mich ein. Der elektrische Funke betaubte meine Hand. Ich sah, wie die Haare brannten. Und dann sah ich in seine Augen.
»Kampfe doch!« sagte er. »Warum kampfst du nicht gegen mich?« Er schlug mir den Stock ins Gesicht, ich versuchte ihn wegzuschieben.
Die Beruhrung durchzuckte mich von den Ellbogen bis zu den Zahnen. Ich weinte und winselte. Ich legte mich auf den Boden, rollte mich zusammen, so gut ich konnte. Immer wieder schlug er auf mich ein, jagte Schmerzwellen durch meinen Korper. Ich bi? mir die Zunge blutig, das Blut quoll zwischen meinen Zahnen hervor.
Dann horte der Schmerz auf.
»Verdammt!« rief er und warf den Stock auf ein Regal. »Warum kampfst du nicht?«
Er ging hinaus. Seine Worte drohnten noch immer in meinem Kopf. »Warum kampfst du nicht?«
Weil ich ein Mensch bin. Weil – weil – weil…
Der Assistent war bose. Abgrundtief bose. Das Bose verfolgt immer bestimmte Zwecke. Das Bose schlagt zu ohne Vorwarnung. Der Sadismus ist eine Abart des Bosen, die keine Motivation braucht. Einem anderen Wesen Schmerzen zuzufugen ist ein menschliches Bedurfnis. Vielleicht verschaffte es Tuleg sexuelle Befriedigung, mir weh zu tun? Ich wu?te es nicht. Ich wollte ihm nicht geben, was er brauchte. Niemals.
Ich hatte die Bedeutung des Wortes »bose« kennengelernt. Eine Bedeutung, die mir nicht gefiel.
Ich spurte Hande auf mir.
Winzige Hande.
Ich offnete die Augen und stohnte, als die Hande uber eine Wunde auf meiner Stirn strichen, uber eine Wunde, die Tuleg mir mit seinem Stachelstock zugefugt hatte. Ich stohnte und walzte mich auf die Seite.
»Du armes Ding«, sagte sie. »Du armes, verangstigtes Ding.«
Warum, warum, warum gab es einen Gorilla und einen verruckten Wissenschaftler und einen bosen Assistenten, warum? Und warum gab es auch noch eine schone Frau?
Ich habe das alles schon einmal erlebt, sagte ich mir, als der Doktor und die schone Frau meine Wunden mit Salbe bestrichen. Ich hatte solche Schmerzen, und ich war wie betaubt, so da? ich nichts anderes tun konnte, als zitternd auf dem Boden zu liegen. Ich hatte Fieber. Meine Augen schienen aus Sand und Kies zu bestehen. Mein ganzer Korper schuttelte sich. Ich weinte. Sie breiteten eine Decke uber mich. Mir wurde abwechselnd hei? und kalt, und dann schien mein ganzes Inneres zu brennen – stundenlang. Ich verlor das Bewu?tsein, versank in Fiebertraume, sah einen Dschungel vor mir.
Es war viel spater, und ich horte, wie der verruckte Doktor mit der schonen Frau sprach.
»Ich hatte dich nicht hergebracht, wenn ich nicht wollte, da? du es siehst«, sagte er. »Ich hatte es nicht getan, wenn ich gewu?t hatte, was Tuleg tun wurde. Dieser brutale Kerl! Ich hoffe, da? er in der Holle schmoren wird. Ich werde ihn wegschicken – gleich, wenn er zuruckkommt.«
»Ich habe dir gesagt, da? er schrecklich ist«, entgegnete sie mit sanfter Stimme. »Ich habe es schon gewu?t, als du ihn eingestellt hast.«
»Nun, er war mir eine gro?e Hilfe.«
»Naturlich.« Jetzt klang ihre Stimme so, als hatte sie ihm den Rucken zugewandt. »Er hat dir geholfen. O Vater!« Die Stimme zitterte nur, zogernd fuhr sie fort. »Warum?« fragte sie. »Warum hast du etwas so Dummes, Sinnloses getan? Wozu? Was willst du damit beweisen? Was?«
»Aber Blanche! Wenn du die Seelenqualen erlebt hattest, die Muhen, die vielen Stunden…«
Sie drehte sich wieder zu ihm um und stie? mit schriller Stimme hervor: »Kannst du dir vorstellen, was dieser arme Mann durchmacht? Kannst du das?«
»Er wird mich unsterblich machen, Blanche.«
»O Vater, Vater!« sagte sie. Ich horte ihre Schritte. Die Tur offnete sich und fiel hart ins Schlo?.
»Sie versteht es nicht, sie versteht es einfach nicht«, sagte der alte Mann und schob irgendeinen Apparat auf der Werkbank hin und her. Ich horte das Klirren von Glas und Metall.
Dann schlief ich wieder ein.
Irgendwann wahrend der Nacht mu?te Tuleg zuruckgekommen sein. Ich offnete die Augen, und da sah ich ihn im Raum umhergehen. Er bereitete ein Essen vor, kostete es, als er es in eine Schussel gab.
Er brachte die Schussel zu meinem Kafig.
»Hier«, sagte er und schob sie zwischen den Gitterstaben hindurch. »Fri?!«
Er ging zur Werkbank, setzte sich und begann eine Thompson-Maschinenpistole zu reinigen. Wahrend er arbeitete, hob er von Zeit zu Zeit den Kopf und sah zu mir heruber.
»Fri?«, sagte er.
Ich ging zu der Schussel. Sie war mit Haferbrei, Rosinen, Sellerie-, Apfel- und Zuckerstuckchen gefullt. Ich steckte mir einen Bissen in den Mund. Es schmeckte gut. Ich hatte nicht viel Appetit, weil ich immer noch fieberte, aber ich a?.
Meine Finger strichen uber meine Schneidezahne, als ich mir das Essen in den Mund schob. Ich befuhlte sie alle beide. Sie waren lang und gebogen. Sie konnten ein Stuck Fleisch zerteilen wie ein Tranchiermesser. Sie konnten Konservendosen offnen. Sie konnten toten. Ich schuttelte den Kopf.
Dann a? ich die Schussel leer.
Dr. Hudson kam herein. Er mu?te schon zuvor mit Tuleg gesprochen haben. Denn er war nicht uberrascht, ihn hier zu sehen.
»Heute beginnen wir mit dem Unterricht«, sagte er zu mir.
»Du hast fruher Roger Ildell gehei?en«, sagte Dr. Hudson.
Ich nickte.
»Du hast einen todlichen Unfall erlitten, direkt vor meinem Haus«, fuhr er fort. »Aber nur dein Korper ist gestorben. Ich habe dein Gehirn herausoperiert, bevor der Verfall einsetzen konnte. Ich habe dein Gehirn gerettet – und dein Bewu?tsein.«
Ich nickte wieder.
»Ich habe deine Essays gelesen«, berichtete Blanche, die neben ihrem Vater sa?. »Die Polizei sucht immer noch nach deiner Leiche. Mein Vater und Tuleg haben alle Spuren beseitigt. Sie sind sehr grundlich und methodisch vorgegangen.«
»Wir mussen ganz von vorn beginnen«, erklarte Hudson. »Blanche meint, da? du ein intelligenter Mann warst. Eigentlich durfte es keine Probleme geben. Du wirst wieder schreiben lernen. Allerdings wirst du nie mehr sprechen konnen. Das bedaure ich – sogar sehr.«
Ich streckte dem Wissenschaftler und seiner Tochter beide Arme entgegen. Warum? Warum?
Hudson war verwirrt.
Tuleg schnaufte verachtlich und verlie? den Raum. Er trug noch immer das fleckige Unterhemd, in dem ich ihn zum erstenmal gesehen hatte.
Ich machte die Bewegung des Schreibens. Der Gorilla-Korper, den man mir aufgezwungen hatte, kampfte mit sich selbst. Ich wollte mit ihnen reden, wollte ihnen Fragen stellen. Was stimmte nicht mit mir? War mein Verstand beeintrachtigt worden? Warum konnte ich nicht sprechen? Warum konnte ich nicht schreiben?
Blanche gab mir einen gro?eren Bleistift und ein Blatt Papier, so gro? wie eine Tischplatte. Ich schrieb, so gut ich konnte, verbrauchte den Gro?teil des Papiers, strengte mich gewaltig an, um mich verstandlich zu machen.
Blanche las die wenigen Worte und sah dann tief in meine anthropoiden Schweinsaugen.
»O Vater!« rief sie und drehte sich zu dem verruckten Wissenschaftler um.
Er starrte mich an mit seinem Einstein-Blick.
»Ich habe es getan, um dein Leben zu retten. Verstehst du das nicht? Sonst warst du da drau?en gestorben.« Er begann zu schreien. Speichelblaschen entstanden in seinen Mundwinkeln, als er die Lippen auf- und zuklappte. »Ich werde dich unterrichten. Ich mu? es tun. Du hast uberlebt, also kann ich meine Forschungsarbeit fortsetzen. Oh…« Er gab einen erstickten Laut von sich, brach zusammen, sein Korper begann krampfhaft zu zucken.
Ich beobachtete ihn interessiert. Blanche rief nach Tuleg. Mit vereinten Kraften hoben sie den Verruckten auf und trugen ihn aus dem Labor. Nach einer Weile kam Blanche zuruck.
»Du armer Mann«, sagte sie, trat vor die Gitterstabe, streckte ihre Hand hindurch und beruhrte meine