lie? sich in einen Sessel fallen. „Entschuldigen Sie.“

Der Astrogator entnahm einem Wandschrankchen eine Flasche Kognak.

„Ein altes Hausmittel, manchmal kann man's gebrauchen.

Trinken Sie, Rohan. Das hat man fruher angewandt, auf den Schlachtfeldern… Schweigend schluckte Rohan die scharfe Flussigkeit hinunter.

„Ich habe die Zahler aller Energieaggregate uberpruft“, sagte er in vorwurfsvollem Ton. „Die Besatzung ist keinesfalls angegriffen worden. Sie haben nicht einmal einen Schu? abgefeuert. Sie sind einfach, einfach…“

„Verruckt geworden“, half der Astrogator gelassen nach.

„Wenn wir doch wenigstens das genau wu?ten! Aber wie ware das moglich gewesen?“

„Haben Sie das Bordbuch gesehen?“

„Nein. Gaarb hatte es mitgenommen. Haben Sie es hier?“

„Ja. Nach dem Landedatum gibt es nur vier Eintragungen.

Sie betreffen die Ruinen, die Sie untersucht haben, und… die Fliegen.“

„Was fur Fliegen?“

„Das wei? ich nicht. Wortlich hei?t es dort…“

Er nahm das aufgeschlagene Buch vom Tisch.

„›Keinerlei Lebenszeichen an Land. Zusammensetzung der Atmosphare…‹ Das sind die Analysenergebnisse.

Aber hier, sehen Sie: ›Um 18 Uhr 40 geriet die zweite Raupenpatrouille auf dem Ruckweg von den Ruinen in einen ortlichen Sandsturm mit starker Aktivitat atmospharischer Entladungen. Trotz Storungen Funkverbindung hergestellt. Die Patrouille meldet eine erhebliche Menge winziger Fliegen am… ‹“

Der Astrogator legte das Buch beiseite.

„Und weiter! Warum lesen Sie nicht zu Ende?“

„Das ist ja das Ende. Hier bricht die letzte Eintragung ab.“

„Weiter steht da nichts?“

„Den Rest sehen Sie sich am besten selbst an.“

Er schob Rohan das Buch hinuber. Das Blatt war mit unleserlichen Krakeln bedeckt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Rohan das Liniengewirr an.

„Das hier sieht aus wie ein B“, sagte er leise.

„Ja. Und das hier wie ein G. Ein gro?es G. Als hatte ein kleines Kind es geschrieben. Meinen Sie nicht auch?“

Rohan schwieg, das leere Glas in der Hand, das wegzustellen er vergessen hatte. Er dachte an die Ambitionen, die er noch kurz zuvor gehabt hatte, an seinen Traum, selbst Kommandant des „Unbesiegbaren“ zu sein. Nun war er dankbar, da? er nicht uber das weitere Schicksal der Expedition zu entscheiden hatte.

„Bitte, rufen Sie die Leiter der Spezialistengruppen zusammen.

Rohan, wachen Sie auf!“

„Verzeihen Sie. Eine Beratung, Astrogator?“

„Ja. Alle sollen in die Bibliothek kommen.“

Eine Viertelstunde spater sa?en Sie bereits in dem gro?en, quadratischen Saal, hinter dessen bunt emaillierten Wanden Bucher und Mikrofilme untergebracht waren. Am wenigsten ertraglich war wohl die unheimliche Ahnlichkeit zwischen den Raumen im „Kondor“ und im „Unbesiegbaren“. Es waren ja Schwesterschiffe. Aber Rohan vermochte nicht — gleichzeitig, in welche Ecke er blickte —, die Bilder des Wahnsinns zu verdrangen, die sich ihm ins Hirn gefressen hatten.

Jeder hatte hier seinen Stammplatz. Der Biologe, der Arzt, der Planetologe, die Elektroniker und die Nachriditentechniker, die Kybernetiker und die Physiker sa?en im Halbkreis in ihren Sesseln. Diese neunzehn Manner bildeten das strategische Hirn des Raumschiffes.

Der Astrogator stand allein unter der halb heruntergelassenen, wei?en Leinwand.

„Kennen alle Anwesenden die Lage an Bord des ›Kondors‹?“

Als Antwort ertonte zustimmendes Murmeln.

„Bis jetzt haben die Suchtrupps im Umkreis des ›Kondors‹ neunundzwanzig Tote gefunden und auf dem Schiff selbst vierunddrei?ig, darunter einen, der sich durch Einfrieren im Hibernator ausgezeichnet gehalten hat. Dr. Nygren, der gerade von dort kommt, wird uns berichten…“

„Da gibt es nicht viel zu berichten“, sagte der kleine Doktor und erhob sich. Langsam ging er auf den Astrogator zu. Er war einen ganzen Kopf kleiner.

„Unter den Leichen sind neun mumifizierte Korper.

Au?er dem, von dem der Kommandant gesprochen hat und der gesondert untersucht wird. Eigentlich sind es aus dem Sand gegrabene Skelette oder Skelettreste. Die Mumifikation hat im Schiffsinnern stattgefunden, wo gunstige Bedingungen dafur vorhanden waren: geringe Luftfeuchtigkeit, so gut wie keine Faulnisbakterien und keine allzu hohe Temperatur. Die Korper, die im Freien waren, sind der Verwesung anheimgefallen, die sich in Regenzeiten beschleunigt, weil hier der Sand einen betrachtlichen Prozentsatz an Eisenoxyden und Eisensulfiden enthalt, die mit schwachen Sauren reagieren… Aber diese Einzelheiten sind, glaube ich, unwesentlich. Sollte eine genaue Erlauterung der auftretenden Reaktionen erwunscht sein, so mu?te man die Kollegen Chemiker damit beauftragen.

Jedenfalls war au?erhalb des Schiffes eine Mumifikation unmoglich, zumal da hier obendrein das Wasser und die darin gelosten Substanzen und der Sand eine Reihe von Jahren hindurch eingewirkt haben. So ist auch die blankpolierte Oberflache der Gebeine zu erklaren.“

„Entschuldigen Sie, Doktor“, unterbrach ihn der Astrogator.

„Das wichtigste ist im Augenblick die Todesursache dieser Leute.“

„Es gibt keinerlei Anzeichen fur einen gewaltsamen Tod, zumindest nicht an den guterhaltenen Leichen“, antwortete der Arzt sofort. Er blickte keinen an, es war, als beobachtete er etwas Unsichtbares in seiner hochgehobenen Hand.

„Allem Anschein nach sind sie eines naturlichen Todes gestorben.“

„Das hei?t?“

„Ohne au?ere Einwirkung. Manche einzeln aufgefunde— nen Arm— und Beinknochen weisen Bruche auf, aber sie konnen spateren Datums sein. Um das festzustellen, sind langere Untersuchungen erforderlich. Bei denen, die bekleidet waren, sind weder Epidermis noch Knochengerust beschadigt.

Keinerlei Verletzungen, von ein paar Kratzwunden abgesehen, die ganz gewi? nicht Todesursache gewesen sein konnen.“

„Wie sind sie also umgekommen?“

„Ich wei? es nicht. Man konnte meinen, sie seien verhungert oder verdurstet…“

„Die Wasser— und Lebensmittelvorrate sind nicht aufgebraucht“, warf Gaarb von seinem Platz aus ein.

„Ich wei?.“

Einen Augenblick lang schwiegen alle.

„Mumifikation bedeutet in erster Linie vollstandige Entwasserung des Korpers“, erlauterte Nygren. Noch immer blickte er keinen der Anwesenden an. „Die Fettgewebe unterliegen zwar Veranderungen, aber sie gehen nicht verloren.

Diese Leute hatten faktisch keine. Gerade so, als hatten sie lange Zeit gehungert.“

„Aber bei dem im Hibernator war das nicht so“, bemerkte Rohan, der hinter der letzten Sesselreihe stand.

„Das stimmt. Er ist wahrscheinlich erfroren. Mir ist unerklarlich, wie er in den Hibernator geraten ist. Vielleicht ist er einfach eingeschlafen, wahrend die Temperatur absank.“

„Besteht die Moglichkeit einer Massenvergiftung?“ fragte Horpach.

„Nein.“

„Aber, Doktor, Sie konnen doch nicht so kategorisch…“

„Das kann ich sehr wohl“, erwiderte der Arzt. „Eine Vergiftung unter planetaren Bedingungen ist nur uber die Lunge denkbar, durch eingeatmete Gase, uber die Speiserohre oder die Haut. Eine der guterhaltenen Leichen trug einen Sauerstoffapparat. Der Sauerstoffbehalter war gefullt und hatte fur mehrere Stunden gereicht.“

Stimmt, dachte Rohan. Er erinnerte sich an diesen Mann, an die Haut, die den Schadel umspannte, die braunlichen Flecken auf den Backenknochen, an die Augenhohlen, aus denen der Sand rieselte.

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