Hauser horte ihm zu und paffte seine Zigarre.
Philip hielt inne. »Hat er mit Ihnen Kontakt aufgenommen?«
Hauser schuttelte den Kopf und stie? ein weiteres Wolkchen aus. »Seit vierzig Jahren nicht.«
»Irgendwann im letzten Monat«, fuhr Philip fort, »ist er mit seinem gesamten Krimskrams verschwunden. Er hat uns ein Video hinterlassen.«
Hauser zog fragend die Brauen hoch.
»Es enthalt mehr oder weniger sein Testament. Er hat gesagt, er nehme alles mit ins Grab.«
»Er hat alles mitgenommen. Wirklich alles. Das Geld, die Kunstgegenstande, seine ganze Sammlung. Wie ein agypti-scher Pharao. Er hat sich irgendwo auf der Welt in eine Grabkammer zuruckgezogen und uns eine Herausforderung hinterlassen: Wenn wir das Grab finden, konnen wir es ausrauben. Das namlich ist seine Vorstellung, wie wir uns unser Erbe verdienen sollen.«
Hauser lehnte sich zuruck. Er lachte laut und ausgiebig.
Als er sich erholt hatte, zog er mehrmals trage an seiner Zigarre. Dann streckte er die Hand aus und klopfte funf Zentimeter Asche ab. »Einen so schragen Plan kann sich auch nur Max ausdenken.«
»Sie wissen also nichts davon?«, fragte Philip.
»Nichts.« Hauser schien die Wahrheit zu sagen.
»Sie sind doch Privatdetektiv«, sagte Philip.
Hauser schob die Zigarre von einem Mundwinkel in den anderen.
»Sie sind mit ihm aufgewachsen. Sie haben ein Jahr mit ihm im Dschungel verbracht. Sie kennen ihn. Sie wissen besser als jeder andere, wie er gearbeitet hat. Hatten Sie vielleicht Lust, mir als Privatermittler bei der Suche nach seinem Grab behilflich zu sein?«
Eine Wolke blauen Dunstes entstromte Hausers Mund.
»Ich habe nicht den Eindruck, dass dies ein schwieriger Auftrag ist«, fuhr Philip fort. »Eine Kunstsammlung dieser Gro?e kann man nicht transportieren, ohne dass es jemandem auffallt.«
»In Max' Gulfstream IV wurde sie aber reinpassen.«
»Ich bezweifle, dass er sich in seinem Flugzeug begraben lasst.«
»Die Wikinger haben sich in ihren Schiffen bestatten las-
sen. Vielleicht hat Max seine Sammlung in luftdichte und druckfeste Behalter verpackt und die Maschine mitten uber der unergrundlichen Weite des Pazifik absturzen lassen, wo sie jetzt unter drei Kilometer Wasser verborgen ist.« Hauser breitete lachelnd die Hande aus.
»Nein«, erwiderte Philip. Er tupfte sich die Stirn ab und versuchte, das Bild des Lippi-Gemaldes zu verdrangen, das drei Kilometer unter dem Meeresspiegel in schlammigen Untiefen eingeklemmt war. »Das glauben Sie doch selbst nicht, oder?«
»Ich sage ja nicht,
»Halbbruder. Nein. Ich habe beschlossen, die Grabkammer allein zu finden.«
»Was sind die Plane Ihrer Bruder?«
»Ich wei? es nicht. Und offen gesagt, ist es mir auch egal.
Naturlich werde ich das, was ich finde, mit ihnen teilen.«
»Erzahlen Sie mir was uber sie.«
»Tom ist vermutlich derjenige, vor dem man sich in Acht nehmen muss. Er ist der jungste. Als wir Kinder waren, war er der wildeste. Er gehort zu denen, die immer als Erster von einer Klippe ins Wasser springen und Steine auf ein Wespennest werfen. Er ist aus mehreren Schulen geflogen, aber im College hat er Vernunft angenommen und sich seither immer wacker durchgeschlagen.«
»Und der andere, Vernon?«
»Er lebt momentan bei einer pseudobuddhistischen Sekte, die ein Ex-Professor aus Berkeley anfuhrt. Vernon war immer ein Wirrkopf. Er hat alles ausprobiert: Drogen, Sekten, Selbsthilfegruppen. Als Kind hat er standig angefahrene Katzen und Hunde mitgebracht - und Vogelchen, die von ihren gro?eren Geschwistern aus dem Nest geworfen wurden. So was in der Art. Alle Tiere, die er mit nach Hause brachte, sind eingegangen. In der Schule hatten die anderen Kinder ihn immer auf dem Korn. Er hat das College abgebrochen und hatte noch nie eine feste Stellung. Er ist ein lieber Kerl, aber ... Er kann einfach nicht erwachsen werden.«
»Was tun die beiden im Moment?«
»Tom ist auf seine Ranch in Utah zuruckgekehrt. Soweit ich wei?, hat er die Suche nach der Grabkammer aufgegeben. Vernon sagt, dass er sie auch allein findet. Er mochte nicht, dass ich dabei mitmische.«
»Wei? au?er Ihren Brudern sonst noch jemand von der Sache?«
»Es gibt noch zwei Bullen in Santa Fe, die das Video gesehen haben und die ganze Geschichte kennen.«
»Ihre Namen?«
»Barnaby und Fenton.«
Hauser machte sich Notizen. An seinem Telefon blinkte ein Lampchen auf, und er hob ab. Er horte jemandem eine ganze Weile zu, dann gab er schnell und leise eine Antwort und tatigte einen weiteren Anruf. Dann noch einen. Und noch einen. Philip empfand Verargerung, weil er in seiner Gegenwart anderen Geschaften nachging und seine Zeit vergeudete.
Hauser legte auf. »Sind irgendwelche Ehefrauen oder Geliebte uber die Sache im Bilde?«
»Es gibt funf Ex-Frauen. Vier leben noch, eine ist gestorben. Von Geliebten kann momentan keine Rede sein.«
Hausers Oberlippe krauselte sich leicht. »Max kam bei den Damen immer gut an.«
Wieder machte sich Stille breit. Hauser schien nachzudenken. Dann rief er zu Philips Verargerung erneut jemanden an und unterhielt sich mit leiser Stimme. Schlie?lich legte er den Horer auf.
»Nun, Philip - und was wissen Sie uber mich?«
»Nur, dass Sie der Partner meines Vaters auf seinen Forschungsreisen waren; dass Sie sich miteinander ein paar Jahre in Mittelamerika herumgetrieben haben. Und dass Sie sich verkracht haben.«
»Stimmt. Wir haben zusammen fast zwei Jahre in Mittelamerika verbracht und Maya-Grabstatten gesucht, um sie auszugraben. Das war in den Sechzigerjahren, als es noch mehr oder weniger illegal war. Wir haben zwar ein paar Sachen entdeckt, aber erst nach unserer Trennung hat Max einen gro?en Fund gemacht und ist reich geworden. Ich bin nach Vietnam gegangen.«
»Und der Krach? Vater hat nie daruber geredet.«
Wieder eine unbehagliche Pause. »Max hat nie daruber geredet?«
»Nein.«
»Ich kann mich selbst kaum noch dran erinnern. Sie wis-
sen ja, wie es ist, wenn zwei Menschen uber einen langen Zeitraum hinweg zusammenhocken: Sie gehen sich auf die Nerven.« Hauser legte die Zigarre in einem Kristallaschen-becher ab. Er war so gro? wie ein Teller und wog vermutlich zwanzig Pfund. Philip fragte sich, ob es ein Fehler gewesen war, hierher zu kommen. Hauser schien ihm nicht gerade eine gro?e Leuchte zu sein.
Das Telefon blinkte erneut. Hauser nahm ab. Nun reichte es Philip. Er stand auf. »Ich komme wieder, wenn Sie weniger beschaftigt sind«, sagte er knapp.
Hauser gab ihm mit einem goldberingten Finger zu verstehen, er moge warten.
Er lauschte eine Weile in den Horer hinein, dann legte er auf. »Sagen Sie mal, Philip: Was ist so besonderes an Honduras?«
»Honduras? Was hat das mit der Sache zu tun?«
»Weil Max dorthin gegangen ist.«
Philip stierte ihn an. »Sie waren also doch schon an der Sache dran!«
Hauser lachelte. »Ganz und gar nicht. Genau darum ging es bei dem Telefonat, das ich gerade gefuhrt habe. Vor ungefahr vier Wochen hat sein Pilot ihn und eine Frachtla-dung in eine honduranische Stadt namens San Pedro Sula geflogen. Von dort aus ist er mit einem Militarhubschrau-ber zu einem Ort namens Brus Laguna gereist. Dann ist er verschwunden.«
»Das alles haben Sie gerade herausgekriegt?«