»In unserer Zivilisation«, sagte Sally, »gilt man mit neunundzwanzig noch als jung.«
Don Alfonso schuttelte weiterhin traurig den Kopf. Tom konnte sich ein Lachen nun nicht mehr verbei?en.
Sally fuhr zu ihm herum. »Was ist denn daran so witzig?«
»Der Zusammenprall der Kulturen«, erwiderte Tom und schnappte nach Luft.
Sally sprach nun Englisch. »Mir gefallt dieses kleine sexi-stische Tete-a-Tete zwischen Ihnen und diesem alten Lust-molch nicht.« Sie schaute Don Alfonso an. »Fur einen Menschen, der angeblich hunderteinundzwanzig Jahre alt ist, denken Sie verdammt oft an Sex.«
»Manner horen nie auf, uber die Liebe nachzudenken, Se-
norita. Selbst wenn sie alt werden und ihr Glied schrumpelt wie eine zum Trocknen in die Sonne gelegte Yuca. Ich bin vielleicht hunderteinundzwanzig, aber ich habe noch so viel Blut wie ein Neunzehnjahriger. Tomas, ich wurde eine Frau wie Sally gern heiraten, aber nur wenn sie sechzehn ware und feste, spitze Bruste hat ...«
»Don Alfonso«, fiel Sally ihm ins Wort, »glauben Sie nicht, dass das Madchen Ihrer Traume auch achtzehn sein konn-
te?«
»Dann ist sie aber vielleicht keine Jungfrau mehr.«
»In unserem Land«, sagte Sally, »heiraten die meisten Frauen erst, wenn sie achtzehn sind. Es ist ansto?ig, von Sechzehnjahrigen als Ehefrauen zu sprechen.«
»Tut mir Leid! Ich hatte wissen mussen, dass sich die Madchen im kalten Klima Nordamerikas langsamer entwickeln. Hier jedoch ist eine Sechzehnjahrige ...«
»Horen Sie auf!«, brullte Sally und presste die Hande auf ihre Ohren. »Mir reicht's! Don Alfonso, ich habe genug von Ihren Kommentaren uber Sex!«
Der Greis zuckte die Achseln. »Ich bin ein alter Mann,
»In Amerika reden alte Menschen nicht standig uber Sex.«
»Uber was reden sie denn?«
»Sie reden uber ihre Enkel, das Wetter, Florida und solche Sachen.«
Don Alfonso schuttelte den Kopf. »Wie langweilig es doch sein muss, in Amerika alt zu werden.«
Sally marschierte von hinnen und zog die Huttentur hinter sich zu. Bevor sie verschwand, warf sie Tom einen gifti-gen Blick zu. Tom schaute verdutzt hinter ihr her. Was hatte er denn getan oder gesagt? Es war einfach ungerecht, dass sie ihn des Sexismus verdachtigte.
Don Alfonso zuckte die Achseln, steckte seine Pfeife wieder an und sagte lauthals: »Ich verstehe das nicht. Sie ist neunundzwanzig und unverheiratet. Ihr Vater wird eine enorme Mitgift bezahlen mussen, um sie loszuwerden. Und Sie sind fast auch schon ein alter Mann und haben keine Ehefrau. Warum heiratet ihr beide nicht? Sind Sie vielleicht homosexuell?«
»Nein, Don Alfonso.«
»Es ist ganz in Ordnung, wenn Sie es sind, Tomas. Chori kann Ihnen gefallig sein. Er ist nicht festgelegt.«
»Nein, danke.«
Don Alfonso schuttelte verwundert den Kopf. »Jetzt verstehe ich uberhaupt nichts mehr. Sie mussen Ihre Chancen nutzen, Tomas.«
»Sally«, sagte Tom, »ist mit einem anderen Mann verlobt.«
Don Alfonsos Brauen zuckten hoch. »Ach. Und wo ist dieser Mann jetzt?«
»In Amerika.«
»Dann kann er sie nicht lieben!«
Tom zuckte zusammen und warf einen Blick auf ihr Quartier. Don Alfonsos Stimme trug namlich besonders weit.
Da tonte Sallys Stimme aus der Hutte: »Er liebt mich. Und ich liebe ihn. Und vielen Dank euch beiden, dass ihr jetzt die Klappe haltet!«
Im Wald schallte ein Gewehrschuss, und Don Alfonso stand auf. »Das ist unser zweiter Gang.« Er nahm seine Machete und ging in die Richtung, aus der der Knall gekommen war.
Tom stand ebenfalls auf und brachte seine Hangematte in den Unterstand, um sie aufzuspannen. Als er eintrat, hang-
te Sally gerade einige Krauter an den Pfahlen auf.
»Dieser Don Alfonso ist ein alter Lustling
»Er bringt uns immerhin durch den Sumpf.«
»Ich kann seine kleinen Bemerkungen ganz und gar nicht leiden. Und Ihre grinsende Zustimmung genauso wenig.«
»Sie konnen doch nicht erwarten, dass er sich mit den neuesten Entwicklungen feministischer und politischer Korrektheit auskennt.«
»Daruber, dass
»Nun machen Sie mal halblang, Sally.«
»Ich mache
Don Alfonsos Stimme verhinderte Toms Antwort. »Der erste Gang ist zum Verzehren bereit! Gekochter Papagei und Maniokeintopf. Danach gibt's Tapir-Steak. Alles ist gesund und kostlich. Hort jetzt auf zu streiten und kommt zum Essen raus!«
25
Sie hatten einen gro?en See am Rand des Sumpfes erreicht und lagerten auf einer sandigen Insel mit einem richtigen Strand. Die Insekten waren weg, die Luft war frisch, und zum ersten Mal seit einer Woche konnte Philip in jeder Richtung weiter als sieben Meter sehen. Das Einzige, was ihm missfiel, war das an den Strand klatschende Wasser, denn es war so schwarz wie Kaffee. Hauser war wie ublich mit einigen Soldaten auf der Jagd. Die anderen Manner sa-
?en an ihrem eigenen Feuer und spielten Karten. Die Luft hatte wegen der Hitze und dem grungoldenen Licht des spaten Nachmittags etwas Einschlaferndes. Insgesamt gesehen befanden sie sich jedoch Philips Ansicht nach an einem schonen Fleckchen Erde.
Ocotal beugte sich abrupt vor. »Ich habe die Soldaten gestern Nacht reden horen.«
Philip hob die Augenbrauen. »Und?«
»Sie wollen Sie toten. Zeigen Sie jetzt keine Reaktion auf meine Worte.« Er sprach so leise und schnell, dass Philip irgendwie glaubte, sich verhort zu haben. Er sa? wie vom Donner geruhrt da und verarbeitete Ocotals Worte.
»Sie werden auch mich umbringen«, fuhr Ocotal fort.
»Wissen Sie das genau?«
Ocotal nickte.
Philip dachte panisch uber das Gehorte nach. War Ocotal vertrauenswurdig? Konnte er ihn missverstanden haben?
Warum sollte Hauser ihn umbringen? Um das Erbe zu stehlen? Es war nicht auszuschlie?en. Hauser war kein Ehren-mann. Philip sah aus den Augenwinkeln, dass die Soldaten noch immer Karten spielten. Ihre Gewehre