Sie lachte und horte erleichtert, dass das echt klang … wenigstens so real, dass kein Unterschied zu erkennen war. Und weshalb sollte ihr kein richtiges Lachen gestattet sein? Warum zum Teufel eigentlich nicht? Sie liebte ihn und wurde die Unschuldsvermutung fur ihn gelten lassen. Ruckhaltlos. Ihr blieb gar nichts anderes ubrig. Man konnte Liebe nicht abstellen - sogar die geistesabwesende, oft als selbstverstandlich vorausgesetzte Liebe nach siebenundzwanzig Ehejahren -, wie man einen Wasserhahn zudrehte. Liebe kam aus dem Herzen, und das Herz hatte seine eigenen Erfordernisse.
»Bobby, du rufst
»Schuldig im Sinne der Anklage. Ruf mich jederzeit an, wenn du …«
»… etwas brauchst, und wenn’s noch so spat ist«, erganzte Darcy fur ihn. Jetzt fuhlte sie sich fast wieder wie sie selbst. Wirklich erstaunlich, wie viele schwere Schlage die menschliche Psyche einstecken konnte, ohne am Boden zerstort zu sein. »Das tue ich.«
»Liebe dich, Schatz.« Die Schlussformel so vieler Telefongesprache uber die Jahre hinweg.
»Liebe dich auch«, sagte sie lachelnd. Dann legte sie den Horer auf, druckte die Stirn an die Wand und begann zu weinen, bevor das Lacheln ihr Gesicht verlassen konnte.
6
Ihr Computer, ein iMac, der alt genug war, um modisch retro zu wirken, stand im Hauswirtschaftsraum. Sie benutzte ihn selten fur etwas anderes als E-Mails und eBay, aber jetzt offnete sie Google und tippte den Namen Marjorie Duvall ein. Sie zogerte, bevor sie auch
Darcy kehrte langsam an ihren Computer zuruck, schlurfte dahin wie ein Kind, das genau wusste, dass es eine Strafe fur etwas zu erwarten hatte, was ihre Mutter etwas
Das zweite Ergebnis kam vom
Auf dem Zeitungsfoto sah Marjorie Duvall viel hubscher aus: Es war eine Atelieraufnahme, die sie in klassischer Pose in einem schulterfreien schwarzen Chiffonabendkleid zeigte. Sie trug das Haar offen und war auf diesem Bild viel heller blond. Darcy fragte sich, ob ihr Ehemann dieses Foto zur Verfugung gestellt hatte. Sie vermutete, dass er es getan hatte. Sie vermutete, es habe im Haus 17 Honey Lane auf dem Kaminsims gestanden oder in der Diele gehangen. Die attraktive Dame des Hauses, die die Gaste mit ihrem ewigen Lacheln begru?te.
Eine von Bobs Redensarten. Diese hatte sie nie sehr gemocht, und sie hasste es, sie jetzt im Kopf zu haben.
Marjorie Duvall war sechs Meilen von ihrem Haus in South Gansett entfernt in einer Schlucht knapp jenseits der Stadtgrenze von North Conway aufgefunden worden. Der County Sheriff spekulierte, der Tod sei wahrscheinlich durch Erwurgen eingetreten, aber das konne er nicht mit Bestimmtheit sagen; diese Feststellung sei Sache des Leichenbeschauers
Das ergab eine naturliche Uberleitung zu einer vollstandigen Aufzahlung der bisherigen Morde. Der erste hatte sich im Jahr 1977 ereignet. Im Jahr 1978 hatte es zwei gegeben, einen weiteren 1980 und zwei weitere 1981. Zwei der Morde waren in New Hampshire verubt worden, zwei in Massachusetts, der funfte und sechste in Vermont. Danach war eine Pause von sechzehn Jahren eingetreten. Die Polizei vermutete, dass eines von drei Ereignisse eingetreten war: Beadie war innerhalb Amerikas umgezogen und ging seinem Hobby nun andernorts nach, Beadie war wegen einer anderen Straftat verurteilt worden und sa? im Gefangnis, oder Beadie hatte Selbstmord verubt. Wie ein Psychiater ausfuhrte, den der Reporter fur seine Story befragt hatte, sei als Einziges
Ihr geheimes Leben. Was fur ein vergiftetes Bonbon dieser Ausdruck war.
Beadies sechstes Opfer war eine Frau aus Barre gewesen, die der Fahrer eines Schneepflugs in der Woche vor Weihnachten in einer Schneewehe entdeckt hatte.
Dann war Bob Anderson mit einem Lacheln auf den Lippen in ihr Leben getreten - Bob, der sie zum Mitkommen eingeladen und sich nicht hatte abwimmeln lassen. Das musste kein Vierteljahr nach dem Tag gewesen sein, an dem der Schneepflugfahrer das letzte Opfer aus Beadies »erstem Zyklus« entdeckt hatte. Sie hatten sich verliebt. Und Beadie hatte sechzehn Jahre lang nicht mehr gemordet.
Ihretwegen? Weil er sie liebte? Weil er aufhoren wollte,
Netter Versuch, aber die Plastikkarten, die sie in der Garage versteckt gefunden hatte, machten die Vorstellung, alles konnte ein Zufall gewesen sein, weit weniger wahrscheinlich.
Beadies siebtes Opfer, das erste aus seinem »neuen Zyklus«, wie die Zeitung schrieb, war Stacey Moore gewesen, eine Frau aus Waterville, Maine. Ihr Mann hatte sie in ihrem Keller aufgefunden, als er aus Boston zuruckgekommen war, wo er sich mit Freunden ein paar Spiele der Red Sox angesehen hatte. Das war im August 1997 gewesen. Ihr Kopf hatte in einem Kasten mit Zuckermais gesteckt, den die Moores an der Route 106 frisch von der Farm verkauften.
Zwei Tage spater waren Stacey Moores Fuhrerschein und ihre Blue-Cross-Karte von einem Gummiband zusammengehalten in Augusta eingetroffen - in Druckschrift an BLODMANN JUSTIZMINNISTER ABT. KRINIMAL- ERMITTLUNGEN adressiert. Beigelegt war eine Mitteilung:
Diese Sendung erkannten die auf den Fall Moore angesetzten Kriminalbeamten sofort wieder. Ahnliche gestohlene Ausweiskarten - und ahnlich gut gelaunte Mitteilungen - waren nach allen bisherigen Morden eingetroffen. Der Tater wusste, wann seine Opfer allein waren. Er folterte sie, vor allem durch Bisse; er vergewaltigte oder missbrauchte sie sexuell; er ermordete sie; er schickte ihre Ausweise einige Wochen oder Monate spater an irgendeine Polizeidienststelle. Verspottete sie damit.
Im Jahr 2004 hatte Beadie einen weiteren Mord verubt, dann seinen neunten und zehnten im Jahr 2007. Diese beiden waren die scheu?lichsten gewesen, weil eines der Opfer ein Kind gewesen war. Der zehnjahrige Sohn der Frau war wegen Magenschmerzen aus der Schule heimgeschickt worden und hatte Beadie offenbar bei der Arbeit uberrascht. Die Leiche des Jungen war mit der seiner Mutter in einem Bach aufgefunden worden. Als die Ausweise der Frau - zwei Kreditkarten und ein Fuhrerschein - bei der Massachusetts State Police eingegangen waren, hatte auf der beigelegten Karte gestanden: