nicht im Sommer 1922 sein. Oder im Herbst.
Ich schuttelte Lars die Hand und erkundigte mich, wie es ihm gehe.
»Leidlich gut«, sagte er, »aber ausgetrocknet. Ich konnte einen Schluck vertragen.«
Ich nickte zur Ostseite des Hauses hinuber. »Du wei?t, wo die Pumpe ist.«
»Klar doch«, sagte er und knallte die Motorhaube mit einem metallischen Scheppern zu, das die Huhner, die langsam zuruckgekommen waren, erneut fluchten lie?. »Su? und kalt wie immer, was?«
»Das wurde ich sagen«, stimmte ich zu, wahrend ich dachte:
Er machte sich auf den Weg zur schattigen Seite des Hauses, wo die Wasserpumpe unter dem kleinen Schutzdach stand. Mr. Lester sah ihm nach, dann wandte er sich wieder mir zu. Er hatte seinen Staubmantel aufgeknopft. Der Anzug darunter wurde in die Reinigung mussen, wenn er nach Lincoln, Omaha, Deland oder sonst wohin zuruckkam, wo er wohnte, wenn er nicht in Cole Farringtons Geschaften unterwegs war.
»Ich konnte selbst einen Schluck brauchen, Mr. James.«
»Ich auch. Zaune reparieren ist hei?e Arbeit.« Ich betrachtete ihn von oben bis unten. »Aber nicht so hei?, wie zwanzig Meilen in Lars’ Wagen zu fahren, mochte ich wetten.«
Er rieb sich den Hintern und lachelte sein Anwaltslacheln. Diesmal wirkte es eher so, als wurde er den Tag verwunschen. Ich konnte allerdings sehen, wie sein Blick gehetzt in alle Richtungen flitzte. Man durfte diesen Mann nicht unterschatzen, nur weil er angewiesen worden war, an einem hei?en Sommertag zwanzig Meilen weit aufs Land hinauszurattern. »Davon erholt meine Sitzflache sich vielleicht nie wieder.«
An einer Stutze des Schutzdachs hing an einer Kette eine Schopfkelle. Lars pumpte sie voll, trank sie aus, wobei sein Adamsapfel in seinem durren, von der Sonne verbrannten
»Klar«, stimmte ich zu, »aber ich wurde Sie so wenig ins Haus einladen, wie ich Ihnen die Hand schuttele.«
Lars Olsen merkte, woher der Wind blies, und sah zu, dass er zu seinem Lieferwagen zuruckkam. Aber zuvor gab er Lester die Schopfkelle. Mein Besucher trank nicht mit gierigen Zugen wie Lars, sondern mit affektierten kleinen Schlucken. Mit anderen Worten wie ein Anwalt - aber er horte nicht auf, bevor die Schopfkelle leer war, und auch das sah einem Anwalt ahnlich. Dann knallte die Fliegengittertur, und Henry, der seine Latzhose trug, kam barfu? aus dem Haus. Sein Blick streifte uns scheinbar vollig desinteressiert - guter Junge! -, dann tat er, was jeder aufgeweckte Farmerjunge gemacht hatte: Er sah zu, wie Lars an seinem Lieferwagen arbeitete, um mit etwas Gluck in die Mysterien des Motors eingeweiht zu werden.
Ich setzte mich auf den Holzsto?, den wir vor dem Haus aufgestapelt hatten. »Ich nehme an, dass Sie geschaftlich hier sind. In Sachen meiner Frau.«
»Ganz recht.«
»Na ja, Sie haben eine Erfrischung bekommen, also sollten wir uns jetzt dranmachen. Ich habe noch viel Arbeit vor mir, und es ist schon drei Uhr nachmittags.«
»Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Das Farmerleben ist schwer.« Er seufzte, als wurde er sich da auskennen.
»Stimmt, und eine schwierige Frau kann es noch schwerer machen. Sie kommen vermutlich von ihr, aber ich wei? nicht, warum - wenn es nur um irgendwelchen juristischen Papierkram geht, ware wohl ein Deputy Sheriff rausgekommen und hatte ihn mir zugestellt.«
Er sah mich uberrascht an. »Ihre Frau hat mich nicht hergeschickt, Mr. James. Eigentlich bin ich rausgekommen, um sie hier
Das Ganze glich einem Buhnenstuck, und das war mein Stichwort, den Uberraschten zu spielen. Und dann glucksend zu lachen, weil in der Regieanweisung als Nachstes glucksendes Lachen stand. »Das ist der beste Beweis.«
»Wofur?«
»In meiner Kindheit hatten wir einen Nachbarn, einen widerlichen alten Kerl namens Bradlee. Alle Leute haben ihn Paps Bradlee genannt.«
»Mr. James …«
»Mein Vater, der manchmal geschaftlich mit ihm zu tun hatte, hat mich ein paarmal mitgenommen. Mit Pferd und Wagen, wie’s noch ublich war. Bei ihren Geschaften ist es um Saatmais gegangen, zumindest im Fruhjahr, aber manchmal haben sie auch Werkzeug getauscht. Damals hat es noch keinen Versandhandel gegeben, und ein gutes Werkzeug konnte die Runde durch die ganze County machen, bevor es wieder heimfand.«
»Mr. James, ich sehe nicht ganz …«
»Und immer wenn wir zu dem alten Kerl gefahren sind, hat meine Mama mich aufgefordert, wegzuhoren, weil jedes zweite Wort aus Paps Bradlees Mund ein Fluch oder eine Zote war.« Diese Sache fing an, mir auf sauerliche Weise Spa? zu machen. »Also habe ich naturlich umso aufmerksamer zugehort. Einen von Paps Bradlees Lieblingsspruchen wei? ich noch gut: ›Besteig keine Stute ohne Zugel, denn man wei? nie, wohin das Miststuck rennt.‹«
»Erwarten Sie von mir, dass ich das verstehe?«
»Wohin, glauben Sie denn, ist
»Soll das hei?en, dass Ihre Frau …?«
»Sie ist abgehauen, Mr. Lester. Hat sich aus dem Staub gemacht. Sich franzosisch empfohlen. Die Fliege gemacht. Als eifriger Leser, der sich fur amerikanische Umgangssprache interessiert, fallen mir jede Menge solcher Ausdrucke ein. Lars jedoch - wie die meisten anderen Hemingforder - wurde nur sagen: ›Sie ist weggelaufen und hat ihn sitzenlassen‹, wenn die Nachricht die Runde macht. Oder ihn und den Jungen, um genau zu sein. Ich dachte naturlich, sie wurde zu ihren tierlieben Freunden bei der Farrington Company gehen, und ich wurde als Nachstes die Mitteilung erhalten, dass sie das Land ihres Vaters verkaufen will.«
»Das will sie allerdings.«
»Hat sie den Vertrag schon unterschrieben? Dann musste ich wohl vor Gericht gehen.«
»Das hat sie noch nicht getan. Sollte sie das jedoch, mochte ich Ihnen schon jetzt davon abraten, einen teuren Prozess anzustrengen, den Sie bestimmt verlieren wurden.«
Ich stand auf. Ein Trager meiner Latzhose war mir von der Schulter gerutscht, und ich hakte ihn mit einem Daumen wieder hoch. »Tja, da sie nicht hier ist, ist das eine ›hypothetische Frage‹, wie die Juristen sagen, finden Sie nicht auch? An Ihrer Stelle wurde ich sie in Omaha suchen.« Ich lachelte. »Oder in Saint Louis. Sie hat
»Sie werden entschuldigen, wenn ich das sage, aber das alles erscheint mir hochst befremdlich, Mr. James.« Aus einer inneren Anzugtasche - reisende Anwalte wie er hatten bestimmt jede Menge Taschen - hatte er ein Seidentaschentuch gezogen, mit dem er sich nun das Gesicht abtupfte. Seine Wangen waren jetzt nicht nur gerotet, sondern
»Auch ich werde mich erst daran gewohnen mussen, aber ich bin Ihnen gegenuber im Vorteil.«
»Ja?«
»Ich kenne sie. Ich bin mir sicher, dass Sie und Ihre
»Durfte ich im Haus nachsehen?«
Ich lachte nochmals, und diesmal brauchte ich mich nicht dazu zu zwingen. Der Mann hatte Nerven, das musste man ihm lassen, und dass er nicht mit leeren Handen abziehen wollte, war verstandlich. Er war zwanzig Meilen weit in einem staubigen Lieferwagen ohne Turen gefahren, er musste sich weitere zwanzig Meilen durchrutteln lassen, bevor er nach Hemingford City zuruckkam (von wo aus er bestimmt mit dem Zug weiterfahren musste), er hatte einen wunden Hintern, und die Leute, die ihn losgeschickt hatten, wurden uber seinen Bericht, den er nach all diesen Strapazen erstatten konnte, nicht erfreut sein. Armer Kerl!
»Ich will meinerseits etwas fragen: Wurden Sie die Hose runterlassen, damit ich mir Ihre Kronjuwelen ansehen kann?«