, und als ich ihm bewies, dass ich eine mit Hemden oder Arbeitshosen beladene volle Palette so gut wie jeder Mann auf seiner Lohnliste ziehen konnte, stellte er mich ein. Ich zog diese Paletten 14 Monate lang und humpelte oft mit brennendem Rucken und Armstumpf in die Pension zuruck, in der ich wohnte. Aber ich beklagte mich nie und fand sogar die Zeit, nahen zu lernen. Das tat ich in meiner Mittagsstunde (die in Wirklichkeit 15 Minuten dauerte) und in der Nachmittagspause. Wahrend die anderen Manner drau?en in der Ladebucht standen, rauchten und schmutzige Witze erzahlten, brachte ich mir selbst bei, Saume zu nahen - erst an Rupfensacken
Nahen brachte mehr als Lagerarbeit und war fur meinen Rucken besser, aber der Nahsaal war duster und hohlenartig, und nach etwa 4 Monaten fing ich an, Ratten auf den Bergen frisch gefarbter Baumwollhosen und in den Schatten unter den Handwagen zu sehen, auf denen Zuschnitte gebracht und fertige Kleidungsstucke weggefahren wurden.
Bei verschiedenen Gelegenheiten machte ich meine Arbeitskollegen auf diese Schadlinge aufmerksam. Sie behaupteten, sie nicht zu sehen. Vielleicht sahen sie sie wirklich nicht. Aber viel eher befurchteten sie, der Nahsaal konnte vorubergehend geschlossen werden, damit Kammerjager kommen und ihre Arbeit tun konnten. Die Naher und Naherinnen hatten drei Tageslohne oder sogar einen Wochenlohn verlieren konnen. Fur Manner und Frauen mit Familien ware das eine Katastrophe gewesen. Fur sie war es einfacher, Mr. Hanrahan zu erzahlen, ich sahe Gespenster. Das verstand ich. Und als sie anfingen, mich Crazy Wilf zu nennen? Auch das verstand ich. Ich kundigte nicht deshalb.
Ich kundigte, weil die Ratten immer naher heranruckten.
Ich hatte etwas Geld zuruckgelegt, von dem ich leben wollte, wahrend ich anderswo Arbeit suchte, aber das war nicht notig. Nur drei Tage nach meinem Ausscheiden bei Bilt-Rite sah ich in der Zeitung eine Stellenanzeige, mit der die offentliche Stadtbucherei von Omaha einen Bibliothekar
Wegen der Ratten, wissen Sie. Sie haben mich auch dort aufgespurt. Ich begann, sie im Binderaum auf Stapeln alter Bucher hocken oder uber die hochsten Facher der Wandregale flitzen zu sehen. Als ich letzte Woche im Leseraum fur eine altliche Benutzerin einen Band der Encyclop?dia Britannica herauszog (den Band
Haarnetz!
Den Lexikonband brachte ich der alten Dame, die um ihn gebeten hatte (sie trug eine Hermelinstola, deren schwarze
Eben hat mich eine von ihnen in den Knochel gezwickt. Als wollte sie sagen:
Und jetzt glaube ich zu horen … ist das nur meine Einbildung?
Nein.
Jemand ist zu Besuch gekommen.
Ich habe das Rohr verstopft, aber die Ratten sind trotzdem entkommen. Ich habe den Brunnen zugeschuttet, aber auch
Drei? Sind es drei? Ist auch das Madchen, das in einer besseren Welt meine Schwiegertochter geworden ware, mit dabei?
Ich glaube schon. Drei Leichname, die den Flur entlangschlurfen, ihre Gesichter (was davon ubrig ist) durch Rattenbisse entstellt. Arlette au?erdem mit verschobener unterer Gesichtshalfte … durch den Tritt einer verendenden Kuh.
Ein weiterer Biss in den Knochel.
Und noch einer!
Wie die Direktion sich …
Aua! Wieder einer. Aber sie sollen mich nicht bekommen. Auch meine Besucher nicht, obwohl ich sehen kann,
geschlacht
Die Pistole
Gott, wo ist die
aufhoren
O SIE SOLLEN AUHOREN, MICH ZU BEI
BIBLIOTHEKAR VERUBT SELBSTMORD IN HIESIGEM HOTEL
Bizarre Szene empfangt Sicherheitsmann