Jenseits der Fahrbahn, au?erhalb des Metallzauns, mit dem der County Airport eingezaunt war, erstreckte sich ein breiter Kiesstreifen. Dort bauten viele Leute tagsuber, wenn die Stra?e befahren war, alle moglichen Stande auf, weil
Nun, Krebs machte keinen Unterschied, was Geistesgaben betraf. Ob clever oder dumm, er wurde bald den Platz verlassen und seinen Spielerdress ausziehen mussen.
Wo einst der Schneemann seine Ware ausgelegt hatte, war ein Kartentisch aufgestellt. Den hinter ihm sitzenden pummeligen Mann schutzte ein gro?er gelber Schirm, der keck schrag gestellt war, vor den Strahlen der rot untergehenden Sonne.
Streeter stand eine Minute lang vor seinem Wagen, ware fast wieder eingestiegen (der pummelige Mann achtete nicht auf ihn; er schien sich auf einem kleinen tragbaren Fernseher etwas anzusehen), aber dann siegte seine Neugier doch. Er sah nach links und rechts, sah kein Auto kommen - die Verlangerung war um diese Zeit wie erwartet wie tot, weil alle Pendler zu Hause beim Abendessen sa?en und es fur
Der pummelige Mann sah auf. »Hallo«, sagte er. Bevor er den Fernseher ausschaltete, sah Streeter noch, dass der Kerl sich die Nachrichtensendung
»Na ja, was mit Ihnen ist, wei? ich nicht, aber mir ist es schon besser gegangen«, sagte Streeter. »Bisschen spat, um etwas zu verkaufen, oder? Au?er in der Hauptverkehrszeit herrscht hier kaum Verkehr. Wir sind hier namlich auf der Ruckseite des Airports. Hier wird nur Fracht angeliefert. Fluggaste fahren uber die Witcham Street an.«
»Ja«, sagte der pummelige Mann, »aber leider verbietet der Flachennutzungsplan kleine Stra?enstande wie meinen auf der belebten Seite des Flughafens.« Er schuttelte den Kopf uber die Ungerechtigkeit der Welt. »Ich wollte um sieben Schluss machen und heimfahren, aber ich hatte das Gefuhl, dass noch ein potenzieller Kunde vorbeikommen konnte.«
Streeter begutachtete den Tisch, sah nichts, was zu verkaufen war (au?er vielleicht der Fernseher), und lachelte. »Ich kann nicht wirklich ein Kunde sein, Mr. …?«
»George Elvid«, sagte der pummelige Mann. Er stand auf und streckte eine ebenso pummelige Hand aus.
Streeter schuttelte sie. »Dave Streeter. Und ich kann nicht wirklich ein Kunde sein, weil ich keine Ahnung habe, was Sie verkaufen. Auf den ersten Blick habe ich gedacht, auf dem Schild stunde
»Wunschen Sie denn eine Haarverlangerung?«, fragte Elvid und musterte ihn kritisch. »Das frage ich, weil Ihres schutter zu werden scheint.«
»Bald ist es ganz weg«, sagte Streeter. »Ich mache eine Chemo.«
»Du meine Gute. Das tut mir leid.«
»Danke. Was eine Chemo allerdings nutzen soll, wenn …« Er zuckte mit den Achseln. Irgendwie staunte er daruber, wie leicht es war, solche Dinge einem Fremden anzuvertrauen. Er hatte noch nicht einmal seine Kinder eingeweiht, obwohl Janet naturlich Bescheid wusste.
»Keine gro?en Chancen?«, fragte Elvid. In seiner Stimme lag einfaches Mitgefuhl - nicht mehr und nicht weniger -, und Streeter spurte, wie seine Augen sich mit Tranen fullten. Vor Janet zu weinen war ihm entsetzlich peinlich, und er hatte es nur zweimal getan. Hier, vor diesem Fremden, schien das in Ordnung zu sein. Trotzdem zog er sein Taschentuch aus der Hufttasche und fuhr sich damit uber die Augen. Uber dem Flugplatz setzte jetzt ein Sportflugzeug zur Landung an. Vor der roten Sonne wirkte seine Silhouette wie ein schwebendes Kruzifix.
»Gar keine Chance, hei?t es«, sagte Streeter. »Also ist die Chemo wohl nur … ich wei? nicht …«
»Augenwischerei?«
Streeter lachte. »Genau das ist sie!«
»Vielleicht sollten Sie daran denken, die Chemo gegen zusatzliche Schmerzmittel einzutauschen. Sie konnten aber auch einen kleinen Handel mit mir abschlie?en.«
»Wie ich anfangs schon gesagt habe, kann ich nicht wirklich ein Kunde sein, bevor ich wei?, was Sie verkaufen.«
»Na ja, die meisten Leute wurden es Schlangenol nennen«, sagte Elvid lachelnd und wippte hinter seinem Tisch auf den Fu?ballen. Streeter beobachtete mit gewisser Faszination, dass sein Schatten so lang und krank aussah wie sein eigener, obwohl George Elvid doch pummelig war. Aber wahrscheinlich sah jedermanns Schatten kurz vor Sonnenuntergang krank aus - vor allem im August, wenn das Ende der Tage sich schleichend lange hinauszog und irgendwie nicht ganz angenehm war.
»Ich sehe keine Flaschchen«, sagte Streeter.
Elvid stutzte alle zehn Finger auf den Tisch, lehnte sich darauf und wirkte plotzlich geschaftsma?ig. »Ich verkaufe Verlangerungen«, sagte er.
»Was den Namen dieser Stra?e als hubschen Zufall erscheinen lasst.«
»So habe ich’s noch nie betrachtet, aber wahrscheinlich haben Sie recht. Obwohl manchmal eine Zigarre nur eine Zigarre und ein Zufall nur ein Zufall ist. Jeder will eine Verlangerung, Mr. Streeter. Waren Sie eine junge Frau, die Shopping liebt, wurde ich Ihnen eine Kreditverlangerung anbieten. Waren Sie ein Mann mit einem kleinen Penis - Vererbung kann so grausam sein -, wurde ich Ihnen eine Pimmelverlangerung anbieten.«
Streeter fand diese Direktheit erstaunlich und erheiternd. Erstmals seit einem Monat - seit der Diagnose - verga? er, dass er an einer aggressiven und sich rasend schnell ausbreitenden Krebsart litt. »Sie scherzen.«
»Oh, ich bin ein gro?er Scherzbold, aber ubers Geschaft mache ich keine Witze. Ich habe zu meiner Zeit Dutzende von Pimmelverlangerungen verkauft und war in Arizona eine Zeit lang als
»Konnte ein Mann mit gro?er Nase - Sie wissen schon, wie Jimmy Durante - eine kleinere bekommen?«
Elvid schuttelte lachelnd den Kopf. »Jetzt scherzen
Streeter grinste amusiert. Eigentlich waren derartige Spa?e fur ihn jetzt au?er Reichweite, aber das Leben war voller Uberraschungen.
Elvid grinste ebenfalls, als ware dies ein ausgezeichneter Witz, den sie sich teilten. »Und einmal«, sagte er, »habe ich fur einen Maler - sehr begabter Mann -, der dabei war, in paranoide Schizophrenie abzurutschen, eine
»Wie teuer? Darf ich das fragen?«
»Eines seiner Gemalde, das jetzt mein Heim schmuckt. Sie wurden den Namen kennen; ein beruhmter italienischer Renaissancemaler. Sie haben ihn vermutlich studiert, falls Sie im College einen Kurs in Kunstbetrachtung belegt hatten.«
Streeter grinste weiter, machte aber vorsichtshalber einen Schritt ruckwarts. Er hatte die Tatsache akzeptiert, dass er sterben musste, aber das bedeutete nicht, dass er das heute, unter den Handen eines Kerls, der vielleicht aus der Irrenanstalt Juniper Hill in Augusta - wo geistesgestorte Straftater einsa?en - ausgebrochen war, tun wollte. »Was soll das also hei?en? Dass Sie sozusagen … ich wei? nicht … unsterblich sind?«
»Jedenfalls sehr langlebig«, sagte Elvid. »Was uns zu dem bringt, was ich fur Sie tun konnte, glaube ich. Sie hatten vermutlich gern eine
»Nicht zu machen, wie?«, sagte Streeter. In Gedanken berechnete er die Entfernung zu seinem Wagen und wie lange er brauchen wurde, um ihn zu erreichen.
»Naturlich ist das zu machen … aber es hat seinen Preis.«
Streeter, der fruher ein begeisterter Scrabble-Spieler gewesen war, hatte sich die Buchstaben von Elvids Namen bereits auf Spielsteinen vorgestellt und neu angeordnet. »Geld? Oder reden wir von meiner Seele?«
Elvid winkte mit einer Hand ab und begleitete die Geste mit einem schelmischen Augenrollen. »Ich wurde, wie man so sagt, eine Seele nicht erkennen, wenn sie mich in den Hintern bisse. Nein, wie so haufig ist Geld die Antwort. Funfzehn Prozent Ihres Einkommens in den kommenden funfzehn Jahren mussten reichen. Als