„Die Leute konnen nichts Giftiges gegessen haben, weil es hier uberhaupt nichts E?bares gibt. Das hei?t an Land.

Und zum Fang im Ozean sind sie nicht ausgezogen. Die Katastrophe ist kurz nach der Landung eingetreten. Sie hatten erst einen einzigen Erkundungstrupp ins Innere der Ruinen geschickt. Das war alles. Aber ich sehe da eben McMinn. Sind Sie fertig, Kollege McMinn?“

„Ja“, antwortete der Biochemiker an der Tur.

Alle Kopfe flogen herum. Er bahnte sich einen Weg durch die Sesselreihen und blieb neben Nygren stehen. Er hatte noch die lange Laborschurze umgebunden.

„Haben Sie die Analysen?“

„Ja.“

„Dr. McMinn hat den Korper des Mannes untersucht, der im Hibernator gefunden wurde“, erklarte Nygren.

„Vielleicht sagen Sie uns gleich, was Sie festgestellt haben.“

„Nichts“, erwiderte McMinn. Er hatte so helles Haar, da? man nicht wu?te, ob es blond oder grau war, und ebenso helle Augen. Sogar die Lider waren mit Sommerprossen bedeckt. Doch in diesem Augenblick reizte dieses gro?e Pferdegesicht niemanden zum Lachen.

„Keinerlei organische oder anorganische Gifte. Alle enzymatischen Gewebegruppen normal. Das Blut ohne Abweichung von der Norm. Im Magen Reste von verdautem Zwieback und Konzentrat.“

„Wie ist er also umgekommen?“ fragte Horpach. Er war immer noch ruhig.

„Er ist einfach erfroren“, antwortete McMinn und bemerkte erst jetzt, da? er noch die Schurze umgebunden hatte. Er knopfte die Trager ab und warf die Schurze neben sich uber einen leeren Sessel. Der glatte Stoff rutschte ab und fiel auf den Boden.

„Welcher Meinung sind Sie also, meine Herren?“ Der Astrogator lie? nicht locker.

„Gar keiner“, entgegnete McMinn. „Ich kann nur sagen, da? diese Leute keiner Vergiftung erlegen sind.“

„Vielleicht einer rasch zerfallenden, radioaktiven Substanz?

Oder harter Strahlung?“

„Harte Strahlung in todlichen Dosen hinterla?t Spuren: Schadigung der Kapillarwande, Petechien, Veranderungen im Blutbild. Solche Veranderungen liegen nicht vor. Es gibt auch keine radioaktive Substanz, die bei todlicher Dosis innerhalb von acht Jahren spurlos verschwindet. Die Radioaktivitat ist hier niedriger als auf der Erde. Diese Leute sind nicht mit irgendeiner Form von Strahlung in Beruhrung gekommen. Dafur kann ich garantieren.“

„Aber etwas mu? sie doch getotet haben“, sagte der Planetologe Ballmin mit erhobener Stimme.

McMinn schwieg. Nygren flusterte ihm etwas zu. Der Biochemiker nickte und ging durch die Sesselreihen hinaus.

Dann stieg auch Nygren vom Podium und setzte sich auf seinen Platz.

„Das sieht ja traurig aus“, meinte der Astrogator. „Jedenfalls brauchen wir von den Biologen keine Hilfe zu erwarten.

Mochte einer der Herren sich au?ern?“

„Ja, ich.“ Der Atomphysiker Sarner erhob sich.

„Die Erklarung fur den Untergang des ›Kondors‹ liegt in ihm selbst begrundet“, sagte er und sah alle der Reihe nach mit seinen weitsichtigen Vogelaugen an. Neben dem schwarzen Haar wirkte seine Iris fast wei?. „Das hei?t, es gibt eine Erklarung, wir sehen sie im Moment nur noch nicht. Das Durcheinander in den Kajuten, die unangeruhrten Vorrate, Zustand und Lage der Toten, die beschadigten Einrichtungen — all das hat etwas zu bedeuten.“

„Wenn Sie nicht mehr zu sagen haben“, warf Gaarb argerlich ein.

„Immer langsam! Wir tappen im dunkeln, mussen einen Weg suchen. Vorlaufig wissen wir nur sehr wenig.

Ich habe den Eindruck, uns fehlt der Mut, gewisse Dinge, die wir an Bord des ›Kondors‹ gesehen haben, beim Namen zu nennen. Deshalb klammern wir uns so hartnackig an die Hypothese einer Vergiftung und eines dadurch hervorgerufenen Massenwahnsinns. Wir mussen jedoch in unserem eigenen Interesse und mit Rucksicht auf die Leute vom ›Kondor‹ den Tatsachen unerschrocken ins Auge sehen.

Ich bitte Sie, vielmehr, ich fordere kategorisch, da? jeder von uns sofort ausspricht, was ihn an Bord des Schiffes am meisten schockiert hat, was er vielleicht noch niemandem anvertraut hat, was er eigentlich lieber vergessen wollte.“

Sarner setzte sich. Rohan uberwand sich und erzahlte von den Seifenstucken, die er im Baderaum bemerkt hatte.

Danach stand Gralew auf. Unter den Sto?en der zerrissenen Landkarten und der zerfetzten Bucher sei das ganze Deck voll vertrockneter Exkremente gewesen.

Ein anderer sprach von einer Konservendose, die Spuren von Zahnen zeigte, als hatte jemand versucht, das Blech zu durchbei?en. Gaarb war am meisten von den Krakeleien im Bordbuch und der Notiz uber die „Fliegen“ erschuttert.

Damit lie? er es jedoch nicht bewenden.

„Nehmen wir an, aus dem tektonischen Graben in der,Stadt‹ ist eine Welle Giftgas gedrungen, die der Wind zur Rakete getragen hat. Wenn aus Unvorsichtigkeit die Luke nicht richtig geschlossen war…“

„Nur die' Au?enluke war nicht richtig geschlossen, Kollege Gaarb. Davon zeugt der Sand in der Schleusenkammer.

Die Innenluke war zu.“

„Die konnen sie spater zugemacht haben, als sie bereits die Wirkung des Gases zu spuren begannen.“

„Das ist unmoglich, Gaarb. Wenn die Au?enluke geoffnet ist, bekommen Sie die Innenluke nicht auf. Sie offnen sich nie zusammen, dadurch ist jede Unvorsichtigkeit oder Nachlassigkeit ausgeschlossen.“

„Aber in einem gibt es fur mich keinen Zweifel: Es mu? plotzlich geschehen sein. Massenwahnsinn — ich behaupte gar nicht, da? auf dem Flug im All keine Psychosefalle auftreten konnen, aber noch niemals auf einem Planeten, obendrein buchstablich wenige Stunden nach der Landung. Ein Massenwahnsinn, der die ganze Besatzung erfa?t hat, kann nur die Folge einer Vergiftung gewesen sein…“

„Oder der Infantilitat“, bemerkte Sarner.

„Wie? Was reden Sie da?“ Gaarb war verblufft. „Soll das ein Scherz sein?“

„In einer solchen Situation scherze ich nicht. Ich habe Infantilitat gesagt, weil es bisher niemand anders gesagt hat, trotz der Kritzeleien im Bordbuch, trotz der zerfetzten Sternalmanache, der muhsam gemalten Buchstaben. Das haben Sie doch alle gesehen, nicht wahr?“

„Aber was hei?t das?“ fragte Nygren. „Soll das eine Krankheit sein?“

„Nein. Es ist wohl keine, nicht wahr, Doktor?“

„Ganz bestimmt nicht.“

Wieder trat Schweigen ein. Der Astrogator zogerte.

„Das kann uns auf eine falsche Fahrte bringen. Die Ergebnisse nekroskopischer Untersuchungen sind immer unsicher.

Aber im Augenblick wei? ich nicht, was uns sonst drohen konnte. Dr. Sax…“

Der Neurophysiologe schilderte das Bild, das sie im Gehirn des im Hibernator Erfrorenen vorgefunden hatten, und erwahnte auch die Silben im akustischen Gedachtnis des Toten. Das loste einen regelrechten Sturm von Fragen aus. Auch Rohan geriet in ihr Kreuzfeuer, weil er bei dem Experiment zugegen gewesen war. Aber sie kamen nicht zu einem Schlu?.

„Bei diesen Flecken denkt man unwillkurlich an die ›Fliegen‹“,sagte Gaarb. „Moment mal, vielleicht waren dieTodesursachen unterschiedlich. Sagen wir, die Besatzung wurde von giftigen Insekten angefallen. Kleine Stiche lassen sich schlie?lich auf der mumifizierten Haut nicht feststellen. Und der, den wir im Hibernator gefunden haben, hat sich ganz einfach vor diesen Insekten retten wollen, um dem Schicksal seiner Gefahrten zu entgehen… und ist erfroren.“

„Und warum trat bei ihm vor dem Tode eine Amnesie ein?“

„Ein Gedachtnisverlust? Ist das mit Sicherheit festgestellt worden?“

„Soweit man sich uberhaupt auf die Ergebnisse der nekroskopischen Untersuchung verlassen kann.“

Вы читаете Der Unbesiegbare
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату