Vermittlungsgebuhr, konnte man sagen.«
»Das ware die Dauer meiner Verlangerung?« Streeter uberdachte die Idee, noch funfzehn Jahre langer leben zu konnen, mit wehmutiger Gier. Das erschien ihm wie eine sehr lange Zeit, vor allem wenn er sie mit dem verglich, was ihm tatsachlich bevorstand: sechs Monate Erbrechen, zunehmende Schmerzen, Koma, Tod. Dazu ein Nachruf, in dem zweifellos die Phrase »nach langem, tapferem Kampf gegen den Krebs« stehen wurde.
Elvid hob die Hande mit einer uberschwanglichen Werwei?-Geste bis in Schulterhohe. »Konnten auch zwanzig sein. Lasst sich nicht bestimmt voraussagen; es handelt sich hier um keine exakte Wissenschaft. Aber wenn Sie Unsterblichkeit erwarten, vergessen Sie’s. Ich verkaufe nur eine faire Verlangerung. Das Beste, was ich tun kann.«
»Genugt mir«, sagte Streeter. Der Kerl hatte ihn aufgeheitert, und wenn er einen Stichwortgeber fur seine Gags brauchte, war Streeter ihm gern gefallig. Jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt. Noch immer lachelnd, streckte er die Rechte uber den Tisch aus. »Funfzehn Prozent, funfzehn Jahre. Obwohl ich Ihnen sagen muss, dass Sie mit
»Das ist noch nicht alles«, sagte Elvid.
»Naturlich nicht«, sagte Streeter. Er seufzte und zog die Hand zuruck. »Mr. Elvid, es war sehr nett, mit Ihnen zu plaudern, Sie haben mich aufgeheitert, wie ich es nie fur moglich gehalten hatte, und ich hoffe, dass Sie Hilfe bei Ihren psychischen Proble…«
»Still, Sie dummer Kerl!«, sagte Elvid, und obwohl er weiter lachelte, hatte das jetzt nichts Angenehmes mehr an sich. Er wirkte plotzlich gro?er - mindestens eine Handbreit gro?er - und nicht mehr so pummelig.
»Wozu braucht ein Mann oder eine Frau eine Verlangerung? Haben Sie sich das schon mal gefragt?«
»Naturlich habe ich das«, sagte Streeter mit einem Anflug von Schroffheit. »Ich arbeite bei einer Bank, Mr. Elvid - Derry Savings. Kunden bitten mich dauernd, ihre Kredite zu verlangern.«
»Dann wissen Sie, dass Leute
»Genau, wir leben in einer kleinarschigen Welt«, sagte Streeter.
»Ganz recht. Aber sogar Dinge, die nicht da sind, haben Gewicht.
Streeter studierte Elvid fasziniert. Der vorubergehende Eindruck, der Mann sei gro?er (und lasse beim Lacheln zu viele Zahne sehen), war verschwunden. Es war nur ein kleiner pummeliger Mann, der wahrscheinlich die grune Karte eines ambulanten Patienten in Juniper Hill oder im Acadia Mental Health in seiner Geldborse hatte. Falls er eine Geldborse
»Kann ich zur Sache kommen, Mr. Streeter?«
»Bitte.«
»Sie mussen die Last verlagern. Ganz einfach gesagt: Sie mussen jemanden ins Ungluck sturzen, wenn das Ungluck
von Ihnen genommen werden soll.«
»Ich verstehe.« Und das tat er. Elvid sprach wieder verstandlich, und seine Botschaft war ein Klassiker.
»Aber es kann nicht einfach irgendwer sein. Das alte anonyme Opfer ist versucht worden, aber es funktioniert nicht. Es muss jemand sein, den Sie hassen. Gibt es jemanden, den Sie hassen, Mr. Streeter?«
»Ich bin nicht allzu begeistert von Kim Jong-il«, sagte Streeter. »Und ich finde, dass fur die Schweine, die den Anschlag auf die USS
»Ernsthaft oder fort mit Ihnen«, sagte Elvid und wirkte wieder gro?er. Streeter fragte sich, ob das irgendeine verruckte Nebenwirkung seiner Medikamente sein konnte.
»Wenn Sie mein Privatleben meinen, da hasse ich niemanden. Es gibt Leute, die ich nicht besonders
»Wenn ich den verstorbenen Dino Martino mal falsch zitieren darf, Mr. Streter, hasst jedermann irgendwann einmal jemanden.«
»Will Rogers hat gesagt …«
»Er war ein Lasso schwingender Hochstapler, der seinen Hut tief in die Stirn gedruckt getragen hat wie ein kleiner Junge, der Cowboy spielt. Aber wenn sie wirklich niemanden hassen, konnen wir nicht ins Geschaft kommen.«
Streeter dachte daruber nach. Er starrte seine Schuhspitzen an und sprach mit dunner Stimme, die er kaum als seine eigene erkannte. »Vermutlich hasse ich Tom Goodhugh.« Obwohl es dabei in Wirklichkeit kein
»Wer ist er in Ihrem Leben?«
Streeter seufzte. »Seit der Grundschule mein bester Freund.«
Nun folgte kurzes Schweigen, bevor Elvid schallend laut zu lachen begann. Er sturzte hinter dem Kartentisch hervor, klopfte Streeter auf den Rucken (mit einer Hand, die sich kalt anfuhlte, und Fingern, die lang und dunn statt kurz und pummelig zu sein schienen), dann ging er mit gro?en Schritten zu seinem Klappstuhl zuruck. Er lie? sich hineinfallen, prustete und grolte weiter. Sein Gesicht war puterrot, und auch die Lachtranen, die ihm ubers Gesicht liefen, sahen im Licht der untergehenden Sonne rot - tatsachlich blutig - aus.
Elvid konnte sich nicht langer beherrschen. Er brach in Lachsalven und Freudengeheul und Lachkrampfe aus, die seinen Wanst beben lie?en, wobei sein Kinn (eigenartig spitz fur ein so rundliches Gesicht) vor dem unschuldigen (aber dunkler werdenden) Sommerhimmel auf und ab wippte. Schlie?lich gewann er die Selbstbeherrschung wieder.
»Das ist ausgezeichnet, Mr. Streeter«, sagte er. »Wir konnen ins Geschaft kommen.«
»He, das ist gro?artig«, sagte Streeter und machte einen weiteren Schritt ruckwarts. »Ich genie?e meine funfzehn zusatzlichen Jahre schon jetzt. Aber ich parke auf dem Radweg, und das ist strafbar. Dafur konnte ich einen Strafzettel bekommen.«
»Machen Sie sich deswegen keine Sorgen«, sagte Elvid. »Wie Sie vielleicht gemerkt haben, ist hier kein einziges
Streeter sah sich unbehaglich um. Es stimmte. Er konnte druben auf der Witcham Street zwar den Verkehr horen, der zum Upmile Hill unterwegs war, aber hier war Derry vollig verlassen.
Aber
»Erzahlen Sie mir, weshalb Sie Ihren besten Freund hassen«, forderte Elvid ihn auf.
Streeter erinnerte sich daran, dass dieser Mann verruckt war. Was Elvid vielleicht weitererzahlte, wurde kein Mensch glauben. Das war ein befreiender Gedanke.
»Tom hat besser ausgesehen, als wir Jungen waren, und er sieht jetzt
»Ich glaube nicht, dass es dafur Cheerleaderformationen gibt«, sagte Elvid.
Streeter lachelte grimmig und erwarmte sich allmahlich fur sein Thema. »Tom ist echt clever, aber er war in der Derry High stinkfaul. Seine Ambitionen, aufs College zu gehen, waren gleich null. Aber wenn seine Noten so