gewaltigen verfaulenden Baumstammen eingeklemmt, auf einem Berg-kamm. Es hatte geregnet. Dampf stieg vom Boden auf. Sie a?en fruh zu Abend - gekochte Eidechse mit Mattawurzel.
Nach dem Essen stand Sally auf und nahm das Gewehr.
»Ob der Jaguar nun hier rumschleicht oder nicht - ich gehe jetzt jagen.«
»Ich komme mit«, sagte Tom.
Sie gingen an einem schmalen Bach entlang, der vom Lagerplatz aus abwarts stromte und durch eine Klamm fuhrte. Der Tag war grau. Der sie umgebende Wald wirkte schlaff und verwahrlost. Die Vegetation dampfte. Das Gerausch tropfenden Wassers mischte sich mit dem hohlen Krachzen der Vogel.
Eine halbe Stunde lang suchten sie sich einen Weg durch die Klamm, uber bemooste Findlinge und Baumstamme hinweg, bis sie an einen rasch dahinstromenden Fluss kamen. Sie gingen hintereinander durch Dunstschleier an ihm entlang. Nach Toms Ansicht bewegte Sally sich fast wie eine Katze, denn sie pirschte praktisch lautlos durchs Unterholz.
Dann blieb Sally stehen und machte eine einhaltende Geste mit der Hand. Sie hob langsam das Gewehr, legte an und feuerte.
Ein Tier trat kreischend im Unterholz um sich, doch die Gerausche erstarben schnell.
»Ich wei? nicht, was es war, aber es sah stammig aus und hatte ein Fell.« Schlie?lich fanden sie ihre Beute in den Buschen: Sie lag auf der Seite, alle viere in die Luft gereckt.
»Irgendeine Wildschweinart.« Tom musterte den Kadaver angewidert. Er wurde sich nie daran gewohnen, Tiere zu zerlegen.
»Sie sind dran«, sagte Sally mit einem knappen Lacheln.
Tom zuckte seine Machete und fing an, das Schwein aus-zunehmen. Sally schaute ihm zu. Als er die inneren Organe freilegte, stieg Dampf auf.
»Wenn wir es im Lager ankochen, konnen wir die Behaa-rung abschaben«, sagte Sally.
»Ich kann's kaum erwarten«, sagte Tom. Er beendete seine Arbeit, schlug einen dicken Ast ab und band die Laufe des Schweins zusammen. Sie schoben den Ast zwischen die Beine ihrer Beute und hievten sie auf die Schultern. Das Schwein wog hochstens drei?ig Pfund, aber es wurde eine schone Mahlzeit ergeben, und den Rest konnten sie rauchern und mitnehmen. Sie marschierten durch die Klamm und nahmen den Weg, den sie gekommen waren.
Sie waren kaum zwanzig Meter gegangen, als der Jaguar sie anhielt. Er stand genau vor ihnen, mitten auf dem Weg.
Er schaute sie mit grunen Augen an. Seine Schwanzspitze zuckte hin und her.
»Zuruck«, sagte Tom, »und immer mit der Ruhe.« Doch als sie zuruckwichen, machte der Jaguar einen Schritt nach vorn und dann noch einen. Er verfolgte sie auf Samtpfoten.
»Wissen Sie noch, was Don Alfonso gesagt hat?«
»Ich kann's nicht«, hauchte Sally.
»Dann schie?en Sie uber ihn weg.«
Sally hob den Lauf der Waffe, und es knallte ein Schuss.
Das Gerausch wurde auf eigenartige Weise vom Dunst und der dichten Vegetation gedampft. Der Jaguar schuttelte sich kurz, doch ansonsten gab er nicht zu erkennen, dass er den Knall vernommen hatte. Er musterte sie weiterhin, und seine Schwanzspitze zuckte rhythmisch wie ein Metronom.
»Wir gehen um ihn herum«, sagte Sally.
Sie verlie?en den Wildwechsel und traten in den Wald.
Der Jaguar schickte sich nicht an, ihnen zu folgen. Seine grunen Augen schauten nur hinter ihnen her, und bald war er au?er Sichtweite. Einige hundert Meter weiter kehrte Tom auf den Klammweg zuruck. Linker Hand horten sie zweimal eine Katze fauchen, also wichen sie wieder zuruck.
Sie gingen ein paar hundert Meter weiter und blieben stehen. Eigentlich hatten sie nun die Klamm mit dem Bach sehen mussen, doch die war nicht da.
»Wir sollten uns vielleicht weiter links halten«, meinte Tom.
Sie bogen links ab. Der Wald wurde dichter und dunkler; die Baume standen hier enger zusammen.
»Ich erkenne uberhaupt nichts wieder.«
Sie blieben stehen, um zu lauschen. Im Dschungel war es gespenstisch still. Man horte weder das Murmeln des Ba-ches noch das Platschern der von den Asten fallenden Tropfen.
Da kam ein tiefes, drohnendes Fauchen aus der Richtung gleich hinter ihnen.
Sally fuhr wutend herum. »Nichts wie weg!«, schrie sie.
»Aber flott!«
Sie hasteten mit doppeltem Tempo weiter. Tom ging voran und schlug ihnen eine Gasse durch das Gestrupp. Hin und wieder horte er, dass die Katze mit ihnen Schritt hielt und gelegentlich ein Grollen ausstie?. Der Laut klang ganz und gar nicht freundlich: Er war dumpf und belegt und horte sich fast an wie ein Knurren. Er wusste, dass sie sich verirren wurden, dass sie nicht in die richtige Richtung gingen. Inzwischen liefen sie fast schon.
Und dann schien sich der Jaguar plotzlich mit einem goldenen Blitz vor ihnen aus dem Dunst zu materialisieren. Er stand sprungbereit auf einem niedrigen Ast.
Sie hielten inne und wichen langsam zuruck. Der Jaguar beobachtete sie. Dann sprang er mit einer geschmeidigen Bewegung zur Seite, ging mit drei Sprungen auf einem Ast hinter ihnen in Position und blockierte ihnen den Ruckzug.
Sally richtete das Gewehr auf die Katze, schoss jedoch nicht. Sie schaute den Jaguar an, und er erwiderte ihren Blick.
»Ich schatze, es ist an der Zeit, ihn zu toten«, flusterte Tom.
»Ich kann nicht.«
Irgendwie war das die Antwort, die Tom hatte horen wollen. Er hatte noch nie ein so vitales, geschmeidiges und prachtiges Tier gesehen.
Dann wandte sich der Jaguar plotzlich von ihnen ab und zog sich zuruck. Er sprang leichtfu?ig von einem Ast zum anderen, bis der Wald ihn verschluckt hatte.
Tom und Sally standen schweigend da. Sally lachelte. »Ich hab doch gesagt, er ist nur neugierig.«
»Allerdings eine ungewohnliche Art von Neugier, wenn er uns fast achtzig Kilometer folgt.« Tom schaute sich um.
Dann schob er die Machete in den Gurtel und hob den Stab auf, an dem das erlegte Wildschwein hing. Ihm war irgendwie unbehaglich zumute. Die Sache war noch nicht ausgestanden.
Sie hatten gerade funf Schritte getan, als der Jaguar mit durchdringendem Gebrull wie Goldregen auf sie herab-sturzte und mit einem gedampften Laut auf Sallys Rucken landete.
Das Gewehr ging los - umsonst. Sally drehte sich im Fall; sie gingen miteinander zu Boden. Die Kraft des Aufschlages lie? den Jaguar - er hatte ihr das Hemd halb zerfetztvon ihr abrutschen.
Tom warf sich auf den Rucken der Katze, klemmte sie wie einen unzugerittenen Gaul zwischen seinen Schenkeln ein und versuchte, ihr mit beiden Daumen die Augen einzudrucken. Doch bevor er noch dazu kam, spurte er, wie der machtige Korper sich anspannte und einer Stahlfeder gleich unter ihm aufschnappte. Das Tier brullte erneut, machte einen Satz und drehte sich in der Luft. Tom zuckte seine Machete. Dann war der Jaguar auf ihm samt der gezuckten Machete und erdruckte ihn schier unter seinem erstickend hei?en, scharf riechenden Fell. Tom merkte, wie sein Korper nachgab. Er spurte, dass die Klinge in den Jaguar glitt.
Dann spritzte ihm ein dicker Blutstrahl ins Gesicht. Der Jaguar brullte auf und drehte sich, und Tom versetzte der Machete mit aller Kraft einen Schlag, sodass sie sich seitlich drehte. Die Klinge musste die Lunge der Katze durchdrungen haben, da ihr Gebrull sich in ein ersticktes Gurgeln verwandelte. Der Jaguar erschlaffte. Tom schob ihn von sich herunter und zog die Machete heraus. Der Jaguar zuckte noch einmal, dann ruhrte er sich nicht mehr.
Tom eilte zu Sally hinuber, die gerade versuchte, auf die Beine zu kommen. Als sie ihn sah, schrie sie auf. »Mein Gott, Tom, sind Sie verletzt?«
»Sind
»Was hat er Ihnen angetan!« Erst als Sally die Hand nach Toms Gesicht ausstreckte, verstand er.
»Es ist nicht mein Blut«, sagte Tom leise und beugte sich uber Sally. »Lassen Sie mal Ihren Rucken sehen.«