„Auch das genugt noch nicht. Das Feld mu? in einer bestimmten Frequenz oszillieren.“
„Aber dort gab es weder Magneten noch eine Maschine, au?er diesen verrosteten Trummern. Nichts, nur ausgewaschene Schluchten, Kies und Sand…“
„Und Hohlen“, fugte Horpach ruhig, fast gleichgultig hinzu.
„Und Hohlen. Glauben Sie, da? ihn jemand in eine solche Hohle gezogen hat und da? dort ein Magnet ist. Nein, das ist doch…“
„Und wie erklaren Sie es sich?“ fragte der Kommandant, als ware er des Gesprachs uberdrussig.
Der Arzt schwieg.
Um drei Uhr vierzig nachts gellten die Alarmsignale durch alle Stockwerke des „Unbesiegbaren“. Die Manner fuhren aus dem Schlaf hoch und eilten, kraftig fluchend und sich unterwegs fertig anziehend, an ihre Platze. Funf Minuten nach dem ersten Schnarren der Klingeln war Rohan im Steuerraum. Der Astrogator war noch nicht da. Rohan lief an den gro?en Bildschirm. Die schwarze Nacht wurde im Osten von unzahligen, wei?en Blitzen erhellt. Es sah aus, als griffe ein von einem Radianten ausgehender Meteoritenschwarm die Rakete an. Er blickte auf die Feldkontrolluhren.
Die Automaten hatte er selbst programmiert, also konnten sie nicht auf Regen oder Sandsturme reagieren.
Aus der Wuste, die in der Dunkelheit nicht zu erkennen war, sauste es heran und zerstob zu Feuerregen. Die Entladungen fanden an der Feldoberflache statt. Die geheimnisvollen Geschosse prallten ab und flogen auf einer parabelformigen Bahn als Flammen zuruck, deren Schein zusehends verbla?te, oder sie glitten an der Wolbung des Kraftfeldes entlang. Die Dunenkamme tauchten fur Augenblicke aus der Finsternis und versanken wieder darin, die Zeiger schlugen trage aus — das System der Dirac-Emitoren hatte eine verhaltnisma?ig geringe Leistung gebraucht, um die ratselhafte Bombardierung abzuwehren. Rohan horte bereits die Schritte des Kommandanten hinter sich, als er zu der Spektrometeranlage hinuberblickte.
„Nickel, Eisen, Mangan, Beryllium, Titan“, las der Astrogator von der hellerleuchteten Skala ab und blieb neben ihm stehen. „Ich gabe viel darum, wenn ich mit eigenen Augen sehen konnte, was das eigentlich ist.“
„Ein Regen aus Metallteilchen“, sagte Rohan gedehnt.
„Den Entladungen nach zu urteilen sind sie ziemlich klein.“
„Ich wurde sie mir gern von nahem anschauen“, brummte der Kommandant. „Was meinen Sie, sollen wir es riskieren?“
„Das Feld auszuschalten?“
„Ja. Fur den Bruchteil einer Sekunde. Einige wenige werden in die Schutzzone gelangen, die anderen sto?en wir zuruck, indem wir das Feld wieder einschalten.“
Eine ganze Weile antwortete Rohan nicht.
„Nun, man konnte ja…“, sagte er schlie?lich zogernd.
Aber noch ehe der Kommandant ans Steuerpult getreten war, erlosch das Flackern ebenso plotzlich, wie es aufgeleuchtet war, und eine Dunkelheit brach herein, wie sie nur mondlose Planeten kennen, die weitab von den zentralen Sternanhaufungen der Galaxis kreisen.
„Pech gehabt“, brummte Horpach. Die Hand am Hauptschalter, stand er eine Zeitlang da, dann nickte er Rohan fluchtig zu und verlie? den Raum. Die Entwarnungssignale gellten durch alle Stockwerke.
Rohan seufzte, warf noch einen Blick auf die Bildschirme, auf denen jetzt schwarze Dunkelheit lag, und ging schlafen.
Die Wolke
Sie gewohnten sich bereits an den Planeten, an sein stets gleichbleibendes Wustengesicht mit den verschwindend kleinen Schatten der unnaturlich hellen Wolken, die immer auseinanderzuflie?en schienen, und zwischen denen auch tagsuber die lichtstarken Sterne hindurchschimmerten, an den knirschenden Sand, der unter den Radern und den Fu?sohlen auswich, an die trage, rote Sonne, deren Strahlen den Korper unvergleichlich zarter beruhren als die der irdischen, so da? man, wenn man ihr den Rucken zuwandte, statt der Warme nur ihre stumme Anwesenheit spurte.
Morgens zogen die Arbeitsgruppen aus, jede in ihre Richtung, die Energoboter verschwanden, wie plumpe Kahne schaukelnd, zwischen den Dunen; die Staubwolke legte sich, und die beim „Unbesiegbaren“ zuruckbleibenden Manner ratselten, was es wohl zu essen geben werde, unterhielten sich uber das, was der Bootsmann, der Radarbeobachter zu seinem Kollegen von den Nachrichtentechnikern gesagt hatte, oder versuchten, sich an den Namen des Kurspiloten zu erinnern, der sechs Jahre zuvor bei einem Unfall auf dem Navigationssatelliten Terra 5 ein Bein verloren hatte. So schwatzend, vertrieben sie sich die Zeit, sa?en auf leeren Kanistern unter der Rakete, deren Schatten wie der Zeiger einer gigantischen Sonnenuhr kreiste und zugleich immer langer wurde, bis er an den Ring der Energoboter stie?. Da erhoben sie sich und hielten Ausschau nach den anderen.
Diese kehrten erschopft und hungrig zuruck, und mit einemmal erlosch die Spannkraft, die die Arbeit in den Metalltrummern der „Stadt“ ihnen verliehen hatte, ja selbst die „Kondorgruppe“ brachte schon nach einer Woche keine sensationellen Neuigkeiten mehr mit, die darin bestanden hatten, da? sie eine der geborgenen Leichen hatte identifizieren konnen. Und die Funde, die in den ersten Tagen noch Wahrzeichen des Grauens gewesen waren, wurden sorgsam verpackt — wie sollte man die gewissenhafte Einlagerung aller unversehrten menschlichen Uberreste in hermetisch verschlossenen Behaltern, die ins tiefste Innere des Raumschiffes wanderten, sonst bezeichnen? — und verschwanden.
Da bemachtigte sich der Manner, die noch immer den Sand rings um das Heck des „Kondors“ absuchten und die Innenraume durchstoberten, an Stelle der Erleichterung, die man vielleicht hatte erwarten konnen, eine solche Langeweile, da? sie sich, als hatten sie vergessen, was der ehemaligen Besatzung zugesto?en war, auf das Sammeln von allerlei lacherlichem Kram verlegten, der seine nicht mehr feststellbaren Eigentumer uberlebt hatte. So brachten sie keine Dokumente, die das Geheimnis hatten luften konnen, aber nicht zu finden waren, sondern eine alte Mundharmonika oder ein chinesisches Geschicklichkeitsspiel mit, und diese Gegenstande kamen, des schaurigen Dunkels ihrer Herkunft bereits entledigt, in Umlauf und wurden gemeinsames Eigentum der Besatzung.
Rohan hatte es niemals fur moglich gehalten, doch er benahm sich bereits nach einer Woche ebenso wie die anderen.
Und nur manchmal, wenn er allein war, fragte er sich, wozu er eigentlich hier sei, und dann spurte er, da? ihre ganze Arbeit, die emsige Geschaftigkeit, der komplizierte Ablauf der Forschungsarbeiten, Durchleuchtungen, Probeentnahmen, Gesteinsbohrungen, erschwert durch die dritte Alarmstufe, durch das offnen und Schlie?en der Kraftfelder, durch die Laserwaffen mit ihren genau berechneten Feuerbereichen, durch die dauernde optische Kontrolle, die standigen Berechnungen und die Mehrkanalverbindung — da? all das ein einziger, gro?er Selbstbetrug war, da? sie im Grunde nur auf ein neues Ereignis, ein neues Ungluck warteten und lediglich taten, als ware es nicht so.
Anfangs drangten sich die Leute morgens vor dem Lazarett des „Unbesiegbaren“, um Neues uber Kertelen zu erfahren.
Er schien ihnen nicht so sehr das Opfer eines geheimnisvollen Uberfalls, als vielmehr ein menschenunahnliches Wesen, ein Ungeheuer, das sich von ihnen allen unterschied, gerade als glaubten sie an phantastische Marchen und waren uberzeugt, unbekannte, feindliche Machte des Planeten hatten einen Menschen, einen von ihnen, in ein Monstrum zu verwandeln vermocht. In Wirklichkeit war er jedoch nur ein Kruppel. Im ubrigen stellte sich heraus, da? sein Verstand, unbenutzt wie der eines Neugeborenen und ebenso leer, die Kenntnisse, die ihm die Arzte vermittelten, aufnahm, und allmahlich lernte er sprechen, genau wie ein kleines Kind. Aus dem Lazarett drang nun nicht mehr jenes jeglichem menschlichen Laut unahnliche Winseln, dieses sinnlose Sauglingsgreinen, das so furchtbar gewesen war, weil die Kehle eines erwachsenen Mannes es ausgesto?en hatte. Eine Woche spater formte Kertelen die ersten Silben und erkannte bereits die Arzte, obwohl er ihre Namen nicht aussprechen konnte.
Mit Beginn der zweiten Woche lie? das Interesse an ihm merklich nach, vor allem, als die Arzte erklarten, er werde uber die Umstande des Unfalls nichts sagen konnen, selbst dann nicht, wenn er in den Normalzustand