„Meinen Sie?“
„Ja. Das hei?t, selbstverstandlich konnte man bei geeigneter Konzentration der Mittel den ganzen Planeten vernichten, aber das ist schlie?lich nicht unsere Aufgabe, ganz davon abgesehen, da? unsere Krafte dafur nicht ausreichen.
Die Situation ist, wie ich sie sehe, tatsachlich einmalig in ihrer Art. Intellektuell sind wir ihnen uberlegen. Die Mechanismen sind keineswegs eine geistige Macht, sie haben sich nur ausgezeichnet auf die Bedingungen des Planeten eingestellt, darauf, alles, was vernunftbegabt ist und alles, was lebt, zu vernichten. Sie selbst hingegen sind tot. Deshalb kann das, was fur sie noch harmlos ist, fur uns bereits den Tod bedeuten.“
„Aber woher nehmen Sie die Gewi?heit, da? sie keinen Verstand haben?“
„Ich konnte mich um eine Antwort drucken, Unkenntnis vorschutzen, aber ich sage Ihnen, wenn ich mir uberhaupt einer Sache sicher bin, dann gerade dieser. Warum sie keine intellektuelle Macht darstellen? Ach! Wenn sie Verstand hatten, dann waren sie langst mit uns fertig geworden. Gehen Sie mal in Gedanken alle Ereignisse auf der Regis seit unserer Landung durch — Sie werden feststellen, da? sie keinen strategischen Plan haben. Sie greifen immer nur von Fall zu Fall an.“
„Hm… Die Art, in der sie die Verbindung zwischen Regnar und uns unterbrochen haben, und der Angriff auf unsere Aufklarer…“
„Aber sie tun doch nur, was sie bereits vor Jahrtausenden getan haben. Die hoheren Automaten, die von ihnen vernichtet wurden, haben sich doch zweifellos auch uber Radiowellen untereinander verstandigt. Diesen Informationsaustausch zu verhindern, die Verbindung zu zerrutten, war eine ihrer ersten Aufgaben. Die Losung drangte sich geradezu von selbst auf, denn in der Welt ist wohl nichts besser als Abschirmungsmittel geeignet als eine Metallwolke. Und jetzt? Was ist zu tun? Wir mussen uns und unsere Automaten und Maschinen, ohne die wir nichts waren, schutzen.
Wahrend sie vollige Manovrierfahigkeit haben. Sie verfugen an Ort und Stelle uber faktisch unerschopfliche Reproduktionsquellen, sie konnen sich vermehren, wenn wir einen Teil von ihnen vernichten, und bei alldem konnen ihnen lebensgefahrdende Mittel gar nichts anhaben. Unsere starkste Macht, der Beschu? mit Antimaterie, ist also unerla?lich.
Doch damit konnen wir nicht alle vernichten. Haben Sie bemerkt, wie sie reagieren, wenn sie getroffen werden?
Sie zerfallen einfach. Uberdies mussen wir uns immer unter dem Schutzfeld aufhalten, und das schrankt unsere strategischen Moglichkeiten ein. Sie hingegen konnen sich nach Belieben verkleinern, von einem Ort an den anderen bewegen… Und wenn wir sie auf diesem Kontinent schlagen, dann verziehen sie sich auf einen anderen. Und sie alle zu vernichten ist schlie?lich nicht unser Anliegen. Ich meine, wir sollten abfliegen.“
„Ach, so ist es.“
„Ja, so ist es. Da wir nun einmal gewi? apsychische Gebilde einer toten Evolution als Gegner haben, konnen wir das Problem nicht nach Kategorien von Rache und Vergeltung fur den ›Kondor‹ und das Schicksal seiner Besatzung losen. Das ware so, als wollte man den Ozean verprugeln, weil er ein Schiff mit Mann und Maus verschlungen hat.“
„An dem, was Sie sagen, ware vieles logisch, wenn es sich wirklich so verhielte“, sagte Horpach und erhob sich. Er stutzte sich mit beiden Handen auf die mit Zeichnungen bedeckte Karte. „Aber es ist ja nur eine Hypothese, und mit Hypothesen konnen wir nicht zuruckkehren. Wir brauchen Gewi?heit. Nicht Rache, sondern Gewi?heit. Eine exakte Diagnose, Ermittlung von Fakten. Wenn wir die ermittelt haben, wenn ich in den Containern des ›Unbesiegbaren‹ Proben von dieser… dieser fliegenden Maschinenfauna habe — sofern sie wirklich existiert —, dann werde ich selbstverstandlich ebenfalls der Auffassung sein, da? wir hier nichts mehr zu suchen haben. Dann ist es Sache der Erdstation, unser weiteres Verhalten zu bestimmen. Nebenbei gesagt, es gibt keine Garantie, da? diese Gebilde auf dem Planeten bleiben, vielleicht entwickeln sie sich und gefahrden schlie?lich die Raumschiffahrt in diesem Bereich der Galaxis.“
„Wenn das geschehen sollte, dann fruhestens in einigen hunderttausend oder vielmehr Millionen Jahren. Ich furchte, Astrogator, Sie lassen sich noch immer von der Vorstellung leiten, da? wir einem denkenden Gegner gegenuberstehen.
Was einst nur Werkzeug vernunftbegabter Wesen war, das hat sich nach deren Verschwinden selbstandig gemacht und ist im Laufe von Jahrmillionen eigentlicher Teil der Naturgewalten des Planeten geworden. Das Leben ist im Ozean geblieben, weil die ›Maschinenevolution‹ dort nicht hinreicht und andererseits diesen Lebensformen den Zutritt zum Festland verwehrt. So sind der ma?ige Sauerstoffgehalt in der Atmosphare — er wird von den Meeresalgen ausgeschieden — und die Oberflachengestaltung der Kontinente zu erklaren. Der Planet ist eine Wuste, da diese Systeme nichts aufbauen, da sie keine Zivilisation haben, keinerlei Werte schaffen, da sie nichts haben als sich selbst. Deshalb sollten wir sie als Naturgewalt betrachten.
Auch die Natur bringt weder Bewertungen noch Werte hervor.
Diese Gebilde ruhen einfach in sich, sie existieren und verhalten sich so, wie sie sich verhalten, um weiterzuexistieren…“
„Wie erklaren Sie sich die Vernichtung der Flugzeuge?
Sie waren doch im Schutz des Kraftfeldes.“
„Ein Kraftfeld kann durch ein anderes Kraftfeld zermalmt werden. Im ubrigen — wenn man im Bruchteil einer Sekunde das gesamte im Hirn eines Menschen enthaltene Gedachtnis ausloschen will, so mu? man in diesem Moment rings um seinen Kopf ein so starkes Magnetfeld erzeugen, Astrogator, wie es selbst uns mit den Mitteln, uber die wir hier an Bord verfugen, schwerfallen wurde. Dafur waren gigantische Umspanner, Transformatoren und Elektromagnete erforderlich.“
„Und Sie meinen, da? die all das haben?“
„Aber nein! Sie haben uberhaupt nichts. Sie sind ganz einfach Bausteine, aus denen jeweils das entsteht, was gerade notwendig ist. Trifft das Signal ›Gefahr‹ ein, so hei?t das: Da ist etwas aufgetaucht. Sie nehmen es durch Veranderungen wahr, die eintreten, zum Beispiel durch die Veranderung des elektrostatischen Feldes. Und gleich setzt sich der fliegende Schwarm zu diesem ›Wolkenhirn‹ zusammen, und sein kollektives Gedachtnis erwacht: Aha, solche Wesen waren schon mal da, man verfuhr mit ihnen so und so und vernichtete sie. Und sie wiederholen ihr Verhalten von damals.“
„Gut“, sagte Horpach, der eine geraume Weile dem alten Biologen nicht mehr zugehort hatte. „Ich verschiebe den Start. Wir berufen jetzt eine Versammlung ein, obwohl ich das lieber nicht tate, weil es wieder auf einen Riesendisput hinauslauft. Die Wissenschaftler werden sich ereifern, aber ich wei? mir keinen anderen Rat. In einer halben Stunde in der Hauptbibliothek, Dr. Lauda.“
„Sollten sie mich uberzeugen, da? ich mich irre, dann wird es einen wahrhaft zufriedenen Menschen mehr an Bord geben“, sagte Dr. Lauda ruhig und verlie? die Kajute so leise, wie er gekommen war. Horpach richtete sich auf, trat an den Wandinformator, druckte die Taste der Innenlautsprecheranlage und rief alle Wissenschaftler zusammen.
Wie sich herausstellte, hegten die meisten Spezialisten ahnliche Vermutungen wie Lauda; er war nur der erste gewesen, der sie so bestimmt ausgesprochen hatte. Meinungsverschiedenheiten entbrannten lediglich um das Problem, ob die „Wolke“ psychisch oder apsychisch sei. Die Kybernetiker neigten zu der Ansicht, sie sei ein denkendes System mit der Fahigkeit, strategisch vorzugehen. Lauda wurde scharf angegriffen; Horpach war sich bewu?t, da? die Ursache dieser leidenschaftlichen Kontroversen weniger in Laudas Hypothese zu suchen war als vielmehr darin, da? er sie zuerst mit dem Kommandanten statt mit seinen Kollegen durchgesprochen hatte. Trotz aller Bindungen zur Besatzung bildeten die Wissenschaftler an Bord eine Art „Staat im Staate“ und richteten sich nach einem gewissen ungeschriebenen Verhaltenskodex.
Chefkybernetiker Kronotos fragte Lauda, wie die „Wolke“ wohl gelernt haben sollte, Menschen anzugreifen, obwohl sie keinen Intellekt habe.
„Ganz einfach“, antwortete der Biologe. „Sie hat Jahrmillionen hindurch nichts anderes getan. Ich denke an den Kampf gegen die urtumlichen Bewohner der Regis. Das waren Tiere mit zentralem Nervensystem. Sie hat gelernt, sie genauso anzugreifen, wie ein Erdeninsekt sein Opfer angreift, und tut das mit derselben Prazision, mit der eine Wespe ihr Gift in die Nervenstrange eines Heupferdchens oder eines Maikafers spritzt. Das ist kein Intellekt, das ist Instinkt.“
„Aber woher wu?ten sie, wie Flugzeuge anzugreifen sind? Mit Flugzeugen war sie doch vorher nicht in Beruhrung gekommen.“
„Das konnen wir nicht wissen, Herr Kollege. Sie kampfte, wie ich Ihnen schon gesagt habe, an zwei Fronten.