schlecht wurden, dass ihm der Ausschluss aus Schulmannschaften drohte, ist er in Panik geraten. Und wer sollte ihm dann helfen?«

»Sie!«, rief Elvid aus. In seiner Stimme schwang joviales Bedauern mit. »Der alte Mr. Zuverlassig. Sie haben ihm Nachhilfe gegeben, was? Vielleicht ein paar Arbeiten selbst geschrieben? Darauf geachtet, die Worter falsch zu schreiben, die Toms Lehrer bei ihm falsch geschrieben zu sehen erwarteten?«

»Schuldig im Sinne der Anklage. In der Abschlussklasse - in dem Jahr, in dem Tom in Maine als Sportler des Jahres ausgezeichnet wurde - war ich in Wirklichkeit zwei Schuler: Dave Streeter und Tom Goodhugh.«

»Schlimm.«

»Wissen Sie, was noch schlimmer war? Ich hatte damals eine Freundin. Eine Schonheit namens Norma Witten. Dunkelbraunes Haar, ebensolche Augen, makelloser Teint, wundervolle Backenknochen …«

»Traumhafter Busen …«

»In der Tat. Aber vom Sex-Appeal abgesehen …«

»Nicht dass Sie jemals dagegen immun gewesen waren.«

»… habe ich dieses Madchen geliebt. Wissen Sie, was Tom getan hat?«

»Sie Ihnen gestohlen!«, sagte Elvid emport.

»Korrekt. Die beiden sind sogar zu mir gekommen und haben mir alles gestanden, stellen Sie sich das mal vor.«

»Wie edel!«

»Haben behauptet, sie waren machtlos dagegen gewesen.«

»Haben behauptet, es ware Liebe, L-I-E-B-E.«

»Ja. Naturgewalt. Diese Sache ist starker als wir. Und so weiter.«

»Lassen Sie mich raten. Er hat ihr ein Kind gemacht.«

»Ja, das hat er.« Streeter betrachtete wieder seine Schuhe und erinnerte sich an einen bestimmten Rock, den Norma im vorletzten Schuljahr getragen hatte. Er war so geschnitten gewesen, dass er ein kleines Stuck des Slips darunter hatte sehen lassen. Das war fast drei?ig Jahre her, aber wenn Janet und er sich liebten, rief er sich manchmal dieses Bild ins Gedachtnis zuruck. Norma hatte er nie richtig geliebt - jedenfalls nicht bis zum Letzten; das hatte sie ihm verweigert. Aber fur Tom Goodhugh war sie gern bereit gewesen, ihr Hoschen auszuziehen. Bestimmt gleich beim ersten Mal, als er es verlangt hat.

»Und hat sie schwanger sitzenlassen.«

»Nein.« Streeter seufzte. »Er hat sie geheiratet.«

»Und sich dann scheiden lassen! Vielleicht nachdem er sie grun und blau geschlagen hatte?«

»Noch schlimmer. Sie sind weiterhin verheiratet. Drei Kinder. Wenn man sie im Bassey Park spazieren gehen sieht, halten sie meistens Handchen.«

»Das ist ungefahr die beschissenste Story, die ich je gehort habe. Schlimmer konnte es kaum kommen. Es sei denn…« Elvid sah unter buschigen Augenbrauen hervor scharfsinnig zu Streeter auf. »Es sei denn, Sie mussten feststellen, dass Sie im Eisberg einer lieblosen Ehe eingefroren sind.«

»Durchaus nicht«, sagte Streeter, den diese Vorstellung uberraschte. »Ich liebe Janet sehr, und sie liebt mich. Wie sie mir bei dieser Krebssache beigestanden hat, ist ganz au?ergewohnlich. Falls es im Universum so etwas wie Harmonie gibt, haben Tom und ich die richtigen Partnerinnen gefunden. Unbedingt. Aber …«

»Aber?« Elvid sah mit entzucktem Eifer zu ihm auf. Streeter spurte, wie seine Fingernagel sich in die Handflachen gruben. Statt nachzulassen, verstarkte er den Druck Schei?kerl hat sie mir gestohlen!« Das nagte seit Jahren an ihm, und es war ein gutes Gefuhl, diese Tatsache hinauszuschreien.

»Das hat er in der Tat, und wir horen nie auf, das Gewunschte zu begehren, ob das nun gut fur uns ist oder nicht. Finden Sie nicht auch, Mr. Streeter?«

Streeter gab keine Antwort. Er atmete keuchend wie ein Mann, der gerade einen Funfzigmeterspurt hingelegt hatte oder in eine Rangelei auf der Stra?e verwickelt gewesen war. Auf seinen zuvor blassen Wangen waren kleine rote hektische Flecken erschienen.

»Und ist das alles?« Elvid sprach im Tonfall eines gutigen Gemeindepfarrers.

»Nein.«

»Dann heraus damit. Drucken Sie dieses Geschwur aus.«

»Er ist Millionar. Er sollte keiner sein, aber er ist einer. Ende der Achtzigerjahre - nicht lange nach der Flut, die diese Stadt fast weggeschwemmt hat - hat er ein Mullabfuhrunternehmen gegrundet … nur hat er es Abfallentsorgung und Recycling genannt. Ein netterer Name, wissen Sie.«

»Keimfreier.«

»Er ist zu mir gekommen, um ein Darlehen zu beantragen, und obwohl sein Geschaftsmodell niemanden in der Bank uberzeugt hat, habe ich durchgesetzt, dass er den Kredit bekam. Wissen Sie, weshalb ich ihn durchgedruckt habe, Elvid?«

»Naturlich! Weil er Ihr Freund ist!«

»Raten Sie noch mal.«

»Weil Sie hofften, er wurde absturzen und verbrennen.«

»Richtig. Er hat seine gesamten Ersparnisse in vier Mullwagen gesteckt und eine Hypothek auf sein Haus aufgenommen, um ein Stuck Land an der Stadtgrenze von Newport

»Sagen Sie’s mir!«

»Mount Trashmore! Sie ist riesig! Mich wurde es nicht wundern, wenn sie radioaktiv verseucht ware! Sie ist mit Rasen abgedeckt, aber uberall stehen BETRETEN VERBOTEN-Schilder, und wahrscheinlich gibt es unter all dem hubschen grunen Gras ein Ratten-Manhattan! Wahrscheinlich sind die auch radioaktiv!«

Er verstummte, weil er merkte, wie lacherlich das klang, machte sich jedoch nichts daraus. Elvid war verruckt, aber … welch Uberraschung! Auch Streeter hatte sich als verruckt erwiesen! Zumindest in Bezug auf seinen alten Freund. Und …

In cancer veritas, dachte Streeter.

»Rekapitulieren wir also.« Elvid begann die Punkte an seinen Fingern abzuzahlen, die uberhaupt nicht lang, sondern so kurz, pummelig und harmlos waren wie seine ganze Erscheinung. »Tom Goodhugh hat schon als kleiner Junge besser ausgesehen als Sie. Er war in einem Ma? sportlich begabt, von dem Sie nur traumen konnten. Das Madchen, das seine glatten wei?en Schenkel auf dem Rucksitz Ihres Autos geschlossen gehalten hat, hat sie fur Tom geoffnet. Er hat es geheiratet. Sie lieben sich noch immer. Mit den Kindern alles okay?«

»Gesund und ansehnlich!«, knurrte Streeter. »Die Tochter heiratet bald, ein Junge studiert, der andere ist auf der Highschool! Und ist Kapitan des Footballteams! Ganz der gottverdammte Vater!«

»Richtig. Und - die Kirsche auf dem Sahnehaubchen - er ist reich, und Sie mussen sich mit einem Jahresgehalt von sechzigtausend oder so ahnlich durchschlagen.«

»Fur die Kreditgewahrung an ihn habe ich einen Bonus bekommen«, murmelte Streeter. »Weil ich Weitblick bewiesen habe.«

»Aber was Sie wirklich wollten, war eine Beforderung.«

»Woher wissen Sie das?«

»Ich bin jetzt Geschaftsmann, aber fruher war ich ein bescheidener Gehaltsempfanger. Bin rausgeflogen, bevor ich mich selbststandig gemacht habe. Das Beste, was mir je passiert ist. Ich wei? genau, wie so etwas lauft. Sonst noch was? Am besten reden Sie sich gleich alles von der Seele.«

»Er trinkt Spotted Hen Microbrew!«, rief Streeter aus. »Kein Mensch in Derry trinkt dieses Angeberbier! Nur er! Nur Tom Goodhugh, der Mullkonig!«

»Hat er einen Sportwagen?« Elvid sprach ruhig; seine Worte klangen wie mit Seide ausgeschlagen.

»Nein. Hatte er einen, konnten Janet und ich wenigstens Witze uber seine Sportwagen-Menopause machen. Er fahrt einen gottverdammten Range Rover

»Ich vermute, es konnte noch etwas geben«, sagte Elvid. »Dann sollten Sie sich das auch gleich von der Seele reden.«

»Er hat keinen Krebs«, flusterte Streeter. »Er ist einundfunfzig, genau wie ich, und gesund wie … wie ein gottverdammtes … Pferd

»Das sind Sie auch«, sagte Elvid.

Вы читаете Zwischen Nacht und Dunkel
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату