beim Vogeln gestort worden.«

Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Ich hatte gehofft, dass wir da weitermachen wurden, wo wir aufgehort hatten. Oder dass wir vielleicht einen Teil wiederholen wurden. Aber offenbar war Liz nicht in der Stimmung dazu. Ich hatte mindestens funf freche Antworten auf der Zunge, aber ich biss mir auf die Lippen. Vielleicht war sie ja morgen Abend wieder in der richtigen Stimmung.

Sie kletterte aus dem Bett und zog ihr T-Shirt nach unten, aber ich konnte einen kurzen Blick auf ihre glanzenden dunkelroten Schamlippen werfen. Es war eines von diesen Bildern, die nur einen Sekundenbruchteil wahren-, die man aber sein Leben lang nicht vergisst.

»Hoschen«, sagte ich und hielt ihren Slip hoch.

»Danke«, erwiderte sie lachelnd. »Schlaf gut.«

Sie hauchte mir einen Kuss zu, dann ging sie aus dem Schlafzimmer und schloss leise die Tur hinter sich. Ich blieb, wo ich war, auf einen Ellbogen gestutzt, und hatte das Gefuhl, dass ich die Frauen niemals verstehen wurde. Mein Freund Chris Pert hatte mal gesagt, Frauen seien das einzige unlosbare Problem, das einen sexuell stimulieren konne.

Ich wollte gerade das Licht ausmachen, als sie wieder ins Zimmer zuruckkehrte.

»Was ist los?«, fragte ich. Sie sah zutiefst beunruhigt aus, ihre Augen waren weit aufgerissen.

»Vom Dachboden kommt Licht, ein sehr grelles Licht.«

»Da oben gibt es kein Licht. Die Leitungen sind marode.«

»Komm mit und sieh es dir an.«

Ich erhob mich aus dem Bett und griff nach meinen Boxershorts, die so gestreift waren wie Zahnpasta.

»Ich wollte gerade die Tur zumachen, als ich etwas flackern sah. Es sieht so aus, als stimme mit der Elektrik etwas nicht.«

Ich trat in den Korridor, und Liz folgte mir. Es war vollig finster. »Ich kann nichts entdecken«, sagte ich zu ihr. »Wahrscheinlich hat sich nur was gespiegelt, als du die Tur zu deinem Schlafzimmer geoffnet hast. Auf dem Treppenabsatz befindet sich ein Spiegel.«

»Da hat sich nichts gespiegelt«, beteuerte Liz. »Es war blau, wie Elektrizitat.«

Ich tastete mich an der Wand entlang bis zum Treppenabsatz. Es war so dunkel, dass es einfacher fur mich war, die Augen zu schlie?en und mich wie ein Blinder vorzutasten. Liz war weiter dicht hinter mir, ihre Hand lag auf meiner Schulter. »Es war nur ein paar Sekunden lang zu sehen. Aber es schien so grell.«

Wir hatten fast den Absatz erreicht, als wir einen schrillen Schrei horten, wie von einem Kind, das sich in gro?ter Gefahr befand. Meine Nackenhaare richteten sich auf, und ich sagte: »Schei?e, was zum Teufel ist das?« Liz griff verangstigt nach meiner Hand, und ich hielt sie genauso fest.

Das Schreien wurde schriller, wahrend es sich uns naherte, und war so durchdringend wie das Gellen der Pfeife eines herannahenden Zuges. Dann verhallte es allmahlich.

Im nachsten Augenblick horten wir beide ein Gerausch, das an ein tiefes, drohnendes Grollen erinnerte. Allerdings horte es sich nicht wie irgendein mir vertrautes Gerausch von einem Tier an, das ich jemals gehort hatte, weder im Zoo noch in einer Tiersendung. Vielmehr klang es wie eine zu langsam abgespielte Aufnahme einer menschlichen Stimme. Tief und verzerrt - und so laut, dass die Fenster vibrierten.

Dann flackerte das Licht und drang durch die Spalten rings um die Tur zum Speicher. Ein grelles blaues Licht, das fur einen Augenblick den gesamten Korridor und den Treppenabsatz erhellte. Ich sah Liz' bleiches, entsetztes Gesicht. An der Wand des Flurs entdeckte ich ein Bild des gekreuzigten Jesus.

»Allmachtiger«, flusterte Liz. »Was ist das?«

Ich nahm eine wenig uberzeugende heldenhafte Haltung an und strich ihr uber die Hand. »Es gibt eine vernunftige Erklarung dafur«, sagte ich, wahrend mir schauderte. Noch immer trieben die Lichtformen vor meinen Augen umher. »Ein Kurzschluss oder etwas Ahnliches. Vielleicht auch Statik. Das Meer ist nicht weit entfernt, es konnte ein Elmsfeuer sein.«

»Was?«

»Du wei?t schon, Elmsfeuer. Manchmal sieht man es an den Schiffsmasten oder an den Spitzen von Tragflachen. Die Seeleute nannten es Elmsfeuer. Nach dem Schutzheiligen der Seeleute im Mittelmeerraum, St. Erasmus.«

Ich hielt inne und sah sie an. Ganz offensichtlich fragte sie sich, woher ich das alles wusste. »Ich hab davon im Eagle Annual Comic gelesen, als ich zwolf war.«

»Oh.« Sie war zu jung, um sich an den Eagle zu erinnern, wie ich ihn noch kannte. »Und die Schreie?«

»Frag mich nicht. Vielleicht war es Luft in den Wasserleitungen. Vielleicht hat sich eine Taube in den Speicher verirrt, und die Ratte hat sich auf sie gesturzt.«

»Tauben schreien nicht. Jedenfalls nicht so.«

»Ich wei?. Aber vielleicht war sie eine Ausnahme.«

Wir warteten in der Dunkelheit. Ich hatte mich noch nie so beunruhigt und wehrlos gefuhlt. Liz druckte meine Hand, ich druckte ihre, aber ich wusste nicht, was ich machen sollte. Nicht eine Sekunde lang glaubte ich daran, dass sich auf dem Speicher irgendetwas abspielen konnte, das nicht irdischen

Ursprungs war. Es hatte einen Kurzschluss gegeben, die riesige Ratte schrie und tobte. Noch immer glaubte ich nicht, dass dort oben irgendetwas Ubernaturliches vorgehen konnte. Ich fand es so schon unheimlich genug, ohne mir auch noch Gedanken daruber zu machen, dass sich die Geschehnisse jeder naturlichen oder vernunftigen Erklarung entziehen konnten.

»Vielleicht solltest du mal nachsehen«, schlug Liz vor.

»Vielleicht sollte ich mal nachsehen?«

»Du bist der Mann.«

»Das liebe ich«, gab ich zuruck, wahrend ich noch immer zitterte. »Du bist wie all die anderen Frauen auch, die ich kenne. Du willst nur dann gleichberechtigt sein, wenn es dir gefallt.«

Trotzdem wusste ich, dass ich auf den Speicher gehen musste, um mich dem zu stellen, das oben wutete. Ich konnte angesichts dieser Lichter, der Schreie und des Gepolters nicht einfach zuruck ins Bett gehen. Nicht etwa, weil ich nicht hatte schlafen konnen, sondern weil diese riesige Ratte meine gesamte Arbeit fur diesen Sommer gefahrdete. Und auch meine Mannlichkeit, meine Glaubwurdigkeit als Mann. Liz sollte nicht glauben, dass ich mich furchtete. Gerade sie sollte das nicht glauben.

Wieder flackerte das Licht, wenn auch nicht so hell. Es hatte mehr eine orangene Farbung, und Sekunden spater war ich sicher, dass ich Brandgeruch wahrnahm.

»Glaubst du, der Dachboden steht in Flammen?«, fragte Liz.

»Keine Ahnung. Aber ich schatze, ich muss wirklich nachsehen.«

Ich blickte mich nach einer geeigneten Waffe um. Im Schlafzimmer neben uns gab es, von viel in dieser Situation unbrauchbarem Gerumpel abgesehen, einen zerbrochenen Kuchenstuhl. »Warte«, sagte ich zu Liz, ging in das Zimmer und riss an der Ruckenlehne, bis sie larmend nachgab und ich eines der hinteren Stuhlbeine losen konnte.

»So«, sagte ich und fuchtelte wie ein Hohlenmensch mit seinem Knuppel. »Ein falsches Wort, und dann setzt es was mit dem Stuhlbein.«

Ich naherte mich der Tur zum Dachboden. Das Flackern war erloschen, aber ich konnte noch immer das unregelma?ige elektrische Zischen und Krachen horen. Ich nahm auch noch den pragnanten sauerlichen Geruch wahr, der von etwas Brennendem stammen mochte, vielleicht aber auch eine ganz andere Ursache hatte. Fur etwas Brennendes war der Geruch sogar etwas zu su?lich. Es war schwer, den Geruch einzuordnen. Aus irgendeinem Grund musste ich an den Mief eines antiken Schreibtischs denken, der einem entgegenschlagt, wenn man die Schubladen offnet.

»Klingt so, als sei Ruhe eingekehrt«, sagte Liz.

»Das beruhigt mich nicht im Geringsten.«

»Nun komm schon«, trieb Liz mich an. »So schlimm kann es ja nicht sein, wenn jeder im Dorf davon wei?.«

»Meinst du?«, sagte ich zweifelnd. »Es konnte auch schlimmer sein. Warum sollte jeder davon wissen, wenn es nicht etwas ganz Schreckliches ist?«

Liz sah mich an, ihr Gesicht verfinsterte sich, wahrend ich sie fragend anblickte, ohne eine Antwort zu bekommen. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn die Frau, die man mag, etwas von einem verlangt, was man

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