einer gro?en spanischen Truhe an der Wand, sechs Menschen, von denen funf schwatzten, schmausten, Schallplatten auflegten, tanzten, und der sechste tot war,
Ach, seufzte Poirot. Was fur einen Spa? mein lieber Freund Hastings an diesem Problem gehabt hatte! Die Sprunge, die seine romantische Phantasie gemacht haben wurde! Was fur Torheiten er geau?ert hatte! Ah,
Seufzend wanderte sein Blick zu Miss Lemon hinuber. Miss Lemon die klugerweise merkte, da? Poirot nicht in der Stimmung war, Briefe zu diktieren, hatte die Schutzhulle von ihrer Schreibmaschine genommen und wartete auf den Moment, wo sie mit ruckstandigen Arbeiten fortfahren konnte. Nichts hatte sie weniger interessieren konnen als unheimliche spanische Truhen, die Leichen enthielten.
Abermals seufzend blickte Poirot auf ein fotografiertes Gesicht hinab. Zeitungsreproduktionen waren nie besonders gut, und diese Aufnahme war entschieden verschmiert - aber was fur ein Gesicht!.
Einer plotzlichen Eingebung folgend, schob er Miss Lemon die Zeitung hin.
»Sehen Sie mal«, gebot er. »Betrachten Sie einmal dieses Gesicht.«
Miss Lemon leistete gehorsam und gefuhllos seiner Aufforderung Folge.
»Was halten Sie von ihr, Miss Lemon? Das ist Mrs. Clayton.«
Miss Lemon warf abermals einen gleichgultigen Blick auf das Bild und bemerkte:
»Sie ahnelt ein wenig der Frau unseres Bankdirektors, als wir in Croydon Heath wohnten.«
»Interessant«, meinte Poirot. »Seien Sie doch so gut und erzahlen Sie mir etwas von dieser Bankdirektorsfrau.«
»Nun, es ist eigentlich keine sehr angenehme Geschichte, Monsieur Poirot.«
»Das habe ich mir bereits gedacht. Fahren Sie bitte fort.«
»Man horte viel Gerede - uber Mrs. Adams und einen jungen Kunstler. Dann erscho? sich Mr. Adams. Aber Mrs. Adams wollte den anderen Mann nicht heiraten, und er versuchte sich zu vergiften, wurde jedoch gerettet. Schlie?lich heiratete Mrs. Adams einen jungen Rechtsanwalt. Es folgten weitere Unannehmlichkeiten, glaube ich. Aber um die Zeit hatten wir Croydon Heath bereits verlassen, und ich habe nicht mehr viel daruber gehort.«
Hercule Poirot nickte ernst. »Sie war wohl sehr schon, ja?«
»Nun, schon im eigentlichen Sinne wohl nicht. Aber sie schien etwas an sich zu haben ...«
»Ganz richtig. Was ist dieses gewisse Etwas, das sie besitzen - die Sirenen dieser Welt? Frauen wie die schone Helena, Kleopatra ...?«
Miss Lemon schob energisch einen Bogen Papier in ihre Maschine.
»Wirklich, Monsieur Poirot, daruber habe ich nie nachgedacht. Es erscheint mir alles sehr toricht. Wenn die Menschen sich nur an ihre Arbeit halten und uber solche Dinge nicht nachdenken wollten, ware alles viel besser.«
Nachdem Miss Lemon menschliche Schwachen und Leidenschaften auf diese Weise kategorisch abgetan hatte, lie? sie ihre Finger leicht auf den Maschinentasten ruhen, voller Ungeduld, endlich mit ihrer Arbeit beginnen zu konnen.
»Das ist
»Gewi?, Monsieur Poirot«, lautete die geduldige Erwiderung.
»Dieser Fall interessiert mich, und es wurde mich freuen, wenn Sie die Berichte daruber in allen Morgenzeitungen und auch die spateren Berichte in den Abendzeitungen durchlasen und mir ein Resumee des Tatsachenbestandes anfertigten.«
»Sehr wohl, Monsieur Poirot.«
Poirot zog sich, wehmutig lachelnd, in sein Wohnzimmer zuruck.
Zu gegebener Zeit erschien Miss Lemon bei ihm mit einem getippten Bericht.
»Ich habe hier die gewunschten Informationen, Monsieur Poirot. Allerdings befurchte ich, da? sie nicht als zuverlassig anzusehen sind. Die Zeitungsberichte weichen betrachtlich voneinander ab. Ich mochte den angegebenen Tatsachen nicht mehr als sechzig Prozent Genauigkeit zubilligen.« -.
»Das ist wahrscheinlich eine konservative Schatzung«, murmelte Poirot. »Vielen Dank, Miss Lemon, fur die Muhe, die Sie sich gemacht haben.«
Der Tatsachenbestand war sensationell, aber ziemlich klar. Major Rich, ein wohlhabender Junggeselle, hatte einige seiner Freunde zu einer Abendgesellschaft in seine Wohnung geladen. Diese Freunde waren Mr. und Mrs. Clayton, Mr. und Mrs. Spence und Commander McLaren. Commander McLaren war mit Rich und den Claytons schon sehr lange befreundet.. Mr. und Mrs. Spence, ein jungeres Ehepaar, waren ziemlich neue Bekannte. Arnold Clayton war im Schatzamt. Jeremy Spence war ein jungerer Beamter der Zivilverwaltung. Major Rich war achtundvierzig. Arnold Clayton funfundfunfzig, Commander McLaren sechsundvierzig und Jeremy Spence siebenunddrei?ig. Mrs. Clayton war, wie es hie?, »einige Jahre junger als ihr Gatte«. Eine dieser Personen war nicht in der Lage, an der Abendgesellschaft teilzunehmen. Mr. Clayton wurde im letzten Augenblick wegen dringender Geschafte nach Schottland gerufen, und es wurde angenommen, da? er mit dem Zuge um 20.15 Uhr vom Bahnhof King's Cross abgefahren sei.
Die Party verlief wie alle solche Veranstaltungen. Allen schien es gut zu gefallen. Man war weder ausgelassen noch betrunken und brach gegen Viertel vor zwolf Uhr auf. Die vier Gaste gingen zusammen fort und nahmen gemeinsam ein Taxi. Commander Mc-Laren wurde als erster bei seinem Klub abgesetzt. Dann brachten die Spences Margharita Clayton nach Cardigan Gardens abseits der Sloane Street und fuhren allein weiter zu ihrem Haus in Chelsea.
Die gruselige Entdeckung wurde am nachsten Morgen gemacht, und zwar von William Burgess, dem Diener des Major Rich, der au?erhalb des Hauses wohnte. Er erschien sehr fruh, um das Wohnzimmer aufzuraumen, ehe er Major Rich mit der fruhmorgendlichen Tasse Tee weckte. Wahrend Burgess mit seinen Arbeiten beschaftigt war, entdeckte er plotzlich mit Schrecken einen gro?en, ha?lichen Fleck auf dem hellen Teppich, auf dem die spanische Truhe stand. Der Diener hob sofort den Deckel der Truhe und blickte hinein. Voller Entsetzen sah er darin die Leiche des Mr. Clayton, der offenbar erstochen worden war. Seinem ersten Impuls gehorchend, sturzte Burgess auf die Stra?e und holte den nachsten Polizisten.
Das waren die nackten Tatsachen. Aber es wurden noch weitere Einzelheiten erwahnt. Die Polizei hatte Mrs. Clayton sofort davon in Kenntnis gesetzt, und sie war »vollig niedergeschmettert«. Sie hatte ihren Mann am vorhergehenden Abend kurz nach sechs zum letztenmal gesehen. Er war verargert nach Hause gekommen, da er in einer dringenden geschaftlichen Angelegenheit, die etwas mit einem seiner Besitztumer zu tun hatte, nach Schottland gerufen worden war, und hatte seine Frau gedrangt, ohne ihn an der Abendgesellschaft teilzunehmen. Mr. Clayton hatte dann seinen Klub aufgesucht, zu dem auch Commander McLaren gehorte, und bei einem Glas Whisky seinem Freund die Sachlage erklart. Nach einem Blick auf seine Uhr hatte er dann geau?ert, da? er auf seinem Wege nach King's Cross gerade noch Zeit habe, bei Major Rich vorzusprechen und ihm die Sache auseinanderzusetzen. Er hatte schon versucht, ihn telefonisch zu erreichen, aber keinen Anschlu? bekommen.
Nach William Burgess' Aussage erschien Mr. Clayton gegen neunzehn Uhr funfundfunfzig in der Etage. Major Rich war nicht zu Hause, mu?te aber jeden Augenblick zuruckkehren. Burgess schlug daher Mr. Clayton vor, einzutreten und zu warten. Clayton sagte, er habe keine Zeit, da er auf dem Wege zum Bahnhof sei, mochte aber gern ein paar Zeilen fur Major Rich hinterlassen. Daraufhin fuhrte ihn der Diener ins Wohnzimmer und ging selbst in die Kuche zuruck, wo er mit der Zubereitung von Appetithappchen fur die Party beschaftigt war. Der Diener horte seinen Herrn nicht zuruckkehren, aber etwa zehn Minuten spater erschien Major Rich in der Kuche und bat ihn, eiligst turkische Zigaretten zu besorgen, da sie von Mrs. Spence bevorzugt wurden. Der Diener kam dieser Aufforderung nach und brachte die Zigaretten seinem Herrn ins Wohnzimmer. Mr. Clayton war nicht mehr da, und der Diener nahm naturlich an, da? er bereits fortgegangen sei, um seinen Zug zu erreichen.
Major Richs Schilderung war kurz und schlicht.
Mr. Clayton war nicht in der Wohnung, als er selbst zuruckkehrte, und er hatte keine Ahnung, da? er dort gewesen war. Er hatte keine Zeilen vorgefunden und von Claytons Schottlandreise erst erfahren, als Mrs. Clayton und die anderen Gaste eintrafen.