Hauser erzeugte eine neue gewaltige Rauchwolke. »Ich bin Privatdetektiv.«

»Und wie mir scheint, nicht der schlechteste.«

Hauser stie? nachdenklich eine weitere Wolke aus. »Sobald ich mit dem Piloten gesprochen habe, wei? ich mehr.

Zum Beispiel, was fur eine Ladung in der Maschine war und wie viel sie gewogen hat. Ihr Vater hat sich keine Muhe gemacht, seine Spuren nach Honduras zu verwischen.

Wussten Sie, dass wir mal zusammen dort waren? Es uberrascht mich nicht, dass er dorthin gegangen ist. Honduras ist gro? und das Landesinnere so unzuganglich wie kein anderes auf der Welt. Da gibt es dichte, gebirgige Dschungelgebiete, in denen niemand lebt. Sie werden von tiefen Schluchten zerschnitten und enden an der Moskito-Kuste.

Ich nehme an, dorthin ist er gegangen - ins Landesinnere.«

»Das ist plausibel.«

»Ich ubernehme den Fall«, sagte Hauser.

Philip empfand Gereiztheit. Er erinnerte sich nicht daran, ihm den Auftrag offiziell angeboten zu haben. Der Bursche hatte seine Kompetenz allerdings schon unter Beweis gestellt, und da er die Geschichte nun kannte, musste er wohl mit ihm auskommen. »Wir haben noch nicht uber Ihr Honorar gesprochen.«

»Ich benotige einen Spesenvorschuss. Ich rechne damit, dass der Fall teuer wird. Wenn man in einem Land der Dritten Welt Geschafte macht, muss man alle Nase lang irgendeinen Tomas, Rico oder Orlando schmieren.«

»Ich hatte eigentlich an ein Erfolgshonorar gedacht«, erwiderte Philip schnell. »Wenn wir die Sammlung finden, krie-

gen Sie, sagen wir mal, ein paar Prozente. Au?erdem sollte ich erwahnen, dass ich vorhabe, mit meinen Brudern zu teilen. Das ist nur gerecht.«

»Erfolgshonorare sind was fur Anwalte, die sich mit Auto-versicherungen herumstreiten. Ich brauche einen Spesenvorschuss. Im Erfolgsfall wird eine zusatzliche Pramie fallig.«

»Einen Spesenvorschuss? In welcher Hohe etwa?«

»Zweihundertfunfzigtausend Dollar.«

Philip ware beinahe in Gelachter ausgebrochen. »Wie kommen Sie darauf, dass ich so viel Geld habe?«

»Ich komme nie auf was, Mr. Broadbent. Ich wei? etwas.

Verkaufen Sie den Klee.«

Philip spurte, dass sein Herz einen Schlag aussetzte.

»Was?«

»Verkaufen Sie das gro?e Aquarell von Paul Klee, das Sie besitzen. Die blaue Kirche. Es ist ein schones Bild. Ich konnte es vermutlich fur vierhundert Mille an den Mann bringen.«

Philip explodierte. »Ich soll ihn verkaufen? Niemals! Mein Vater hat mir das Gemalde geschenkt!«

Hauser zuckte die Achseln.

»Woher wissen Sie uberhaupt, dass es mir gehort?«

Hauser lachelte und hielt ihm seine weichen wei?en Handflachen wie Calla-Lilien entgegen. »Sie wollen doch den Besten anheuern, Mr. Broadbent, nicht wahr?«

»Ja, aber das ist Erpressung!«

»Ich erklare Ihnen mal, wie ich arbeite.« Hauser neigte sich vor. »Meine erste Loyalitat gilt dem Fall, nicht dem Klienten. Wenn ich einen Fall annehme, lose ich ihn auch, egal welche Konsequenzen dies fur den Klienten hat. Ich behalte den Vorschuss. Im Erfolgsfall bekomme ich ein Zu-satzhonorar.«

»Diese Diskussion ist irrelevant. Ich werde den Klee nicht verkaufen.«

»Manchmal verliert ein Klient die Nerven und mochte einen Ruckzieher machen. Manchmal widerfahrt braven Menschen auch Boses. Dann gebe ich ihren kleinen Lieblin-gen ein Kusschen, gehe zur Beerdigung und mache weiter, bis der Fall gelost ist.«

»Sie konnen nicht erwarten, dass ich das Gemalde verkaufe, Mr. Hauser. Es ist der einzige Wertgegenstand, den ich von meinem Vater habe. Ich liebe dieses Bild.«

Philip stellte fest, dass Hauser ihn auf eine Weise anschaute, die ihm Unbehagen bereitete. Sein Blick war leer, seine Miene ruhig, gefuhllos.

»Sehen Sie es mal so: Das Gemalde ist das Opfer, das Sie bringen mussen, um an Ihr Erbe zu kommen.«

Philip zogerte. »Glauben Sie denn, dass wir Erfolg haben?«

»Ja.«

Philip schaute Hauser an. Er konnte das Gemalde schlie?lich auch irgendwann zuruckkaufen. »In Ordnung, ich verkaufe den Klee.«

Hausers Blick verengte sich noch mehr. Er zog noch einmal vorsichtig an der Zigarre, dann nahm er sie aus dem Mund.

»Im Erfolgsfall betragt mein Honorar eine Million Dollar.«

Dann fugte er hinzu: »Wir haben nicht viel Zeit, Mr. Broadbent. Ich habe schon Tickets nach San Pedro Sula fur uns gebucht. Wir nehmen die erste Maschine, die nachste Woche rausgeht.«

7

Als Vernon Broadbent mit dem Chanten fertig war, blieb er mit geschlossenen Augen eine Weile still in dem kuhlen, dunklen Raum sitzen und erlaubte seinem Geist nach der langen Meditation, an die Oberflache zu gelangen. Als sein Bewusstsein zuruckkehrte, horte er allmahlich wieder das ferne Brausen des Pazifiks und roch die salzige Luft, die die nach Myrrhen duftende Beengtheit des Vihara durchdrang.

Das Leuchten der Kerzenflammen auf seinen Lidern erfullte seinen inneren Blick mit einem rotlichen Flackern.

Dann offnete er die Augen, atmete mehrmals tief durch und stand auf. Er empfand noch immer das zerbrechliche Gefuhl des Friedens und der Gelassenheit, die die Medita-tionsstunde ihm geschenkt hatte. Er ging zur Tur, verharrte und lie? seinen Blick uber die mit Eichen und Manzanita gesprenkelten Hugel von Big Sur und den dahinter liegenden riesigen blauen Pazifik schweifen. Der Wind vom Ozean verfing sich in seinem Gewand und blahte es mit kuhler Luft auf.

Vernon war nun seit uber einem Jahr im Ashram. Jetzt, in seinem funfunddrei?igsten Lebensjahr, glaubte er endlich, den Ort gefunden zu haben, an dem er leben wollte. Nach den zwei Jahren in Indien lag ein langer Weg hinter ihm: Er hatte es mit Transzendentaler Meditation, Theosophie, EST, Lifespring und sogar mit einem Ausflug ins Christentum versucht. Er hatte dem Materialismus seiner Kindheit eine Absage erteilt und versucht, in seinem Leben eine tiefere Wahrheit zu finden. Was den anderen, besonders seinen Brudern, als Vergeudung von Lebenszeit erschien, war ihm ein Leben voller Fruchtbarkeit und Streben. Welchen Sinn hatte die Existenz, wenn nicht den, eben genau diesen Sinn in Erfahrung zu bringen?

Jetzt hatte er die Chance, mit seinem Erbe etwas wirklich Gutes zu tun. Diesmal nicht nur fur sich, sondern fur die anderen. Seine Chance war gekommen, etwas fur die Welt zu tun. Doch wie? Sollte er versuchen, die Grabkammer allein zu finden? Sollte er Tom anrufen? Philip war ein Arschloch. Aber Tom ware vielleicht bereit, sich mit ihm zusammenzutun. Er musste einen Entschluss fassen, und zwar schnell.

Vernon raffte sein Leinengewand zusammen und nahm den Pfad in Angriff, der zur Hutte des Lehrers fuhrte - ein weitlaufiges Gebaude aus Pappelholz in einem ruhigen Tal, umgeben von hohen Eichen und dennoch mit Aussicht auf den Pazifik. Unterwegs begegnete er Chao, dem frohlichen asiatischen Jungen, der fur den Lehrer Botengange erledigte. Er sprang ihm uber den Pfad entgegen und hatte ein Bundel mit Briefen bei sich. Das war das Leben, das er gesucht hatte: friedlich und unkompliziert. Schade, dass es so teuer war.

Als Vernon den Hugel umrundete, kam die Hutte in Sicht.

Er hielt inne, da der Lehrer ihn ein wenig einschuchterte, dann ging er resolut weiter und klopfte an die Tur. Nach einer Weile rief eine leise, hallende Stimme aus den Tiefen der Behausung: »Tritt ein, du bist mir sehr willkommen.«

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