Blick stand. Seine Miene lie? nicht die geringste Spur von Furcht sehen. Hauser gefiel das nicht. Es erinnerte ihn an das Gesicht von Ocotal.
Diese verdammten Indianer waren wie der Vietcong.
»Danke, Teniente«, sagte er zu dem Soldaten.
»Wer soll ubersetzen? Er versteht kein Spanisch.«
»Ich werde mich schon verstandlich machen.«
Der Teniente zog sich zuruck. Hauser schaute den Indianer an, der seinem Blick auch diesmal standhielt. Er war weder trotzig noch angstlich - er beobachtete nur.
Hauser setzte sich auf eine Ecke des Steinaltars, schnippte vorsichtig die Asche von der erloschenen Zigarre und zundete sie erneut an.
»Ich hei?e Marcus«, sagte er mit einem Lacheln. Er spurte schon jetzt, dass die Sache hart werden wurde. »Die Lage ist folgende, Hauptling: Ich mochte, dass Sie mir sagen, wo Sie und Ihre Leute Maxwell Broadbent bestattet haben.
Wenn Sie's tun, kriegen wir keine Probleme. Dann gehen wir nur da rein, holen uns, was wir haben wollen, und lassen Sie in Ruhe. Wenn Sie's nicht tun, wird Ihnen und Ihrem Volk Schlimmes zusto?en. Ich werde den Standort der Grabstatte so oder so finden und sie ausraumen. Welchen Weg also mochten Sie gehen?«
Er schaute zu dem Mann auf und zog so fest an der Zigarre, dass die Spitze rot aufgluhte. Der Indianer hatte kein Wort verstanden. Doch das war eigentlich egal. Er war kein Narr: Er wusste, was Hauser wollte.
»Maxwell Broadbent?«, wiederholte Hauser langsam. Er betonte jede Silbe. Dann machte er eine allgemein verstandliche Geste, die anzeigte, dass er eine Frage gestellt hatte - er zuckte die Achseln und drehte die Handflachen nach oben.
Der Indianer schwieg. Hauser stand auf. Er ging auf den Greis zu und zog dabei heftiger an der Zigarre, bis die Spitze noch starker gluhte. Dann blieb er stehen, nahm die Zigarre aus dem Mund und hielt sie dem Mann vors Gesicht.
»Mogen Sie Zigarren?«
44
Philip hatte seine Geschichte erzahlt. Die Sonne war langst untergegangen, das Feuer zu einem zinnoberroten Haufen gluhender Asche heruntergebrannt. Tom konnte kaum fassen, was sein Bruder ertragen hatte.
Sally ergriff als Erste das Wort: »Hauser begeht dort oben einen Volkermord.«
Eine unbehagliche Stille breitete sich aus.
»Wir mussen etwas
»Zum Beispiel?«, fragte Vernon. Seine Stimme klang mude.
»Wir gehen zu den Bergindianern und bieten ihnen unsere Hilfe an. Wenn wir uns mit ihnen zusammentun, konnen wir Hauser schlagen.«
Don Alfonso breitete die Hande aus. »Sie werden uns toten, bevor wir auch nur ein Wort gesagt haben, Curandera.«
»Ich gehe unbewaffnet ins Dorf. Sie werden doch keine unbewaffnete Frau umbringen.«
»Und ob. Was konnen wir auch schon tun? Wir haben nur ein Gewehr. Hauser verfugt uber ausgebildete Soldaten mit Automatikwaffen. Wir sind schwach. Wir sind hungrig.
Wir haben nicht mal Kleider zum Wechseln - und bei uns ist ein Mann, der nicht gehen kann.«
»Was also schlagen Sie vor?«
»Dass wir Schluss machen. Wir mussen umkehren.«
»Sie haben gesagt, dass wir nie durch den Sumpf kom-
men. «
»Jetzt wissen wir aber, dass Hauser seine Boote an den Macaturi-Wasserfallen gelassen hat. Wir konnten sie stehlen gehen.«
»Und dann?«, fragte Sally.
»Dann kehre ich nach Pito Solo zuruck, und Sie fahren nach Hause.«
»Wir lassen Hauser dort oben, und er bringt alle Menschen um?«
»Ja.«
Sally war wutend. »Das nehme ich nicht hin. Er muss aufgehalten werden. Wir nehmen Verbindung mit der Regierung auf, damit sie Truppen schickt und ihn festnimmt.«
Don Alfonso wirkte nun sehr mude. »Die Regierung wird nichts tun, Curandera.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Weil Hauser langst Absprachen mit der Regierung getroffen hat. Wir mussen unsere Ohnmacht einsehen.«
»Und genau das tu ich nicht!«
Don Alfonsos traurige alte Augen musterten sie. Dann kratzte er sorgfaltig seine Pfeife aus, klopfte die Tabakkru-men heraus, stopfte sie neu und zundete sie mit einem brennenden Holzscheit an. »Vor vielen Jahren«, sagte er, »als ich noch ein Junge war, kam der erste Wei?e in unser Dorf. Ich erinnere mich noch gut daran. Es war ein kleiner Mann mit einem gro?en Hut und einem Spitzbart. Wir haben ihn fur einen Geist gehalten. Er zog ein paar kackgelbe Metallklumpen aus der Tasche und fragte, ob wir so was schon mal gesehen hatten. Seine Hande zitterten, in seinen Augen war ein irres Flackern. Wir hatten Angst und sagten Nein. Einen Monat spater, wahrend der alljahrlichen Uber-schwemmung, trieb sein verschimmeltes Boot den Fluss hinab. Bis auf seinen Schadel und sein Haar befand sich nichts darin. Wir haben das Boot verbrannt und so getan, als hatten wir es nie gesehen.
Im Jahr darauf kam ein Mann mit schwarzem Anzug und Hut den Fluss herauf. Er war ein freundlicher Mensch. Er schenkte uns Kreuze und Nahrung. Er tauchte uns alle in den Fluss und sagte, er habe uns gerettet. Er blieb einige Monate bei uns und schwangerte eine Frau. Dann wollte er durch den Sumpf. Wir haben ihn nie wiedergesehen.
Danach kamen weitere Manner, die nach der gelben Schei?e suchten, die sie
Dann kamen andere und tauchten uns wieder unter, bis wir grundlich durchnasst und verwirrt waren. Spater kam ein Wei?er ganz allein zu uns. Er lebte bei uns, lernte unsere Sprache und erzahlte, die Manner mit den Kreuzen hatten sie nicht alle. Er nannte sich einen
Dann kamen Manner in Begleitung von Soldaten den Fluss herauf. Sie hatten Schie?eisen und Papiere, die wir alle unterschrieben haben. Sie haben dann gesagt, wir hatten uns einverstanden erklart, einen neuen Hauptling zu haben, der viel machtiger sei als der Dorfhauptling, und dass wir uns einverstanden erklart hatten, ihm das ganze Land mit allen Tieren, Baumen, Bodenschatzen samt dem unter der Erde liegenden Ol zu schenken - falls es dies dort gab. Das hielten wir alle fur sehr komisch. Sie schenkten uns ein Bild von unserem neuen Hauptling. Er war sehr hasslich; sein Gesicht war so pockennarbig wie eine Ananas. Als unser richtiger Hauptling dagegen protestierte, haben sie ihn mit in den Wald genommen und erschossen.