Maschinen.
Denn was ist schlie?lich das oberste Prinzip der Homoostase?
Unter veranderlichen Bedingungen uberdauern, sogar unter den feindlichsten und schwierigsten. Den weiteren Formen dieser Evolution von Metallsystemen, die sich selbst organisierten, drohte die Hauptgefahr keineswegs von der einheimischen Tier— und Pflanzenwelt. Sie waren gezwungen, zu Energie- und Rohstoffquellen zu gelangen, um Ersatzteile und Nachfolgeorganismen produzieren zu konnen. Auf der Suche nach Erzen entwickelten sie folglich eine Art Bergbau. Ihre Vorfahren, die mit jenem hypothetischen Raumschiff hergekommen waren, hatten zweifellos ursprunglich Strahlungsenergieantrieb. Aber auf der Regis gibt es keine radioaktiven Elemente. Daher war ihnen die Energiequelle verschlossen, und sie mu?ten sich eine andere suchen. Dabei ist wohl eine akute Energiekrise entstanden, und so ist dann, glaube ich, ein Kampf zwischen den Mechanismen ausgebrochen. Ganz einfach ein Kampf um das uberdauern, ums Dasein. Auf ihm beruht schlie?lich die Evolution. Auf der Selektion. Die intellektuell hochstehen— den, vielleicht aber wegen ihrer Ausma?e, die wieder bedeutende Energien erforderten, zum uberdauern ungeeigneten Mechanismen waren der Konkurrenz der weniger entwickelten, dafur aber sparsameren und produktiveren nicht gewachsen…“
„Halt! Das klingt zwar alles recht phantastisch, doch das soll uns nicht storen. Aber in der Evolution, im Evolutionsspiel siegt doch immer das Wesen mit dem hoher entwickelten Nervensystem, nicht wahr? In diesem Fall war das Nervensystem durch ein, sagen wir, elektronisches System ersetzt, aber das Prinzip bleibt das gleiche.“
„Das stimmt, Astrogator. Aber nur fur gleichartige, auf dem Planeten naturlich entstandene Organismen, nicht fur solche, die aus anderen Systemen gekommen sind.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Ganz einfach. Die biochemischen Voraussetzungen fur das Funktionieren von Organismen waren und sind auf der Erde fast immer die gleichen. Algen, Amoben, Pflanzen, niedere und hohere Tiere — sie alle sind aus beinahe identischen Zellen aufgebaut, haben fast denselben Stoffwechsel — Eiwei? —, und von diesem gemeinsamen Ausgangspunkt aus wird das, wovon Sie gesprochen haben, ein Unterscheidungsmerkmal.
Es ist nicht das einzige, aber immerhin eins der wichtigsten. Doch hier war es anders. Von den Mechanismen, die auf der Regis gelandet waren, bezogen die hochentwickelten ihre Energie aus eigenen radioaktiven Vorraten; die einfacheren Einrichtungen, kleine Reparatursysteme, hatten vielleicht etwas wie Batterien, die sich mit Hilfe der Sonnenenergie aufluden. So waren sie den anderen gegenuber betrachtlich im Vorteil.“
„Aber die Hoherstehenden konnen sie ja gerade der Sonnenbatterien beraubt haben. Ubrigens — wohin soll unsere ganze Diskutiererei fuhren? Vielleicht lohnt es gar nicht, daruber zu sprechen. Was, Lauda?“
„Doch, doch. Das ist wesentlich, Astrogator, ein sehr wichtiger Punkt, weil meiner Ansicht nach hier eine tote Evolution von sehr eigenartigem Charakter stattgefunden hat, hervorgerufen durch zufallig entstandene, au?ergewohnliche Bedingungen. Ich sehe das, kurz gesagt, so: In dieser Evolution haben sich erstens die Systeme durchgesetzt, die es in der Miniaturisierung am weitesten gebracht, und zweitens jene, die sich an einem bestimmten Ort angesiedelt hatten. Die ersten waren der Anfang der sogenannten schwarzen Wolken. Ich halte sie fur sehr kleine Pseudoinsekten, die sich nach Bedarf, gewisserma?en im gemeinsamen Interesse, zu ubergeordneten Systemen verbinden konnen, eben in Gestalt von Wolken. So verlief die Evolution der beweglichen Mechanismen. Die ortsgebundenen hingegen waren Ausgangspunkt fur diese sonderbare Metallvegetation, aus der die Ruinen der sogenannten Stadte bestehen…“
„Ihrer Meinung nach sind es also keine Stadte?“
„Nein, naturlich nicht. Es sind lediglich gro?e Ansammlungen se?haft gewordener Mechanismen, toter Gebilde, die imstande sind, sich zu vermehren und mit besonderen Organen — ich vermute, mit den kleinen dreieckigen Platten — Sonnenenergie zu speichern.“
„Sie meinen also, da? diese ›Stadt‹ noch immer vegetiert?“
„Nein. Ich habe den Eindruck, diese › Stadt‹, oder vielmehr der Metallwald, ist aus einem uns unbekannten Grund in dem Kampf ums Dasein unterlegen und jetzt nur noch verrosteter Schrott. Nur eine Form hat uberlebt: die das ganze Festland beherrschenden, beweglichen Systeme.“
„Warum?“
„Das wei? ich nicht. Ich habe zahlreiche Berechnungen angestellt. Vielleicht ist die Sonne der Regis in in den letzten drei Millionen Jahren rascher als zuvor erkaltet, so da? die gro?en, ortsgebundenen ›Organismen‹ keine ausreichende Energiezufuhr mehr hatten. Aber das sind nur Vermutungen.“
„Nehmen wir an, es ist so, wie Sie sagen. Glauben Sie, da? diese ›Wolken‹ an der Oberflache oder im Innern des Planeten eine Steuerzentrale haben?“
„Ich glaube nicht, da? so etwas existiert. Vielleicht werden diese Mikroorganismen, wenn sie sich auf bestimmte Weise miteinander verbinden, selbst eine solche Zentrale, eine Art totes Gehirn. Getrennt zu leben mag fur sie gunstiger sein. Sie bilden lockere Schwarme und konnen dadurch dauernd im Sonnenlicht sein oder auch Gewitterwolken nacheilen, denn es ist nicht ausgeschlossen, da? sie den atmospharischen Entladungen Energie entnehmen.
Aber in Augenblicken der Gefahr oder, umfassender gesagt, einer plotzlichen, ihre Existenz bedrohenden Veranderung verbinden sie sich…“
„Diese Reaktion mu? aber doch von etwas ausgelost werden. Wo ist ubrigens wahrend des ›Schwarmens‹ das unerhort komplizierte Gedachtnis, das sich an das ganze System erinnert? Ein Elektronengehirn ist doch kluger als alle seine Elemente, Lauda. Sollten die Elemente so schlau sein, nach der Demontage von selbst wieder auf die richtigen Platze zu springen? Als erstes mu?te ein Plan des ganzen Hirns entstehen. “
„Nicht unbedingt. Es genugt, da? jedes Element behalt, mit welchem anderen es unmittelbar verbunden war. Sagen wir, Element Nummer eins soll sich an den Au?enflachen mit sechs anderen verbinden, deren jedes dasselbe von sich wei?. So kann die im einzelnen Element enthaltene Informationsmenge verschwindend gering sein, und nur ein bestimmter Ausloser, ein bestimmtes Signal: Achtung! Gefahr! Ist erforderlich, damit alles in die richtige Konfiguration tritt und sofort das ›Hirn‹ entsteht. Doch das ist nur als primitives Schema dargestellt, Astrogator. Ich nehme an, die Sache ist komplizierter, schon allein, weil solche Elemente sicherlich haufig vernichtet werden, ohne da? sich das auf die Funktionstuchtigkeit des gro?en Ganzen auswirken darf.“
„Gut. Wir haben keine Zeit, langer Einzelheiten zu erortern.
Ergeben sich aus Ihrer Hypothese konkrete Schlu?folgerungen fur uns?“
„In gewissem Sinne ja, aber negative. Millionen Jahre ›Maschinenevolution‹ und diese Erscheinung, der der Mensch in der Galaxis bisher nicht begegnet ist. Bitte, beachten Sie das Hauptproblem. Alle uns bekannten Maschinen sind nicht fur sich selbst da, sondern um jemandem zu dienen. So ist also vom menschlichen Standpunkt aus die Existenz des sich vermehrenden Metallgestrupps auf der Regis oder der Eisenwolken sinnlos, allerdings konnte man zum Beispiel die Kakteen in der irdischen Wuste ebenso als sinnlos bezeichnen. Der Kern der Sache liegt darin, da? sie sich im Kampf gegen Lebewesen ausgezeichnet angepa?t haben. Ich habe den Eindruck, da? sie nur in den ersten Phasen dieses Kampfes getotet haben, als es hier auf dem Festland von Leben wimmelte. Dann erwies sich der Energieverbrauch beim Toten als unokonomisch. Deshalb griffen sie zu anderen Methoden, denen sowohl die Katastrophe des ›Kondors‹ als auch der Fall Kertelen und schlie?lich die Vernichtung von Regnars Gruppe zuzuschreiben sind.“
„Und was sind das fur Methoden?“
„Worauf sie zuruckzufuhren sind, wei? ich nicht genau.
Ich kann nur meine eigene Meinung au?ern: Bei Kertelen handelt es sich um Vernichtung fast der gesamten, im menschlichen Hirn enthaltenen Information. Das trifft sicherlich auch bei Tieren zu. Derart verstummelte Lebewesen mussen naturlich umkommen. Das ist zugleich einfacher, rascher und okonomischer als Toten… Meine Schlu?folgerung daraus ist leider pessimistisch. Vielleicht ist das noch sehr gelinde ausgedruckt. Wir sind in einer unvergleichlich schlimmeren Lage als sie, und zwar aus mehreren Grunden. Zunachst la?t sich ein Lebewesen bedeutend leichter vernichten als ein Mechanismus oder eine technische Einrichtung.
Daruber hinaus haben sie sich unter Bedingungen entwickelt, die sie zwangen, gegen Lebewesen und gegen ihre ›Metallbruder‹, vernunftbegabte Automaten, gleichzeitig zu kampfen. Sie haben also einen Zweifrontenkrieg gefuhrt, haben jegliche Adaptionsmechanismen lebender Systeme sowie jedes Intelligenzsymptom bei vernunftbegabten Maschinen bekampft. Das Ergebnis dieses jahrmillionenlangen Ringens ist zweifellos eine ungewohnliche Universalitat und Perfektion in den Vernichtungsmethoden gewesen. Ich furchte, wir mu?ten, um sie zu besiegen, eigentlich alle vernichten, und das ist so gut wie unmoglich.“