Tur aufgerissen und ein gro?er junger Mann in das Zimmer gesturzt ware. Einen kurzen Augenblick hatte, ich das unheimliche Gefuhl, da? der Tote wieder zum Leben erwacht sei. Dann bemerkte ich, da? das dunkle Haar noch nicht angegraut und er fast noch ein Knabe war.

Er sturzte auf Mme. Renauld zu. Mit solchem Ungestum, da? er sich der Anwesenheit der anderen gar nicht bewu?t wurde.

»Mutter!«

»Jack!« Mit einem Schrei schlo? sie ihn in die Arme.

»Mein Liebling! Aber wie kommst du hierher? Du hattest doch vor zwei Tagen auf der ,Anzona' von Cherbourg abreisen sollen.«

Dann kam ihr plotzlich die Anwesenheit der anderen in Erinnerung, und sie wandte sich zu ihnen: - »Mein Sohn, meine Herren.«

»Aha!« sagte M. Hautet, als der junge Mann sieh nun verbeugte. »Sie fuhren also nicht mit der ,Anzona' ?«

»Nein, Monsieur. Die Abfahrt der ,Anzona' verzogerte sich eines Maschinendefektes wegen um vierundzwanzig Stunden. Statt vorgestern hatte ich erst gestern abend abreisen konnen, aber als ich mir zufallig ein Abendblatt kaufte, entdeckte ich einen Bericht uber - uber das grauenvolle Ungluck, das uns betroffen hat -« Seine Stimme brach, und Tranen traten in seine Augen. »Mein armer Vater - mein armer, armer Vater.«

Mme. Renauld starrte ihn verstort an und wiederholte: »So bist du also nicht gefahren?« Und dann mit unsagbar muder Geste flusterte sie halb zu sich selbst: »Schlie?lich macht es ja nichts - jetzt.«

»Nehmen Sie Platz, Monsieur Renauld«, sagte M. Hautet und deutete auf einen Stuhl. Ich hege tiefes Mitgefuhl fur Sie. Es mu? ein furchtbarer Schlag sein, auf diese Weise die traurige Nachricht zu erfahren. Gunstig ist jedoch, da? Sie an der Abreise verhindert wurden. Ich gebe mich der Hoffnung hin, da? es Ihnen moglich sein wird, uns gerade die Aufklarung zu geben, die wir brauchen, um das Geheimnis zu entratseln.«

»Ich stehe zu Ihrer Verfugung, Monsieur. Fragen Sie, was Ihnen beliebt.«

»Um damit anzufangen: Ich erfahre, da? Sie die Reise auf Wunsch Ihres Vaters unternehmen sollten?«

»So ist es, Monsieur. Ich erhielt ein Telegramm, das mir befahl, nach Buenos Aires zu reisen und von dort nach Santiago.«

»Ah! Und der Zweck dieser Reise?«

»Ich habe keine Ahnung.«

»Wie?«

»Nein. Sehen Sie selbst, hier ist das Telegramm.«

Der Richter nahm es und las laut: »Abreise sofort Cherbourg, Einschiffung abends auf ,Anzona' nach Buenos Aires. Letzter Bestimmungsort Santiago. Weitere Anweisungen in Buenos Aires. Fahre unbedingt. Angelegenheit von allergro?ter Wichtigkeit. Renauld.«

»Und daruber sind vorher keine Briefe gewechselt worden?«

Jack Renauld schuttelte den Kopf: »Dies ist das einzige, was ich wei?. Mir war naturlich nur bekannt, da? mein Vater, da er doch so lange dort gelebt hatte, viele geschaftliche Interessen in Sudamerika besa?. Aber er hatte nie durchblicken lassen, da? er beabsichtige, mich hinuberzuschicken.«

»Sie sind naturlich viel in Sudamerika gewesen, Monsieur Renauld?«

»Als Kind war ich dort. Aber ich wurde in England erzogen, wo ich zumeist auch meine Ferien verbrachte, so da? ich viel weniger von Sudamerika wei?, als man annehmen konnte. Sehen Sie, ich war siebzehn Jahre alt, als der Krieg ausbrach.«

»Sie dienten bei der englischen Luftwaffe, nicht wahr?«

»Ja, Monsieur.«

M. Hautet nickte und setzte sein Verhor innerhalb der bereits bekannten Richtlinien fort. Als Antwort erklarte Jack Renauld nachdrucklich, da? ihm von keiner wie immer gearteten Feindschaft bekannt sei, die sich sein Vater in Santiago oder anderen Orten in Sudamerika zugezogen haben konnte, da? ihm in letzter Zeit keine Veranderung im Wesen seines Vaters aufgefallen sei und da? er niemals von seinem Vater eine Andeutung bezuglich eines Geheimnisses gehort habe. Er habe seine Mission in Sudamerika als eine rein geschaftliche aufgefa?t.

Als M. Hautet einen Augenblick lang innehielt, fuhr die ruhige Stimme Girauds dazwischen: »Herr Richter, ich mochte in eigener Angelegenheit einige Fragen stellen.«

»Bitte, Monsieur Giraud, wie Sie wunschen«, war die kuhle Antwort.

Giraud ruckte mit seinem Stuhl naher an den Tisch heran: »Standen Sie gut mit Ihrem Vater, Monsieur Renauld?«

»Gewi?«, antwortete der junge Mann hochmutig.

»Sie behaupten das mit Bestimmtheit?«

»Ja.«

»Keine kleinen Zwistigkeiten, wie?«

Jack zuckte die Achseln: »Kleine Meinungsverschiedenheiten kommen uberall einmal vor.«

»Sehr richtig, sehr richtig. Aber wenn jemand behauptete, da? Sie am Abend Ihrer Abreise nach Paris einen heftigen Streit mit Ihrem Vater hatten, so ware das zweifellos gelogen, nicht?«

Ich mu?te die Findigkeit Girauds wider meinen Willen bewundern. Sein Prahlen: »Ich wei? alles«, war nicht eitel gewesen. Diese Frage brachte Jack sichtlich aus der Fassung.

»Wir - wir hatten eine Auseinandersetzung«, gab er stockend zu.

»Oh, eine Auseinandersetzung! Und fielen im Laufe dieser Auseinandersetzung von Ihnen die Worte: ,Wenn du einmal tot bist, kann ich tun, was mit beliebt!'«

»Vielleicht«, murmelte der andere. »Ich wei? es nicht.«

»Und antwortete Ihr Vater darauf nicht: ,Aber noch bin ich nicht tot!' Worauf Sie erwiderten: ,Ich wollte, du warest es!'«

Der Junge schwieg. Erregt fingerten seine Hande an den Gegenstanden, die vor ihm auf dem Tische lagen.

»Bitte, ich mu? um eine Antwort ersuchen, Monsieur Renauld«, sagte Giraud scharf.

Voll Zorn fegte der junge Mann ein schweres Papiermesser zur Erde: »Was liegt daran? Sie mogen es ebensogut auch wissen. Ja, ich hatte einen Streit mit meinem Vater. Ich mu? zugeben - ich sagte alle diese Dinge - ich war so erregt, da? ich nicht einmal wu?te, was ich sagte. Ich war wutend - ich hatte ihn in dem Augenblick fast toten konnen -. So, nun nutzen Sie es gut aus!« Herausfordernd lehnte er sich in seinen Sessel zuruck.

Giraud lachelte. Er schob seinen Stuhl wieder etwas nach hinten und sagte: »Das ist alles. Wahrscheinlich ziehen Sie es vor, das Verhor selbst weiterzufuhren, Monsieur Hautet.«

»Ja, naturlich«, sagte M. Hautet. »Und was war die Ursache Ihres Streites?«

»Ich lehne es ab, darauf zu antworten.«

M. Hautet richtete sich im Sessel auf. »Monsieur Renauld, ich verlange eine Antwort von Ihnen«, sagte er drohend. »Was war die Ursache Ihres Streites?«

Der junge Renauld schwieg beharrlich, sein Knabengesicht blickte finster und trotzig.

Aber ein anderer sprach ruhig und unbeirrbar, und das war Hercule Poirot: »Wenn es Ihnen recht ist, Monsieur, will ich Ihnen die Aufklarung geben.«

»Sie wissen?«

»Naturlich wei? ich. Der Gegenstand des Streites war Mademoiselle Marthe Daubreuil.«

Erstaunt fuhr Renauld auf.

Der Untersuchungsrichter neigte sich vor: »Ist das richtig, Monsieur?«

»Ja«, gab er zu. »Ich liebe Mademoiselle Daubreuil, und ich mochte sie heiraten. Als ich meinem Vater diese Absicht mitteilte, geriet er in heftigste Wut. Ich naturlich konnte mit anhoren, wie das Madchen, das ich liebe, beleidigt wurde, und so ging auch mir mein Temperament durch.«

M. Hautet blickte zu Mme. Renauld hinuber: »Hatten Sie Kenntnis von dieser - Zuneigung, Madame?«

»Ich befurchtete sie«, sagte sie einfach.

»Mutter«, schrie der Jungling. »Auch du! Marthe ist ebenso gut wie schon. Was kannst du gegen sie haben?«

»Eigentlich habe ich nichts gegen Mademoiselle Daubreuil. Aber es ware mir lieber, du heiratetest eine Englanderin, oder wenn es schon eine Franzosin ist, dann lieber ein Madchen, dessen Mutter keine zweifelhafte Vergangenheit hat!«

Вы читаете Mord auf dem Golfplatz
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату