Warum war Jarg erst geflohen und dann zuruckgekommen?
Diese Frage war verhaltnisma?ig leicht zu beantworten.
Er war sicherlich umgekehrt, als die panische Angst von ihm gewichen war und ihm bewu?t wurde, da? er ungefahr funfzig Kilometer vom Raumschiff entfernt war und es mit dem vorhandenen Sauerstoffvorrat zu Fu? nicht erreichen wurde.
Die anderen Fragen blieben Ratsel, deren Losung fur alle Leben oder Tod bedeuten konnte. Aber uberlegungen und Hypothesen mu?ten zurucktreten vor der Notwendigkeit zu handeln.
Horpach erfuhr nach Mitternacht von der Katastrophe der Rohan-Gruppe; eine halbe Stunde spater startete er.
Einen Raumkreuzer an eine nur zweihundert Kilometer entfernte Stelle zu fliegen ist eine undankbare Aufgabe.
Das Schiff mu? die ganze Zeit hindurch senkrecht uber dem Antriebsfeuer mit verhaltnisma?ig geringer Geschwindigkeit gesteuert werden und verbraucht so uberma?ig viel Treibstoff. Da die Triebwerke hierfur nicht eingerichtet waren, mu?ten standig Elektroautomaten eingesetzt werden; trotzdem schwebte der Stahlkolo? leicht schaukelnd durch die Nacht, wie von sanft wogenden Wellen getragen.
Fur einen Beobachter auf der Regis ihr ware das sicherlich ein ungewohnlicher Anblick gewesen: diese im Schein der ausgesto?enen Flammen kaum sichtbare Silhouette, die sich wie auf einer Feuersaule durch die Finsternis schob.
Kurs zu halten war auch keine Kleinigkeit. Man mu?te uber die Atmosphare steigen und dann wieder mit dem Heck voran in sie eintauchen.
All das beanspruchte die volle Aufmerksamkeit des Astrogators, zumal da der gesuchte Krater unter einem dunnen Wolkenschleier verborgen lag. Schlie?lich setzte der „Unbesiegbare“ noch vor Tagesanbruch im Krater auf, zwei Kilometer von Regnars alter Station entfernt. Superkopter, Maschinen und Baracken wurden sofort im Kraftfeldbereich des Kreuzers aufgestellt, und ein gutausgerusteter Bergungstrupp hatte gegen Mittag alle Uberlebenden von Rohans Gruppe eingeholt. Sie waren zwar gesund, aber geistesabwesend. Zwei Raume mu?ten zusatzlich als Lazarett eingerichtet werden, weil im eigentlichen Bordlazarett kein Platz mehr frei war. Nun erst machten sich die Wissenschaftler daran, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen, dem Rohan seine Rettung zu verdanken hatte und das — ware nicht der tragische Zwischenfall mit dem Werfer in der Hand eines Wahnsinnigen gewesen — auch Jarg gerettet hatte.
Es war unbegreiflich, denn beide hatten sich weder in Ausrustung und Kleidung noch im Aussehen von den anderen unterschieden. Und da? sie mit Terner zu dritt in dem kleinen Gelandefahrzeug gewesen waren, durfte wohl ebensowenig von Bedeutung gewesen sein.
Gleichzeitig stand Horpach vor der unangenehmen Entscheidung, was weiter zu tun sei. Eins war klar: Er konnte mit Tatsachen zur Flottenbasis zuruckkehren, die die Heimkehr rechtfertigten und das tragische Ende des „Kondors“
aufhellten. Was die Wissenschaftler am meisten beschaftigte — die metallenen Pseudoinsekten, ihre Symbiose mit den „Maschinenpflanzen“, die auf dem Gestein wucherten, und schlie?lich die Frage nach dem „Psychismus“ der Wolke (es war ja nicht einmal bekannt, ob nur eine oder mehrere Wolken existierten und ob sich alle kleineren Wolken zu einem geschlossenen System verbinden konnten) —, all das zusammen hatte ihn nicht bewegt, auch nur eine Stunde langer auf Regis in zu bleiben, wenn nicht noch immer vier Manner von Regnars Gruppe, unter ihnen Regnar selbst, gefehlt hatten.
Die Spuren der Vermi?ten hatten Rohans Gruppe in die Schlucht gefuhrt. Zweifellos wurden die Wehrlosen dort umkommen, selbst wenn die leblosen Bewohner der Regis sie unbehelligt lassen sollten. Deshalb mu?te die ganze Umgebung abgesucht werden, weil die Verungluckten jeder Fahigkeit vernunftgelenkten Handelns beraubt und allein auf die Hilfe des „Unbesiegbaren“ angewiesen waren.
Das einzige, was einigerma?en feststand, war der Umkreis, auf den sich die Suchaktion erstrecken mu?te, weil sich die Manner auf ihren Irrwegen durch die Grotten und Schluchten nicht mehr als einige Dutzend Kilometer von dem Krater hatten entfernen konnen. Sie hatten nur noch wenig Sauerstoff in den Apparaten, doch die Arzte versicherten, es sei nicht lebensgefahrlich, die Atmosphare des Planeten zu atmen, und bei dem Zustand der Leute hatte eine Benommenheit, die durch im Blut gelostes Methan hervorgerufen wurde, naturlich keine ernste Bedeutung.
Das Gelande, das fur die Suchaktion in Frage kam, war nicht allzu ausgedehnt, aber ausgesprochen schwierig und unubersichtlich. Alle Winkel und Spalten, Grotten und Hohlen durchzukammen wurde selbst unter gunstigen Voraussetzungen Wochen dauern. Unter den Felsschichten der gewundenen Schluchten und der Taler lag, nur an manchen Stellen mit ihnen verbunden, ein zweites System unterirdischer, vom Wasser ausgespulter Gange und Grotten verborgen.
Es war durchaus moglich, da? die Verschollenen sich in einem dieser Verstecke aufhielten, au?erdem war kaum damit zu rechnen, sie alle an einem Ort zu finden. Des Gedachtnisses beraubt, waren sie hilfloser als Kinder, denn die waren zumindest zusammengeblieben. Obendrein war diese Gegend als Niststelle der schwarzen Wolke bekannt. Die riesigen Anlagen des „Unbesiegbaren“ und seine technische Ausrustung waren bei der Suchaktion nicht recht zu gebrauchen.
Der sicherste Schutz, das Kraftfeld, lie? sich in den unterirdischen Gewolben des Planeten uberhaupt nicht einsetzen.
Also gab es nur die Wahl zwischen sofortiger Umkehr — das ware gleichbedeutend gewesen mit dem Todesurteil fur die Verschollenen — und Aufnahme der riskanten Suchaktion. Eine echte Chance lag dabei auch nur in den nachsten Tagen, bestenfalls der nachsten Woche. Horpach war sich bewu?t, da? die Manner spater nicht mehr lebend geborgen werden konnten.
Tags darauf rief der Astrogator in aller Fruhe die Spezialisten zusammen, erlauterte ihnen die Lage und erklarte, er zahle auf ihre Hilfe. Sie waren im Besitz einer Handvoll jener „Metallinsekten“, die Rohan in der Jackentasche mitgebracht hatte. Fast vierundzwanzig Stunden hatte man damit zugebracht, sie zu untersuchen. Horpach wollte wissen, ob es moglich sei, diese Gebilde unschadlich zu machen.
Uberdies tauchte wieder die Frage auf, weshalb Jarg und Rohan von dem Zugriff der „Wolke“ verschont geblieben waren.
Die „Kriegsgefangenen“ nahmen wahrend der Beratung einen Ehrenplatz ein: in einem geschlossenen Glasgefa? mitten auf dem Tisch. Es waren nur noch etwa zwanzig Stuck, die anderen waren bei den Untersuchungen zerstort worden. Diese Gebilde von genau symmetrischer Dreiteilung erinnerten in der Form an den Buchstaben Y. Sie hatten drei spitz auslaufende, in einer zentralen Verdickung verankerte Flugel. Bei direkter Beleuchtung sahen sie kohlschwarz aus, bei reflektiertem Licht aber schillerten sie blaulich und olivgrun wie der Hinterleib mancher irdischer Insekten, der sich wie der Rosettenschliff eines Brillanten aus winzigen Flachen zusammensetzt. Ihr Inneres wies immer dieselbe, allerdings mikroskopisch kleine Struktur auf. Ihre Elemente, hundertmal kleiner als ein Sandkornchen, bildeten eine Art autonomes Nervensystem, in dem voneinander teilweise unabhangige Strange zu unterscheiden waren.
Der kleinere, die Arme des Buchstaben Y bildende Teil stellte ein Steuersystem fur die Bewegung des „Insekts“
dar, das in der mikrokristallinen Struktur der Arme eine Art universellen Akkumulator und zugleich Energieumwandler besa?. Je nachdem, wie die Mikrokristalle zusammengepre?t wurden, erzeugten sie ein elektrisches oder ein magnetisches Feld oder aber veranderliche Kraftfelder, die den Mittelteil auf eine verhaltnisma?ig hohe Temperatur bringen konnten, so da? die gespeicherte Warme in einer Richtung nach au?en stromte. Die schubahnliche Luftbewegung, die dadurch hervorgerufen wurde, ermoglichte es ihnen, beliebig aufzusteigen, wobei die einzelnen winzigen Kristalle mehr flatterten als flogen und — zumindest bei den Versuchen im Labor — unfahig waren, ihren Flug genau zu steuern. Verbanden sie sich hingegen durch Verkettung der Flugelenden miteinander, so entstanden Aggregate mit um so besseren aerodynamischen Eigenschaften, je gro?er die Anzahl war.
Jeder Kristall verband sich mit drei anderen; au?erdem konnte sich sein Arm mit dem Mittelteil eines anderen verbinden und so einen vielschichtigen Bau der sich auf diese Weise vergro?ernden Systeme ermoglichen. Die einzelnen Kristalle brauchten sich dabei nicht zu beruhren, eine Annaherung der Flugelspitzen genugte, durch das erzeugte Magnetfeld das ganze Gebilde im Gleichgewicht zu halten.
Ballte sich eine bestimmte Menge von „Insekten“ zusammen, so wies das Aggregat zahlreiche Gesetzma?igkeiten auf. Wenn es durch au?ere Reize „aufgestachelt“ wurde, dann konnte es seine